Der Schut. Karl May

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Der Schut - Karl May

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aber hat jeder nur einen einzigen Wurf nach dem Ziel, welches wir uns stellen,« meinte er.

      »Das ist zu hart. Grad dieser Wurf kann durch einen Zufall mißlingen.«

      »Nun gut, also drei Würfe jeder. Wer am besten wirft, bekommt das Geld. Wir werfen nach dem nächsten Baum da vor uns. Es ist ein Dischbudak aghadschy (* Esche.). Das Beil muß in seinem Stamm stecken bleiben.«

      Wir hatten unweit eines Wasserlaufes angehalten. Es war wohl derselbe Bach, welcher hinter uns in dem Tal entsprang, nach welchem unser Abstecher gerichtet gewesen war. Am Rande des Wassers standen einzelne Bäume: Eschen, Erlen und auch alte, knorrige Weiden, aus deren Häuptern junge Ruten hervorgeschossen waren. Der uns am nächsten stehende Baum war die erwähnte Esche, welche ungefähr siebzig Schritte von uns entfernt war.

      Ich stieg ab und gab Israd den Czakan. Er nahm mit ausgespreizten Beinen festen Halt, drehte den Oberleib in den Hüften, als ob er die Zuverlässigkeit dieser Gelenke erproben wollte, wog das Beil prüfend in der Hand und holte dann zum Wurf aus. Das Beil flog sehr nahe an der Esche vorüber, ohne sie jedoch zu berühren.

      »Dieser Czakan ist schwerer als der meinige,« entschuldigte er sich, während Halef die Waffe herbeiholte. »Das zweite Mal werde ich treffen.«

      Er traf bei dem nächsten Wurf das Ziel, aber nicht mit der Schärfe des Beiles, sondern nur mit dem Stiel. Aber der dritte Probewurf gelang besser, denn die Axt traf den Stamm, leider aber nicht so, daß die Schneide in demselben stecken blieb.

      »Das tut nichts,« meinte er. »Das war ja nur zur Probe. Nachher treffe ich gewiß, denn ich kenne jetzt das Beil. Nun du, Effendi!«

      Ich nahm mir im stillen nicht die Esche zum Ziel, sondern einen weit hinter derselben stehenden alten Weidenstamm, der gänzlich ausgehöhlt war und nur einen einzigen, grad emporstehenden Ast hatte, welcher eine kleine Krone von beblätterten Zweigen trug.

      Zunächst mußte ich die Hand an das Gewicht des Czakans gewöhnen; darum geschah der Wurf ganz in derselben Weise, wie derjenige Israds gewesen war. Ich wollte die Weide nicht treffen, sondern nur Richtung nehmen. Darum flog das Beil weit links von der Esche vorüber und bohrte sich dort in den weichen Boden ein.

      »O Himmel!« lachte unser Führer. »Du willst die Wette gewinnen, Effendi?«

      »Ja,« sagte ich ernsthaft.

      Trotzdem gerieten die beiden nächsten Probewürfe scheinbar noch schlechter, als der erste. Aber ich ließ mich mit Vergnügen von Israd auslachen, denn ich war überzeugt, daß ich, wenn es nun galt, das Ziel nicht fehlen würde.

      Halef, Omar und Osko lachten nicht — sie ärgerten sich im Stillen darüber, daß ich auf die Wette eingegangen war, ohne gewiß zu sein, sie gewinnen zu müssen.

      »Die Probe ist vorüber,« sagte Israd. »Nun wird es ernst. Wer wirft zuerst?«

      »Du, natürlich.«

      »So wollen wir vorher das Geld zahlen, damit dann kein Irrtum vorkommt. Osko mag es in seine Hand nehmen.«

      Der gute Mann hatte mich also im Verdacht, daß ich mich weigern würde, die hundert Piaster zu zahlen. Er war ja vollständig überzeugt, die Wette zu gewinnen. Ich gab Osko das Geld. Mein Gegner zahlte seine wenige Piaster und griff dann nach dem Beil.

      Seine Fertigkeit war wirklich nicht unbedeutend. Er traf alle drei Male den Stamm, aber nur beim letzten Mal blieb die Axt in demselben stecken.

      »Keinmal gefehlt,« jubelte er. »Und einmal saß der Czakan sogar fest. Mache es mir nach, Effendi!«

      Jetzt mußte ich nach indianischer Art und Weise werfen, wenn ich treffen sollte. Ich holte aus, wirbelte den Czakan um den Kopf und erteilte ihm jene rotierende Bewegung, welche beim Billardspiel als »Effekt« bezeichnet wird. Das Beil sauste, sich um sich selbst drehend, am Boden hin, stieg empor, senkte sich dann plötzlich wieder nieder und fuhr in den Stamm der Esche, in welchem es sitzen blieb.

      Meine Gefährten jubelten laut auf. Israd aber sagte, indem er mit dem Kopf schüttelte:

      »Welch ein Zufall, Effendi! Es ist kaum zu glauben.«

      »Zufall? Da irrst du dich außerordentlich,« antwortete ich.

      Halef holte das Beil zurück, und ich schleuderte es noch zweimal in die Esche. Die Gefährten jubelten; Israd aber wollte noch immer nicht daran glauben, daß ich diesen Erfolg nicht dem bloßen Zufall zu verdanken habe.

      »Wenn du noch nicht überzeugt bist,« sagte ich, »so will ich dir jetzt einen vollgültigen Beweis geben. Sieh die alte ausgehöhlte Weide dort hinter der Esche!«

      »Ich sehe sie. Was ist's mit ihr?«

      »Ich werde nach ihr werfen.«

      »Herr, sie ist weit über hundert Schritte entfernt. Du willst sie wirklich treffen?«

      »Nicht nur das, sondern ich will den einen Ast treffen, welchen sie hat, und zwar so, daß er höchstens eine Handbreit über dem Stamm von dem Czakan abgeschnitten wird.«

      »Herr, das wäre ein Wunder!«

      »Nach den bisherigen sechs Würfen ist mir die Waffe so handgerecht, daß ich gar nicht fehlen kann. Ich werde nun erst jetzt dem Czakan die richtige Doppeldrehung geben, und du wirst sehen, daß er, sobald er am Boden aufgestiegen ist, ganz plötzlich, wie mit einem Ruck, eine dreifache Schnelligkeit erhält. Paß einmal auf!«

      Der Wurf gelang in der vorausgesagten Weise. Das Beil wirbelte an der Erde hin, stieg langsam empor und flog dann mit plötzlich vermehrter Schnelligkeit wieder abwärts und auf die Weide zu. Im nächsten Augenblick lag der erwähnte Ast am Boden.

      »Geh hin und sieh nach!« sagte ich. »Er wird genau eine Handbreit vom Stamm abgeschnitten sein, und zwar scharf, wie mit dem Messer, denn die Schneide des Beiles hat ihn getroffen.«

      Israd machte ein so verblüfftes Gesicht, daß ich hellauf lachen mußte.

      »Habe ich es nicht gesagt?« rief Halef. »Was der Effendi will, das kann er. Osko, gib ihm das Geld! Es sind die Piaster des Triumphes, welche er einstecken mag.«

      Natürlich nahm ich nur meinen Einsatz wieder, und Israd erhielt sein Geld zurück. Er konnte sich nur schwer beruhigen und erging sich, als wir bereits längst wieder unterwegs waren, in den verschiedensten Ausrufen der Verwunderung.

      Mir aber war es lieb, gesehen zu haben, daß ich mich auf meine Hand verlassen könne.

      Nach dieser kurzen Unterbrechung unseres Rittes erlitt derselbe keine weitere Störung. Es wurde Nacht, und Israd erklärte, daß wir in ungefähr einer Stunde in Treska-Konak ankommen würden.

      Wir kamen wieder durch Wald, welcher glücklicherweise nicht dicht war, und dann senkte sich die Höhe. Es gab Weideland, und dann hörten wir Hunde bellen.

      »Das sind die Samsunlar (* Schäferhunde.) meines Verwandten,« erklärte Israd. »Grad vor uns liegt der Konak am Fluß und links das Haus meines Schwähers. Wir wollen aber einen Bogen schlagen. Es könnte ein Knecht des Konakdschi im Freien sein und uns bemerken.«

      Wir wichen nach links ab, bis wir den Fluß erreichten, und ritten nun am Ufer hin bis an das Wohnhaus des Schäfers.

      Das

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