Der Schut. Karl May

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Der Schut - Karl May

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Daß sie grad wie ich dachten, sah ich ihnen deutlich an.

      »Was für Fleisch meinst du?« erkundigte ich mich.

      »Pferdefleisch.«

      »Woher habt ihr das?«

      »Von unserem eigenen Pferd,« antwortete sie, indem sie mit beiden Händen nach den Augen griff.

      »Habt ihr es geschlachtet?«

      »Nein; es ist uns zerrissen worden.«

      »Ah! Von wem?«

      »Mein Mann sagt, daß es ein Bär gewesen sein müsse.«

      »Und wann hat er das Pferd getötet?«

      »In letzter Nacht.«

      »Allah 'l Allah!« rief Halef. »So frißt dieser Bär also nicht nur Himbeeren! Habt ihr ihn getötet?«

      »Wie kannst du so fragen! Um einen Bären zu erlegen, müssen sehr viele Männer beisammen sein.«

      »Willst du mir sagen, wie es zugegangen ist,« forderte ich sie auf.

      »Das wissen wir freilich selbst nicht genau. Wir bedürfen des Pferdes zu unserm Handel. Es muß uns den Kohlenwagen ziehen und . — «

      »Ich habe doch keinen Wagen stehen sehen!«

      »Wir können ihn gar nicht hier haben, denn es gibt keinen Weg, auf welchem wir ihn zu dem Hause bringen könnten. Er steht also stets bei dem Köhler. Das Pferd aber befindet sich hier, wenn wir daheim sind. Es bleibt des Nachts im Freien, um das Gras abweiden zu können. Heute früh nun, als wir aufstanden, sahen wir es nicht, und als wir es suchten, fanden wir seine Leiche drüben bei den Felsen liegen. Es war zerrissen worden, und als mein Mann die Spuren sah, sagte er, ein Bär sei es gewesen.«

      »Wo befindet sich jetzt das übrig gebliebene Fleisch?«

      »Draußen im Schuppen.«

      »Zeige es mir.«

      »Herr, das darf ich nicht,« sagte sie erschrocken. »Mein Mann hat mir verboten, fremde Leute da hinein zu lassen.«

      »Welchen Grund hat er dazu?«

      »Das weiß ich nicht.«

      »Wo ist er denn jetzt?«

      »Er wollte nach dem Lager des Bären suchen.«

      »Das ist aber höchst gefährlich! Ist denn dein Mann so ein mutiger Jäger?«

      »Ja, das ist er.«

      »Wann kommt er zurück?«

      »Wohl bald.«

      »So! Sind etwa heute Fremde hier bei euch gewesen?«

      »Nein. Warum fragst du nach ihnen?«

      »Weil dein Mann dir verboten hat, Fremde in den Schuppen zu lassen.«

      »Es war niemand da, kein Mensch, heute nicht und gestern nicht. Wir leben so einsam, daß nur höchst selten einmal jemand zu uns kommt.«

      In diesem Augenblick ertönte ein schriller, in die Ohren gellender Schrei. Die Frau sprach schnell weiter, um unsere Aufmerksamkeit abzulenken; ich aber sagte:

      »Horch! Wer hat da geschrieen?«

      »Ich habe nichts gehört.«

      »Aber ich hörte es sehr deutlich.«

      »So wird es ein Vogel gewesen sein.«

      »Nein, das war ein Mensch. Ist wirklich niemand bei dir?«

      »Ich bin ganz allein.«

      Dabei aber winkte sie dem Konakdschi nach der Türe. Ich sah es, drehte mich um und ging hinaus.

      »Herr!« rief sie hinter mir. »Wohin willst du gehen?«

      »In den Schuppen.«

      »Das darfst du nicht!«

      »Pah! Will doch sehen, wer geschrieen hat.«

      Da stellte sich der Konakdschi mir in den Weg und sagte:

      »Bleibe da, Effendi! Du hast ja gehört, daß kein Fremder — «

      Er sprach nicht weiter. Der Schrei war wieder erklungen und zwar noch lauter und unheimlicher als vorher.

      »Hörst du?« antwortete ich ihm. »Das klingt ganz so, als ob jemand sich in Lebensgefahr befinde. Wir müssen nachsehen.«

      »Aber du darfst doch nicht . — «

      »Schweig! Es soll mich niemand hindern, zu tun, was mir beliebt.«

      Er machte noch einen Versuch, mich zurück zu halten; die Frau tat dasselbe, aber ich ging dennoch. Meine drei Begleiter folgten mir. Hinterher kam der Konakdschi mit der Frau. Beide wisperten angelegentlich miteinander. So viel ich sehen konnte, machte er ein sehr betroffenes Gesicht.

      Ich riegelte den einen Schuppen auf: — er enthielt nichts, als allerlei Gerümpel. Als wir dann auf den andern zuschritten, ertönte wieder der Schrei und zwar aus diesem zweiten Schuppen. Das klang wirklich ganz entsetzlich. Nun öffneten wir und traten ein. Es war fast dunkel im Innern.

      »Ist jemand da?« fragte ich.

      »O Allah, Allah!« antwortete eine Stimme, welche ich gleich erkannte. »Der Scheïtan, der Scheïtan! Er kommt! — Er greift nach mir! — Er holt mich in die Hölle!«

      »Das ist ja der alte Mübarek!« raunte mir Halef zu.

      »Allerdings. Entweder sind auch die Andern in der Nähe, um uns einen Hinterhalt zu legen, oder sie haben ihren Weg zum Köhler fortgesetzt und waren gezwungen, ihn hier zurückzulassen. Er hat das Fieber.«

      »Herr, gehe nicht hinein!« sagte die Frau. »Es ist ein Kranker drin.«

      »Warum hast du mir das verschwiegen?«

      »Er soll nicht gestört werden.«

      »Was fehlt ihm denn?«

      »Er hat das Hawa ils far' (* Cholera.). Geh' ja nicht hinein! Er steckt dich sonst an, und dann bist du verloren.«

      »Die Cholera? Jetzt? Hier im tiefen Wald? Hm! Das glaube ich nicht.«

      »Es ist wahr, Herr!«

      »Wer ist er denn?«

      »Ein Bruder von mir.«

      »So! Ist er ein alter Mann?«

      »Nein, ein noch ganz junger Bursche.«

      »Weib, du lügst! Den Mann, welcher hier liegt, den kenne ich. Er mag dein Bruder sein, denn ihr beide seid Geschwister des Teufels, aber jung ist er nicht. Es ist der alte

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