Ardistan und Dschirnistan I. Karl May

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Ardistan und Dschirnistan I - Karl May

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Du mich etwa für so dumm, daß ich das nicht weiß?«

      »Oder Du mich für so dumm, daß ich es nicht ausführe? Du hast über mich gelacht. Du hast es für unmöglich gehalten, daß ich Dich in meine Gewalt bringe. Ich muß Dir also beweisen, daß ich es kann. Daraus folgt, daß ich Dich in das Gefängnis zu schaffen habe.«

      »Wo gibt es denn eins?«

      »Hier ganz in der Nähe.«

      »Du irrst. Das einzige Gefängnis, welches in dieser Gegend vorhanden ist, das gibt es in meinem Schlosse?«

      »Wie?« fragte ich. »Du hast ein Schloß?«

      »Ja. Ein großes, herrliches Schloß. Und rund um wohnt die Menge meiner Leute. Dieses Schloß kannst Du doch wohl nicht meinen?«

      »Nein.«

      »Ein anderes Gefängnis aber gibt es doch nicht!«

      »Du irrst.«

      »So sag nur, wo?«

      »Ganz in der Nähe hier.«

      Er lachte und rief aus:

      »Du kennst als Fremder Orte, die ich als der Besitzer dieses Landes niemals sah! Und nach diesem Gefängnisse, welches ich nicht kenne, willst Du mich bringen, um Deinen Sieg zu vollenden?«

      »Ja.«

      »Wie willst Du das anfangen? Ich bin ja gefesselt!«

      »Ich lasse Dich als Sänfte von meinen Pferden tragen. Oder ich binde Dich an den Schwanz Deines Smihk und lasse Dich durch ihn an Ort und Stelle schleppen.«

      »Das muß ich mir verbitten! Ich bin weder eine Sänfte, die getragen, noch ein Holzbündel, welches geschleppt werden muß. Ich werde reiten!«

      »Und mir entfliehen? Nein! Darauf gehe ich nicht ein!«

      »So werde ich gehen!«

      »Auch das nicht.«

      »Warum nicht?«

      »Weil ich Dich da losbinden müßte.«

      Das leuchtete ihm ein. Er war fast ebenso ein Urgeschöpf wie sein famoser >Dicker<. Er sann einige Zeit sehr beträchtlich nach und sagte dann:

      »Du hast recht! In das Gefängnis muß ich, falls Du Wort halten willst. Wenn Du mich aber ganz losbindest, werde ich Dir unbedingt entfliehen. Da gibt es nur ein Mittelding, auf welches wir uns einigen können. Du gibst mir nämlich nur die Füße frei, die Arme aber nicht.«

      »Gut! Einverstanden!« stimmte ich bei. »Dafür aber darfst Du Dich nicht dagegen wehren, daß ich Dich, sobald wir das Gefängnis erreichen, in festen Gewahrsam nehme!«

      »Das verspreche ich Dir sehr gern,« lachte er. »Dieses Gefängnis existiert ja nur in Deiner Einbildung. Wieviel hat es Löcher?«

      »Keins. Es ist so gebaut, daß die Gefangenen nicht hineingeschafft, sondern nur außerhalb, also im Freien, untergebracht werden können.«

      »Im Freien? Bist Du verrückt? Und das nennst Du ein Gefängnis? Höre, daß ich Dich getroffen habe, das beginnt, mir großen Spaß zu machen. Es wollte mir erst so gar nicht passen, daß ich gefesselt und gefangen bin; in der Weise aber, wie Du es treibst, fängt es an, mir zu gefallen. Gib mir die Füße frei! Dann gehen wir.«

      »Das heißt: Du gehst, ich aber reite!«

      »Ich habe nichts dagegen!«

      Er nahm an, daß ich mich auf eines meiner Pferde setzen werde. Ich führte sie aber zur Seite, pflockte sie an und gebot ihnen, sich zu legen. Sie gehorchten sofort, und ich wußte, daß sie hier bleiben und erst bei meiner Wiederkehr aufstehen würden. Als der Scheik das sah, fragte er verwundert:

      »Du lässest sie hier? Ich denke, Du willst reiten?«

      »Allerdings, aber nicht auf einem von diesen beiden Pferden.«

      »So wohl gar auf meinem Smihk?«

      »Allerdings.«

      Da schlug er ein schmetterndes Gelächter auf und rief dabei:

      »Auf meinem Smihk will er reiten! Er, der Knirps! Auf meinem Smihk, der nicht einmal mir gehorcht! Eine solche Verrücktheit ist ganz unerhört! Das Pferd schmeißt ihn doch gleich beim ersten Schritt, den es tut, herunter!«

      »Wollen sehen!«

      Bei diesen Worten trat ich nahe zum Gaul heran. Ich warf ihm die beiden herabhängenden Enden des Zügelstrickes nach oben, griff in den Kamm und schwang mich hinauf. Es ging vor Überraschung mit den beiden Vorderbeinen in die Höhe, stand dann aber ganz still und legte die Ohren derart nach hinten, als ob es mich mit ihnen besichtigen wolle. Auf diese kurze, schnelle und wenig umständliche Art war ihm noch niemand auf den Rücken gekommen.

      »Paß auf! Jetzt fliegt Du wieder herab!« warnte mich der Scheik.

      Es fiel aber dem >Dicken< gar nicht ein, sich gegen mich zu sträuben. Als er fühlte, daß ich die beiden Strickenden in die Hände nahm, warf er den Kopf in die Höhe und ließ ein so außerordentliches Triumphgeheul hören, als ob er im Begriffe stehe, vor Wonne zu platzen. Ich gab ihm beiderseitigen Schenkeldruck; er ging. Ich zog rechts, und ich zog links; er gehorchte augenblicklich. Er trabte und galoppierte, je nachdem ich den Schenkeldruck verstärkte. Und er blieb sofort stehen, als ich beide Zügel zugleich spannte. Dann stieg ich wieder ab. Da drehte er den Kopf zu mir herum und ließ ein behaglich brummendes Schnauben hören, welches sehr deutlich sagte: »Das war mir eine Freude! Ich danke Dir! Steig nur bald wieder auf!« Der Scheik gestand aufrichtig ein:

      »Ich weiß nicht, was ich sagen soll! So etwas hat er noch nie getan, noch nie! Wie mag das wohl kommen?«

      »Davon später. Jetzt haben wir keine Zeit, uns mit den Gedanken und Gefühlen der Tiere zu beschäftigen.«

      »Gedanken und Gefühle?« fragte er. »Meinst Du, die haben sie auch?«

      »Natürlich!«

      »Aber die gehen uns doch nichts an! So ein Vieh hat zu gehorchen, weiter nichts!«

      »Du irrst. Doch wiederhole ich, hiervon später! Jetzt habe ich Dich nach dem Gefängnisse zubringen.«

      »Ja nach dem Gefängnisse, welches keine Gefängnisse hat!« lachte er. »Da hast Du mich aber von den Stangen loszubinden!«

      »Das nicht,« erwiderte ich.

      »Warum nicht? Da kann ich doch den Körper nicht bewegen!«

      »Das sollst Du auch nicht. Zum Gehen brauchst Du nur die Beine. Es genügt also, wenn ich nur sie freigebe. Halt still!«

      Ich entfernte den Riemen von den Füßen an bis herauf zu den Hüften, schob ihm die Stangen höher an den Leib hinauf, daß sie unten nicht zu lang waren, und stand ihm dann bei, sich von der Erde aufzurichten. Er nahm diese seine Hilflosigkeit mit außerordentlich guter Miene hin. Die Situation machte ihm sichtlichen Spaß. Das war eine Naivität, die nur im Lande der Ussul möglich sein konnte. Er hatte in seiner Einfalt eben nicht den allergeringsten Zweifel daran, daß er mein Herr und Gebieter sei und daß ich es

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