Am Jenseits. Karl May

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Am Jenseits - Karl May

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style="font-size:15px;">      »Es sieht nicht bloß so aus, sondern es ist wirklich so: Wir bleiben da«, antwortete ich ruhig.

      »Dazu habt ihr kein Recht.«

      »Warum? Die Wüste ist nur Allahs Eigentum; hier diese Stelle auch. Wir haben niemanden zu fragen!«

      »Auch uns nicht?«

      »Nein.«

      »Wir waren eher da als ihr!«

      »So bleiben wir um grad so viel länger hier; dann sind die beiden Zeiten gleich!«

      »Wir wünschen aber, allein zu sein!«

      »Wir werden so tun, als ob ihr gar nicht vorhanden wäret, und kein Wort mit euch sprechen!«

      »Aber, ihr seht, daß wir einen Toten hier haben. Leichen aber verunreinigen!«

      »Uns nicht, denn wir werden ihn nicht berühren.«

      »Allah gebe mir die Beherrschung meines Zornes! Du siehst und hörst doch, daß wir euch nicht bei uns haben wollen, sondern eure Entfernung wünschen!«

      »Und du siehst, daß unsere Wünsche das Gegenteil erstreben; darum kann Allah nur die Erfüllung der Wünsche für die eine Partei im Buche des Lebens verzeichnet haben, und diese Partei sind wir. In das aber, was in dem Buche des Lebens verzeichnet worden ist, habt ihr euch zu fügen!«

      Ich hatte immerfort in meinem freundlichsten, er aber zuletzt in einem sehr zornigen Tone gesprochen. Ich war neugierig, was sich aus diesem sehr unerquicklichen Verhältnisse entwickeln werde. Halef ging es ebenso wie mir; er hatte die Herunternahme des Tachtirwahn und die bequeme Unterbringung seiner Hanneh unter ihr kleines, schnell aufgeschlagenes Frauenzeit beaufsichtigt und kam nun, anstatt sich zu ihr zu setzen, was er bisher unterwegs stets getan hatte, zu mir, ließ einen Teppich neben dem meinigen ausbreiten und setzte sich auf demselben nieder, Dann sagte er leise:

      »Warst du auf einen solchen Empfang vorbereitet, Sihdi?«

      »Nein«, antwortete ich.

      »Ich auch nicht. Eine solche Undankbarkeit ist geradezu beispiellos. Was wirst du tun?«

      »Zunächst ruhig abwarten. Ihr Verhalten zu uns interessiert mich außerordentlich, und ihre Leichenzeremonien auch. Sei jetzt still! Ich möchte hören, was sie beten.«

      Der Vorbeter begann nämlich jetzt wieder:

      »Das ist Muhammed, der Herr dieser und jener Welt, der Herr der Menschen und der Dschinnen (Geister), der Herr der beiden großen, voneinander gesonderten Scharen der Menschenkinder: der Araber und der Barbaren.

      Unser Prophet, den, wenn er gebietet oder wenn er verbietet, im Neinsagen wie im Jasagen niemand an Wahrhaftigkeit übertrifft.

      Er ist der Geliebte, auf dessen Fürsprache wir hoffen bei jedwedem grauen Schrecknisse, dessen Gewalt wir anheimgefallen sind.

      Wer sich an ihn anklammert, klammert sich an ein Seil, welches nimmer reißt.

      Er übertraf die Propheten sowohl an Körpergestalt wie auch an Seelenadel, und sie kamen ihm weder an Wissen noch auch an Tugend oder Edelsinn nahe.

      Sie, die alle von dem Gesandten Allahs bittend die Erlaubnis begehrten, aus dem Meere mit der Hand zu schöpfen oder das Wasser der anhaltenden Regengüsse schlürfen zu dürfen.

      Und neben ihm den unterscheidenden Punkt seines Wissens oder die tonangebende Bezeichnung seiner Weisheit zur äußersten Grenze hatten, an welcher sie dastanden, ohne sie überschreiten zu können.

      Ihn erkor der Schöpfer der Menschen sich zum Geliebten, nachdem Inneres und Äußeres bei ihm zur vollendeten Vollkommenheit gediehen war.

      Er hat keinen neben sich, der an seinen Vorzügen teilhat, und das Wesen seiner Schönheit ist ein ungeteiltes.

      Was die Christen von ihrem Propheten behaupten, das behaupte du ja nicht, sondern erkenne getrost an Lob ihm zu, was ihm anzuerkennen dir nur immer beliebt.

      Und leg seiner Person jeden Adel bei, den ihr beizulegen dir in den Sinn kommt, und lege seiner Würde jede Größe bei, die ihr beizulegen du das Verlangen hast.

      Denn die Vortrefflichkeit des Gesandten Gottes hat keine Grenze, so daß irgendein mit dem Munde Redender sie nicht in ihrer ganzen Grenze aussprechen könnte.

      Wenn seine Wunderzeichen der Größe seiner Würde entsprechen, so wird sein Name, wenn man ihn nennt, die hingeschwundenen Totengebeine beleben.

      Mit Dingen, welche der Verstand nicht begreifen kann, hat er, getrieben vom Eifer für unsere Wohlfahrt, uns verschont, und so sind wir weder dem Zweifel noch dem Wahne anheimgefallen.

      Sein inneres Wesen aufzufassen, ist eine Aufgabe, welche das Vergnügen der Sterblichen übersteigt, und weder in der Nähe noch in der Ferne siehst du einen, der nicht ratlos dasteht, wenn es gilt diese Aufgabe zu lösen.

      Sein inneres Wesen gleicht der Sonne, die in der Ferne sich dem Auge in verschiedener Kleinheit zeigt und in der Nähe aber das Auge blendet.

      Jede Reihe von Wunderzeichen, welche die hohen Gesandten Allahs zu Tage treten ließen, ist nur von seinem Lichte her zu ihnen gelangt.

      Denn er ist eine große Vortrefflichkeitssonne; sie aber sind die Sterne dieser Sonne und strahlen nur als seine Sterne ihr Licht den Menschen in die Finsternissen – — – — – — —

      Obgleich ich befürchten mußte, den Leser zu langweilen, habe ich dieses Gebet doch hierhergesetzt, weil es aus Stellen der Burda, eines der berühmtesten muhammedanischen Gedichte, besteht, welches zum Lobe Muhammeds verfaßt ist und bei Begräbnissen rezitiert wird. Es ist vielleicht für manchen interessant, ein berühmtes islamitisches Gedicht, wenn auch nur einen Teil desselben, kennen zu lernen, mit dessen Schönheiten sich, wie die Muhammedaner behaupten, kein Erzeugnis irgendeines andersgläubigen Dichters jemals vergleichen lassen dürfe!

      Der »Alte« schien die Burda auswendig zu können, denn er rezitierte diese Stellen ohne Hilfe eines Buches; er war also kein gewöhnlicher Araber; er machte während des Betens überhaupt den Eindruck eines fanatischen Moslem, weicher mit den Obliegenheiten eines Geistlichen wohlvertraut ist. Dabei schweiften seine Blicke sehr oft zu uns herüber, und zwar mit einem Ausdrucke, weicher nichts weniger als freundlich genannt werden konnte. In den Augen seines Sohnes aber wohnte gar der offenbare, vor uns nicht im geringsten verheimlichte Haß.

      Auch jetzt wieder hatte das Gebet auf mich den Eindruck gemacht, als ob es nicht aus innerem Bedürfnisse, aus der Seele heraus, sondern aus einem andern Grunde gesprochen werde. Es klang so müd, so abgespannt; die Leute sprachen langsam, als ob es ihnen schwer werde; sie ließen Stellen aus, welche der Vorbeter nicht ausgelassen hatte, und nun, da er eine Pause machte, legten sie sich nieder, was er als Veranlassung nahm, nicht wieder anzufangen.

      Ich dachte mir, daß sie nur beteten, um uns keine Zeit zu lassen, mit ihnen zu sprechen. Sie waren wahrscheinlich gesonnen, uns keine Auskunft über sich zu geben, und da dies doch einen Grund haben mußte, glaubte ich annehmen zu dürfen, daß es kein für ihre Beurteilung vorteilhafter sei.

      Während sie nun bewegungslos wie Tote dalagen, brach die Dunkelheit herein, und von unsern Haddedihn wurde das Moghreb gebetet, welches für kurze Zeit nach dem Untergange der Sonne vorgeschrieben ist. Als es dann vollständig Nacht geworden war, wurde das Aschiah oder Nachtgebet gesprochen.

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