Am Stillen Ozean. Karl May

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Am Stillen Ozean - Karl May

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gern, wenn es Euch Spaß macht!«

      »Spaß weniger, aber Arbeit wird es mir machen. Jedoch, ich habe mir sagen lassen, daß diese Leute nur einsilbige Wörter haben, und da denke ich, daß die Geschichte nicht gar so schwierig sein wird.«

      Diese Ansicht war allerdings belustigend, aber ich begann doch mit dem Unterrichte und muß gestehen, daß er reißende Fortschritte machte im – Vergessen. Drei Worte, welche er mir heute fünfzigmal hersagen mußte, hatte er bereits morgen schon wieder vergessen oder gebrauchte sie in einer Weise, welche mir die Lachthränen in die Augen trieb, und als wir Canton erreichten, war er imstande, eine englischchinesische Rede zu halten, von der kein Mensch ein Wort verstehen konnte, weil sie aus Redeteilen bestand, welche er für den Augenblick extemporierte.

      Die Granitfelsen der Insel, auf welchen Hong-kong erbaut ist, stiegen vor uns empor; die uns begegnenden Fahrzeuge waren immer zahlreicher geworden, und als wir die Landspitze douplierten, hinter welcher Victoria liegt, wie die Engländer die Stadt benannt haben, sahen wir im wahrsten Sinne des Wortes Tausende von Dschunken um uns her, teils mit Fischerei und teils mit Transport und Küstenhandel beschäftigt. ich stand mit dem Kapitän auf dem Hinterdeck. Er beobachtete mit großem Interesse das uns umflutende Treiben und meinte:

      »Wißt Ihr, Charley, daß ich einen sehr außerordentlichen Entschluß gefaßt habe!«

      »Welchen?«

      »Ich habe Euch bisher nicht begreifen können, daß Ihr in der Welt herumstöbert, bloß um Land und Leute kennen zu lernen; jetzt aber ist mir die Sache einleuchtender geworden. Ich hänge von keinem Menschen ab, muß mein Schiff hier wieder seetüchtig machen, woraus ein längerer Aufenthalt entsteht, und da ich mir unter Eurer vortrefflichen Leitung eine so ganz unerwartete Fertigkeit im Chinesischen angeeignet habe, so bin ich entschlossen, mich Euch hier anzuschließen, um auch einmal in Eurer Weise »Land und Leute kennen zu lernen«. Ihr nehmt mich doch mit, Charley?«

      »Mit Vergnügen, denn ich hoffe, daß Ihr mit Eurem Sprachschatze auskommen werdet!«

      »Habt keine Sorge, alter Junge! Das Chinesische ist tausendmal leichter, als man glauben sollte. Kan-tong, Nanking, Hon-kong, Pe-king, Gin-seng; habt Ihr aufgepaßt? Alles lautet auf ong, ing, eng, ung und so weiter; das ist doch kinderleicht.«

      »Schön! Wie würdet Ihr also zum Beispiel einen Chinesen grüßen?«

      »Wollt ihr mich etwa verblüffen? Im Englischen grüße ich »good day«, im Chinesischen also »goodeng daying«. Wer das nicht versteht, ist so dumm, daß ihm kein Doktor helfen kann. Nun, Charley, wollt Ihr mich noch weiter examinieren?«

      »Nein, ich habe zur Genüge!« lachte ich. »Laßt Euch ganz aufrichtig sagen, daß ich noch niemals einen so geistesgegenwärtigen Schüler gehabt habe!«

      »Ist das ein Wunder? Geistesgegenwart ist ja die erste Erfordernis bei einem tüchtigen Seemanne, und Master Frick Turnerstick ist nicht ein Kapitän, der sich unter die schlechten rechnen läßt. Aber jetzt müßt Ihr mich entschuldigen; ich habe keinen Lootsen und muß mich deshalb selbst um das Einlaufen bekümmern.«

      Wir gingen in Parade vor Anker, und die üblichen Salutschüsse wurden gewechselt. Kong-ni stand dabei neben mir.

      So bekannt er mir geworden war, in einer Beziehung war er mir doch ein Rätsel geblieben: ich hatte nie erfahren können, welchem Gewerbe oder Berufe er angehöre und in welchen familiären Verhältnissen er sich befinde. Zwar hätte ich sehr leicht eine direkte Frage aussprechen können, da er aber meine Andeutungen nicht verstehen wollte, so hatte ich dies unterlassen.

      Der junge Mann hatte nicht jenes nichtssagende und nur schlau blickende Gesicht, welches bei den Chinesen stereotyp zu sein scheint; er besaß vielmehr recht intelligente Züge, und die eingehenden Unterhaltungen, welche wir gepflogen hatten, waren mir oft Beweisführer geworden, daß er eine unter seinen Landsleuten nicht gewöhnliche Bildung besaß.

      »Wie lange wirst du in Hong-kong bleiben?« fragte er mich.

      »Das ist noch unbestimmt.«

      »Willst du bloß nach Kuang-tscheu-fu gehen?«

      »Nein. Ich werde weiter gehen.«

      »Das werden dir die Kuang-fu[39] nicht erlauben.«

      »So werde ich selbst es mir erlauben.«

      »Ich habe dich »Kuang-si-ta-sse« genannt und weiß, daß du klug und mutig bist; aber du wirst dennoch nicht weiter als bis Kuang-tscheu-fu kommen. Ihr nennt diese Stadt Canton und dürft sie besuchen; aber wer von euch hat sie schon einmal richtig gesehen? Es ist euch nur erlaubt, die Straßen zu betreten, die nicht zur chinesischen Stadt gehören. Wie willst du noch weiter kommen, wenn du kein Chinese bist?«

      »So werde ich einer!«

      »Das ist schwer. Du hast mir das Leben gerettet, und ich möchte dir gern dankbar sein. Erlaube mir, dir einen Rat zu geben!«

      »Spricht!«

      »Willst du der Sohn eines Fu-yuen[40] werden?«

      Ich erstaunte bei dieser Frage, welche grad ebenso klang, als wenn mir daheim ein einfacher Bürger angeboten hätte, der Adoptivsohn des Königs von Bayern oder Sachsen zu werden. Kong-ni konnte nicht wagen, einen Scherz mit mir zu treiben, und ich besaß ja kaum irgendwo eine nähere Kenntnis des rätselhaften Landes, welches zu betreten ich im Begriffe stand. Deshalb fragte ich einfach:

      »Ist das möglich?«

      »Ich mache es möglich, dir zuliebe.«

      Diese Antwort wurde in einem Tone gegeben, der wie die vollständige Ueberzeugung klang. Ein Fu-yuen ist der erste Beamte des Tsung-tu, den wir in Europa Vizekönig zu nennen pflegen, und hat die ganze Civilverwaltung einer Provinz in der Hand. Wer war dieser Kong-ni, daß er mir einen solchen Vorschlag machen konnte? Ich hatte hier mit unbekannten Verhältnissen zu rechnen und mußte mich also so passiv wie möglich verhalten.

      »Ich habe bereits einen Vater,« antwortete ich.

      »Dein Vater ist nicht hier. Du bist kein Diener des Fo und auch nicht des Buddha, sondern ein Tien-tschu-kiao[41]. Verbietet dir dein Glaube, hier einen zweiten Vater zu haben, so lange du in Tai-tsing-kun[42] bist?«

      »Nein.«

      »So thue, was ich dir vorschlage, denn dann wirst du ein Tschin-dse[43] und kannst gehen und reisen, wohin es dir gefällt!«

      Das Anerbieten, welches er mir machte, konnte nicht vorteilhafter sein. Wie mancher, der sein Leben an die Erforschung Chinas gewagt hatte, wäre glücklich gewesen, einen solchen Vorschlag hören zu dürfen; aber er war mir unbegreiflich, ich möchte sogar sagen, ungeheuerlich, so daß ich beinahe Lust hatte, ihn zurückzuweisen. Dennoch meinte ich nach einigem Ueberlegen:

      »Wird ein Diener des Fo oder Buddha einen Kiao-yu[44] zum Sohne nehmen?«

      »Ja. Warum sollte er nicht können oder nicht wollen? Euer Gott sagt: »ich bin nur der Eurige,« unser Tien-wen[45] aber lehrt uns, daß es einen Vater giebt, und wir alle sind seine Kinder. Es giebt drei große Religionen: die

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<p>39</p>

Kuang-fu sind diejenigen Beamten, welche wir gewöhnlich Mandarine nennen. Diese letztere Wort kennen die Chinesen gar nicht; es wird nur von den Europäern gebraucht und darf vielleicht von dem portugiesischen mandar, d. i. befehlen, hergeleitet werden.

<p>40</p>

Unterstatthalter.

<p>41</p>

Wörtlich: »Religion des Himmelsherrn«; so wird von den Chinesen die christliche Religion und so wird von ihnen auch jeder einzelne Christ genannt.

<p>42</p>

Wörtlich: »Reich der sehr reinen Herrscherfamilie« – China.

<p>43</p>

Chinese.

<p>44</p>

Wörtlich: »Freund der Religion«; so nennen die chinesischen Christen sich selbst.

<p>45</p>

»Himmlische Litteratur.«