Dantons Tod. Georg Buchner
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Junger mensch. Ach, meine Herren!
Zweiter bürger. Es gibt hier keine Herren! An die Laterne!
Einige singen.
Die da liegen in der Erden,
Von de Würm gefresse werden;
Besser hangen in der Luft,
Als verfaulen in der Gruft!
Junger mensch. Erbarmen!
Dritter bürger. Nur ein Spielen mit einer Hanflocke um den Hals! ‘s ist nur ein Augenblick, wir sind barmherziger als ihr. Unser Leben ist der Mord durch Arbeit; wir hängen sechzig Jahre lang am Strick und zapplen, aber wir werden uns losschneiden. – An die Laterne!
Junger mensch. Meinetwegen, ihr werdet deswegen nicht heller sehen.
DIE UMSTEHENDEN. Bravo! Bravo!
Einige stimmen. Laßt ihn laufen! Er entwischt.
Robespierre tritt auf, begleitet von Weibern und Ohnehosen.
Robespierre. Was gibt’s da, Bürger?
Dritter bürger. Was wird’s geben? Die paar Tropfen Bluts vom August und September haben dem Volk die Backen nicht rot gemacht. Die Guillotine ist zu langsam. Wir brauchen einen Platzregen!
Erster bürger. Unsere Weiber und Kinder schreien nach Brot, wir wollen sie mit Aristokratenfleisch füttern. He! totgeschlagen, wer kein Loch im Rock hat!
Alle. Totgeschlagen! Totgeschlagen!
Robespierre. Im Namen des Gesetzes!
Erster bürger. Was ist das Gesetz?
Robespierre. Der Wille des Volks.
Erster bürger. Wir sind das Volk, und wir wollen, daß kein Gesetz sei; ergo ist dieser Wille das Gesetz, ergo im Namen des Gesetzes gibt’s kein Gesetz mehr, ergo totgeschlagen!
Einige stimmen. Hört den Aristides! hört den Unbestechlichen!
Ein Weib. Hört den Messias, der gesandt ist, zu wählen und zu richten; er wird die Bösen mit der Schärfe des Schwertes schlagen. Seine Augen sind die Augen der Wahl, seine Hände sind die Hände des Gerichts.
Robespierre. Armes, tugendhaftes Volk! Du tust deine Pflicht, du opferst deine Feinde. Volk, du bist groß! Du offenbarst dich unter Blitzstrahlen und Donnerschlägen. Aber, Volk, deine Streiche dürfen deinen eignen Leib nicht verwunden; du mordest dich selbst in deinem Grimm. Du kannst nur durch deine eigne Kraft fallen, das wissen deine Feinde. Deine Gesetzgeber wachen, sie werden deine Hände führen; ihre Augen sind untrügbar, deine Hände sind unentrinnbar. Kommt mit zu den Jakobinern! Eure Brüder werden euch ihre Arme öffnen, wir werden ein Blutgericht über unsere Feinde halten.
Viele Stimmen. Zu den Jakobinern! Es lebe Robespierre!
Alle ab.
Simon. Weh mir, verlassen! Er versucht sich aufzurichten.
Weib. Da! Sie unterstützt ihn.
Simon. Ach, meine Baucis! du sammelst Kohlen auf mein Haupt.
Weib. Da steh!
Simon. Du wendest dich ab? Ha, kannst du mir vergeben, Porcia? Schlug ich dich? Das war nicht meine Hand, war nicht mein Arm, mein Wahnsinn tat es.
Sein Wahnsinn ist des armen Hamlet Feind.
Hamlet tat’s nicht, Hamlet verleugnet’s.
Wo ist unsre Tochter, wo ist mein Sannchen?
Weib. Dort um das Eck herum.
Simon. Fort zu ihr! Komm, mein tugendreich Gemahl.
Beide ab.
Dritte Szene
Der Jakobinerklub.
Ein Lyoner. Die Brüder von Lyon senden uns, um in eure Brust ihren bittren Unmut auszuschütten. Wir wissen nicht, ob der Karren, auf dem Ronsin zur Guillotine fuhr, der Totenwagen der Freiheit war, aber wir wissen, daß seit jenem Tage die Mörder Chaliers wieder so fest auf den Boden treten, als ob es kein Grab für sie gäbe. Habt ihr vergessen, daß Lyon ein Flecken auf dem Boden Frankreichs ist, den man mit den Gebeinen der Verräter zudecken muß? Habt ihr vergessen, daß diese Hure der Könige ihren Aussatz nur in dem Wasser der Rhone abwaschen kann? Habt ihr vergessen, daß dieser revolutionäre Strom die Flotten Pitts im Mittelmeere auf den Leichen der Aristokraten muß stranden machen? Eure Barmherzigkeit mordet die Revolution. Der Atemzug eines Aristokraten ist das Röcheln der Freiheit. Nur ein Feigling stirbt für die Republik, ein Jakobiner tötet für sie. Wißt: finden wir in euch nicht mehr die Spannkraft der Männer des 10. August, des September und des 31. Mai, so bleibt uns, wie dem Patrioten Gaillard, nur der Dolch des Kato.
Beifall und verwirrtes Geschrei.
Ein Jakobiner. Wir werden den Becher des Sokrates mit euch trinken!
Legendre schwingt sich auf die Tribüne. Wir haben nicht nötig, unsere Blicke auf Lyon zu werfen. Die Leute, die seidne Kleider tragen, die in Kutschen fahren, die in den Logen im Theater sitzen und nach dem Diktionär der Akademie sprechen, tragen seit einigen Tagen die Köpfe fest auf den Schultern. Sie sind witzig und sagen, man müsse Marat und Chalier zu einem doppelten Märtyrertum verhelfen und sie in effigie guillotinieren. Heftige Bewegung in der Versammlung.
Einige stimmen. Das sind tote Leute, ihre Zunge guillotiniert sie.
Legendre. Das Blut dieser Heiligen komme über sie! Ich frage die anwesenden Mitglieder des Wohlfahrtsausschusses, seit wann ihre Ohren so taub geworden sind ...
Collot d’Herbois unterbricht ihn. Und ich frage dich, Legendre, wessen Stimme solchen Gedanken Atem gibt, daß sie lebendig werden und zu sprechen wagen? Es ist Zeit, die Masken abzureißen. Hört! Die Ursache verklagt ihre Wirkung, der Ruf sein Echo, der Grund seine Folge. Der Wohlfahrtsausschuß versteht mehr Logik, Legendre. Sei ruhig! Die Büsten der Heiligen werden unberührt bleiben, sie werden wie Medusenhäupter die Verräter in Stein verwandlen.
Robespierre. Ich verlange das Wort.
Die Jakobiner. Hört, hört den Unbestechlichen!
Robespierre. Wir warteten nur auf den Schrei des Unwillens, der von allen Seiten ertönt, um zu sprechen. Unsere Augen waren offen, wir sahen den Feind sich rüsten und sich erheben, aber wir haben das Lärmzeichen nicht gegeben; wir ließen das Volk sich selbst bewachen, es hat nicht geschlafen, es hat an die Waffen geschlagen. Wir