Der Letzte vom "Admiral". Franz Treller

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Der Letzte vom

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sich im Laufe der folgenden Wochen im Auftrag seines Chefs nach Ostasien begeben, wo eine verwickelte Geschäftslage das Eingreifen eines erfahrenen und energischen Mannes bedingte. Das Haus Oswald Söhne stand in lebhaftem Handelsverkehr mit Indien und China. Er hatte sich um diese Stellung beworben, da ihm nach Henriks jähem Ende und der Haltung des Senators Hamburg verleidet war, und sie wurde ihm von seinem Direktor um so lieber anvertraut, als er durchaus die notwendigen Eigenschaften zu glücklicher Lösung der schwierigen Aufgabe besaß. Onnos Vorhaben war Senator Asmus angenehm gewesen, so grimmig er auch wurde, als sich nach der Abreise seines Neffen herausstellte, daß dieser, trotz eines guten Einkommens, infolge seines leichtfertigen Lebenswandels tief in Schulden geraten war und deren Deckung der Großmut seines Onkels überlassen hatte. Der Ehre der Familie wegen mußte der alte Herr die Schulden bezahlen. Er tat dies in der Hoffnung, daß ihm Onno nie wieder vor Augen kommen werde. Sein Schmerz um den Verlust Henriks war ungemindert.

      *

      Als die Brasse losließ und die Spiere den unglücklichen Henrik über Bord schleuderte, lähmte die Zurückbleibenden bleiches Entsetzen, die nächsten Augenblicke galten dann dem Kampf ums Leben, und so hatten sie ein starkes Ruderboot in Lee, welches, von sechs langen Riemen getrieben, nach Neuwerk zuhielt, nicht gesehen, obgleich es dicht an ihnen vorbeigetrieben war.

      Im Stern dieses Bootes saß ein noch junger, wettergebräunter Seemann und steuerte es mit vollendeter Sicherheit. Der gellende Schrei von der Jacht her drang vom Wind getragen bis zu ihm. Er wandte den Kopf, erblickte auch schattenhaft das Fahrzeug mit seinem im Wind flatternden Segel und gleich darauf, während das Heck seines Bootes niederging, ein bleiches Menschenantlitz neben sich, das eben aus der Welle auftauchte. Instinktiv fast, aber blitzschnell fuhr seine Hand nieder und faßte langes Haar, es mit der Kraft einer starken Seemannsfaust festhaltend. Eine Sekunde später und der im Meer Treibende wäre weit abgespült worden und versunken. Der Seemann hielt das Haupt über Wasser. Da er das Steuer nicht loslassen durfte und auch mit der einen Hand den bewegungslosen Körper nicht in das Boot ziehen konnte, rief er die ihm zunächst sitzenden Matrosen, die wohl gesehen hatten, was sich am Steuer zutrug, an: »Jan und Krischan, stopp! Hierher un helpt den Jongen in dat Boot trecken!«

      Die Angerufenen hoben gleichzeitig die Riemen aus den Dollen, legten sie an Bord nieder, gingen nach hinten, und gleich darauf lag der triefende Körper des Bewußtlosen neben dem Mann im Stern des Bootes.

      Da die bewegte See die ganze Aufmerksamkeit des Steuermanns wie die volle Kraft der Ruderer erforderte, ergriffen diese sofort wieder ihre Riemen, und unbeachtet lag der den Wellen entrissene Jüngling da.

      Nach einer halben Stunde schwerer Arbeit näherte sich das Boot dem Barkschiff, welches eine Laterne gesetzt hatte. Im Lee des Schiffes, welches sich nur über einem Buganker schaukelte, auf verhältnismäßig ruhigem Wasser angelangt, ward ihnen von Bord ein Tau zugeworfen, sie holten an, und der Steuermann stieg an dem aushängenden Fallreepan Deck.

      Dort stand der Kapitän im schwachen Schein der am Großmast befestigten Laterne.

      »Lange geblieben, Stürmann«, sagte er, als jener auf ihn zutrat.

      »War nich früher möglich, Kaptein.«

      »Hewwen Se allens?«

      »Ja, Kaptein, un noch en Stück Ballast dartau.«

      »Wie is dat?«

      Der Steuermann berichtete kurz, was ihm soeben begegnet war. Auch hoben die Matrosen schon den Körper des jungen Menschen über die Bordwand und ließen ihn sanft auf einem Stück Segeltuch im Schein der Laterne nieder. Während das Boot gehißt wurde, trat der Kapitän zu dem Bewußtlosen heran.

      »Aber der ist ja tot, Steuermann.«

      »Ich glaube nicht, Kapitän. Freilich habe ich mich auf der Fahrt nicht um ihn bekümmern können, aber er hatte kaum eine Minute im Wasser gelegen, als er an mich antrieb.«

      Der Kapitän, der Steuermann und einige Matrosen sahen auf die jugendliche, schlanke Gestalt, die leblos vor ihnen lag. Das feine, wollene Hemd, der gestickte Gürtel, die eleganten Beinkleider deuteten an, daß der Träger dieser Kleidungsstücke einer wohlhabenden Familie angehören müsse. Um das bleiche Gesicht von weichen, edeln Formen hing das feuchte Haar nieder, die Augen waren geschlossen. Der Junge lag da, als ob er schliefe. Rasch hatte ihm der Steuermann das Hemd geöffnet und sein Ohr an die Brust des Bewußtlosen gelegt.

      »Der Mann lebt, das Herz schlägt, Kapitän«, sagte er aufstehend, »ich denke, er hat den Giekbaum der Jacht an den Schädel bekommen.«

      »Diese Landlubbers sollen auf ihren Fischteichen bleiben«, brummte der Kapitän, »aber wat helpt dat nau – der Junge ist sicher guter Leute Kind. Lassen Sie ihn in die Koje bringen, abreiben und gut zudecken, Steuermann, wollen sehen, was daraus wird.«

      Während zwei Matrosen den Körper hinabtrugen, wurde der Anker gelichtet, Leinwand gesetzt, und bald schaukelte die Hamburger Bark »Roland« auf den kurzen Wellen der Nordsee, Henrik Horsa, der warm zugedeckt in einer Koje ruhte und durch sein Atmen bewies, daß noch Leben in ihm weilte, mit sich hinausführend in das weite Meer.

      Kapitän Jansen war, als er an Kuxhaven vorbeiging, durch eine ihm übermittelte Depesche seiner Reeder bedeutet worden, daß er noch ein wichtiges Schriftstück zu erwarten habe. Da er im Strom nicht beilegen wollte, hatte er seinen Steuermann an Land geschickt und, dessen Rückkehr abwartend, bei Neuwerk einen Anker fallen lassen. Dies war die Veranlassung, daß das Boot zu jener Stunde dem Schiff nacheilte.

      Während der Nacht sprang der Wind um und blies scharf aus West. Da mit dieser Brise der Kanal nicht zu passieren war, hielt der Kapitän nach Norden zu, um seinen Weg in den Ozean um Schottlands Küste zu suchen.

      Der junge Mensch lag immer noch bewußtlos in seiner Koje. Eine genauere Untersuchung hatte ergeben, daß er einen heftigen Schlag gegen den Kopf bekommen hatte, dessen linke Seite stark mit Blut unterlaufen war. Die Betäubung war also allem Anschein nach die Folge einer Gehirnerschütterung. Herz und Puls schlugen normal. Der Kapitän hatte beabsichtigt, den jungen Hamburger einem ihm im Kanal begegnenden heimischen Schiff zu übergeben, um ihn zurückführen zu lassen, doch der ihm durch den Westwind aufgezwungene Nordkurs vereitelte jedes Zusammentreffen mit einem nach Deutschland bestimmten Schiff. Der »Roland« trat in den Ozean nordwärts der Orkneyinseln, ohne daß ihnen ein Fahrzeug begegnet wäre, und der auf so ungewöhnliche Weise an Bord gekommene Passagier lag immer noch, ohne zur Besinnung gekommen zu sein, auf seinem Lager.

      Drei Monate waren fast vergangen seit dem Tag, der die Unglücksbotschaft in das Haus Frau Horsas brachte, als der Senator im schnellsten Galopp, welchen seine feisten Mecklenburger fähig waren, zum Erstaunen ganz Blankeneses die Straße herunterjagte und vor der wohlbekannten Gartentür hielt. Der alte Herr stieg so rasch aus, daß er fast gefallen wäre, und erschreckt eilte ihm seine Schwester entgegen. Der Senator schwenkte ein Telegramm in der Rechten und schrie nur so: »De Jong lewt, Stinning. De Jong lewt. He is all reddet, der leiwe God deit immer noch Wunners. De Jong lewt, Stinning.«

      Und der Herr Senator faßte seine Schwester um die Taille und küßte sie auf die Wange und wollte sich dann mit ihr im Tanz schwenken.

      Dürten ward durch den Lärm aus dem Haus gelockt und sah mit großer Verwunderung auf das seltsame Gebaren des Herrn Senators.

      Frau Horsa war zwar sehr blaß geworden, doch nicht in Ohnmacht gefallen, aber eines Wortes war sie nicht mächtig, zu gewaltig stürmte das Unerwartete, das Ungehoffte, das unendliche Glück auf sie ein. Der Senator aber schrie wieder: »Dürten, hei lewt – de Henrik lewt!«

      »Heww ick dat nich immer seggt?« versetzte Dürten

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