Seefahrt ist not!. Gorch Fock

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Seefahrt ist not! - Gorch  Fock

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ihm nicht direkt unter die Nase gehalten worden wäre. Nur der Gesang lenkte ihn eine Zeitlang von seinem Jungen ab, denn es brauste gewaltig durch die Kirche: Krist Kyrie, komm zu uns auf die See! Im Innersten ergriff es ihn, denn das war kein Gesang mehr. Wie ein weher Ruf, wie ein todesbanger Schrei hörte es sich an und schlug wie Meereswogen um die kahlen Pfeiler, es war, als wenn die Stürme sich wieder erheben und die See und die Herzen aufwühlten, die Segel und die Seelen zerrissen, als wenn Geisterlaute, die Stimmen der Ertrunkenen, der Verschollenen, sich hineinmischten. So furchtbar drückte der Küster auf die Tasten, der an seinen gebliebenen Sohn dachte, so übermächtig sangen die Fahrensleute.

      Klaus Störtebeker sah sich besorgt um und dachte, es komme Wind auf, weil es mit einem Mal so brauste. Aber er durfte und wollte sich nicht bange machen lassen und ging deshalb wieder auf und ab zwischen den Bäumen, deren Stämme der Hasen und Raupen wegen mit Kalk bestrichen waren. Unverdrossen hielt er aus, bis der Mond aufging, der stille, milde Freund der Menschen: Peter Wittorfs rundes, glänzendes Vollmondgesicht erschien in der Schalluke auf dem Turm. Die Glocke mit der Aufschrift: Ut dat Füer bün ik floten / Peter Struve hett mi gotenAus dem Feuer bin ich geflossen, Peter Struve hat mich gegossen. begann, sich leise knarrend zu wiegen, schwang sich höher und höher, bis der Klöppel dröhnend gegen den Mantel schlug und das helle Geläut sich erhob. Die Türen wurden aufgestoßen, die Jungen stürmten heraus, als sei drinnen eine Feuersbrunst ausgebrochen, die Mädchen drängten nach, dann kamen die Fahrensleute und die Frauen. Da ging das Nachthaus bellend in die Binsen und war nicht wieder in Sicht zu bekommen, so laut Störtebeker auch rief und pfiff. Aber wenn er nun auch ohne Kompaß war, so hielt er dennoch getreulich aus und verließ seinen Posten nicht, bis sein Vater lachend zu ihm trat und ihn erlöste.

      Ob er auch Haverei gehabt hätte? Nein, nur das Nachthaus wäre siebenmal über Bord gegangen! Ob der Fang gut gewesen sei? Ja, bannig gut, ein feiner Streek, hundert Stiege, große Südschollen!

      »Deubel ok, du kannst dat ober!« lobte Klaus Mewes.

      »Ja, Vadder, dat harrst di woll ne dacht, wat? Nimm mi man mit no See, denn schallst mol sehn, wat wi de Fisch belurt!« sagte der Junge mit blitzenden Augen und fuchsklugen Nasenlöchern.

      Der Seefischer aber warf ihm das Gesangbuch hin und erwiderte, sie wollten erst mal sehen, ob die Klütjen noch schmeckten. »Kumm, Seemann!« Und er schechtete groß und heiter auf dem Kirchenweg entlang und überholte eine dunkle Reihe nach der andern. Immer größer wurden seine Schritte, so daß Störtebeker in Sprüngen laufen mußte, um mitzukommen, und Seemann, der weite Wege gar nicht gewohnt war, weil er sonst nur von Backbord nach Steuerbord zu wackeln brauchte, seine rote Zunge als Notflagge aussteckte, was Klaus Mewes aber nicht bewegen konnte, sich aus der Fahrt laufen zu lassen.

      Der Seefischer lachte und sprach laut, ohne sich an die mißbilligenden Blicke der Alten zu kehren. Was ging es ihn an, daß auf dem Kirchenweg nicht gelacht werden sollte? Er tat, was er wollte, und aß, was ihm schmeckte, der große Klaus Mewes, der getrost seine Segel dem Wind bot, weil er keinen mürben Kram fuhr; der wußte, daß er den besten Ewer unter den Füßen hatte, mit dem sich etwas beschicken ließ, und der Herr und König seines Lebens war. Nicht umsonst hatte er Tag und Nacht, bei jedem Wind und Wetter, seine deutsche Flagge auf dem Besan wehen. Das war der Tiefe seines Wesens entsprungen und entsprach seiner Liebe zu seinem Fahrzeug, seiner Wikingerlust an der Seefahrt. Hatte der Wind das bunte Tuch zerfetzt, dann zog er unbekümmert eine neue Flagge auf und ließ weder Furcht noch Aberglauben in seine Seele hinein. Sonnigen Herzens pflügte der glückliche Fischer die See, lachend strich er den reichen Segen ein, den sie für ihn hatte, und wenn der Fische noch so viele waren. Fremd war ihm das alte, heidnische Gefühl, das den Bauer bewog, sein Feld nicht ganz zu mähen, sondern eine Ecke Hafer stehenzulassen, für die Götter, für Wotans Schimmel.

      Sie sagten, man solle und dürfe niemanden aufs Wasser weisen. Wer den Weg nach dem Schiff nicht von selbst finde, aus dem könne doch kein Seemann werden. Am besten aber sei es immer noch gewesen, wenn einer gegen seiner Eltern und aller Willen zur See gegangen sei. Was scherte das Klaus Mewes, den Lachenden? Er sprach mit seinem Jungen über nichts als Fischerei und Seefahrt und erfüllte ihn mit nichts anderem, als daß er Fahrensmann werden müsse und solle. Was für Last hatten die Frauen am Deich, daß sie die Kinder vom Graben und von der Elbe fernhielten, daß sie sie aus den Booten und Kähnen herausbrachten! Goh man ne bit Woter! war ihr zweites und drittes Wort. Was tat Klaus Mewes? Er lachte und sagte: »Goh man betjen bit Woter, Störtebeker! Schipper man mol, klüs man mol not Fohrwoter raf, seil man betjen, swümm man mol, dor liggt de Boot, dor is de Kohn!«

      Und eines brannte er dem Jungen wie mit glühendem Eisen ins Herz, drückte es tief und unverwischbar, unauslöschlich ein: Ne bang warrn! Nicht bange werden, sonst kommst du nicht mit nach See! Nicht bange werden, zu keiner Zeit und Stunde, einerlei, ob es hell oder dunkel ist. Ob es donnert oder blitzt oder weht, weder auf dem Wasser noch an Land, weder in den Masten noch auf den Bäumen, weder vor Menschen noch vor Tieren, weder vor Lebendigen noch vor Toten. Nicht bange werden, nicht bange werden!

      Und der Junge nahm es auf wie das Segel den Wind. Bang dött ik ne warrn, ans komm ik ne no See, sagte er sich immer wieder, wenn ihm etwas Furcht einjagen wollte; so wurde er dreist und verwegen, wie sein Vater es wollte.

      Sie hatten die Höhe des Deiches erreicht, und Klaus Mewes blickte aufatmend über die Elbe. Wenn er auch die Fischerewer noch im Wintereis sitzen sah, das nicht von den Schallen schmelzen wollte, so fischte und segelte er doch im Morgenlicht mit allen Segeln bei Helgoland. Und wenn Störtebeker sich auch noch mit dem Gesangbuch abschleppte, so hatte er ihn doch schon an Bord und wies ihm die Feuerschiffe vor der Elbe und die Lotsenschoner auf See.

      Da grüßte sein Ewer über das Eis, er sah seine Flagge flattern – und seine Seele faßte noch mehr Wind, sie setzte die letzten und höchsten Segel.

      Zweiter Stremel

      Klaus Störtebeker stand auf dem Deich, hatte die Hände hohl um den Mund gelegt und rief die Leute. »Kap Horn und Hein, wat eten! Wat eten! Wat eten!«

      Endlich entstiegen sie der Kombüse, winkten mit der Hand zum Zeichen, daß sie verstanden hätten, und kamen über das Eis.

      Dann setzten sie sich drinnen zu Tisch, wie es sich gehörte. Auf der Bank mit dem Blumenkranz, dem Namen und der Jahreszahl saß zuoberst der Schiffer, rechts von ihm der Knecht, der Bestmann, vor ihm der Junge, Störtebeker aber neben ihm auf dem bunten Bankkissen.

      Gesa trug die vollen, dampfenden Schüsseln auf. Es gab frische Suppe mit bunten Korinthenklütjen. Safran, Suppenkraut und Muskatnuß fehlten nicht daran, und ein Stück Fleisch, wie ein halber Ochse groß, kam dazu auf den Tisch.

      Eine stille Pause, dann ergriff Klaus Mewes den großen, blanken Schöpflöffel und füllte sein Fatt, seinen Teller. Als er genug hatte, gab er den Löffel dem Knecht. Störtebeker bekam ihn zuallerletzt, obgleich er vielleicht am hungrigsten war. An der alten Schiffsordnung, die am Deich galt, durfte nicht gerüttelt werden, obschon Klaus Mewes sich sonst wahrlich nicht an das alte Wort kehrte: Flesch förn Schipper, Klütjen förn Knecht, Kantüffeln förn Jungen. Er gab ein Essen, wie es selbst die großen Bauern nicht besser geben konnten.

      Bi Disch ward ne snackt. Das war nichts für Klaus Mewes, da hätte ihm wohl einer ein Pechpflaster auf den Mund kleben müssen, wenn er das gesollt hätte. Er sprach und lachte, ohne sich etwas dabei zu denken, und ließ sich auch durch die verweisenden Blicke seiner Frau nicht aus dem Kurs bringen.

      Störtebeker aß fünf Klöße, Gotts den Donner, wat kunnt angohn! »Vörre Hand weg, Vadder«, versicherte er, »ohn uttoseuken; wenn ik no de lütjen langt harr, harr ik wenigstens söben upkregen.«

      »Oder söbenuntwintig«, gab der Knecht trocken drein, aber Störtebeker verstand den Spott nicht.

      »Ik wull, wi eten irst lebennige Schullen, Vadder,

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