Im Lande des Mahdi I. Karl May

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Im Lande des Mahdi I - Karl May

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wir einen Menschen schleichen, den ich sehr wohl kenne. Er schien hören zu wollen, was bei euch gesprochen wurde. Es war ein Muza‘bir.«

      »Der war an Bord, um mich zu bestehlen; es ist ihm aber nicht gelungen.«

      »Danke Allah, daß es so gekommen ist! Es hätte leicht schlimmer, viel schlimmer werden können.«

      »Habt ihr Zeit?«

      »Ja.«

      »Ich bitte euch, einen Augenblick an Bord zu kommen!«

      Ich gab dem Landungsbrette einen Schwung, daß es drüben aufzuliegen kam, fühlte mich aber hinten gepackt und zurückgezogen. Der Reïs war es. Er raunte mir, als ob es am Ufer nicht gehört werden solle, in unterdrücktem Tone zu:

      »Was fällt dir ein! Wer hat hier Leute einzuladen, du oder ich?«

      »Wir beide.«

      »Nein, nur ich. Und gerade diesen Menschen, den ich an der Stimme erkenne – — —«

      Er hielt inne und wagte nicht, weiter zu sprechen, denn das Brett hatte feste Lage erhalten und die drei kamen nun eben an Bord. Als der Steuermann sie erblickte, sah ich, daß er schleunigst in einer Luke verschwand; der famose Kajütendiener folgte ihm ebenso schnell. Dem Reïs wäre es vielleicht auch lieber gewesen, wenn er sich in der Ferne befunden hätte; jedenfalls kamen ihm diese Leute höchst ungelegen; aber er konnte weder verschwinden noch sie fortweisen, und so blieb er stehen, legte beide Hände auf der Brust übereinander, berührte mit der Rechten Stirn, Mund und Herz und verneigte sich fast so tief, wie ich es von dem Haushofmeister meines Türken gesehen hatte. Aus dieser Begrüßung war mit Sicherheit zu schließen, daß die drei Ankömmlinge, wenigstens der vorderste von ihnen, keine gewöhnlichen Leute waren.

      Dieser war ein Mann in den besten Jahren, kräftig gebaut und, so viel ich sehen konnte, fein gekleidet. Er trug weite, weiße Hosen mit dunklen Halbstiefeln und eine goldverbrämte blaue Jacke, um die Hüften einen rotseidenen Shawl, an welchem ein krummer Säbel hing, während die mit Gold und Elfenbein ausgelegten Griffe zweier Pistolen vorn hervorblickten. Darüber hing ein weißseidener Mantel. Der Turban auf seinem Haupte war von demselben Stoffe und derselben Farbe. Sein Gesicht, dessen dunkle Augen mit forschendem Wohlwollen auf mir ruhten, wurde von einem schwarzen Vollbarte eingerahmt, wie ich gleich schön noch selten einen gesehen hatte. Ohne auf den Reïs einen Blick zu werfen, grüßte er mich:

      »Allah schenke dir einen glücklichen Abend!«

      »Heil sei dir!« antwortete ich ebenso kurz wie höflich.

      Seine Begleiter verneigten sich stumm gegen mich, was mich veranlaßte, ihnen eine ebensolche Verbeugung zu machen. Jetzt wendete er sich zu dem Reïs und fragte in strengem Tone:

      »Du kennst mich?«

      »Das Glück, dein Angesicht zu sehen, ist mir wiederholt zu teil geworden,« antwortete der Gefragte in orientalischer Weise.

      »Es ist kein Glück für dich gewesen. Waren nicht noch zwei Männer hier?«

      »Mein Steuermann und der Fremdendiener.«

      »Weiter niemand?«

      »Nein, Sijadetak; meine Matrosen sind nach dem Kaffeehause gegangen.«

      »Nun, warum sind die beiden verschwunden? Wo sind sie hin? Etwa hinunter in den Raum zu den Ratten?«

      Der Reïs wagte nicht, zu antworten; er ließ den Kopf sinken.

      »Also doch! Ich weiß gar wohl, was sie wollen. Rufe sie sofort, wenn du nicht die Kurbatsche haben willst!«

      Er deutete bei diesen Worten auf den einen seiner Begleiter, an dessen Gürtel eine sehr verheißungsvolle Peitsche hing. Der Mann verstand es, gebietend aufzutreten! Der Reïs hatte ihn Sijadetak genannt, ein Wort, welches »Deine Herrlichkeit« bedeutet und in dieser Form nur Respektspersonen gegenüber angewendet wird. Der Alte eilte zur Luke und rief hinab. Nach einiger Zeit erschienen die Verschwundenen und ließen sich in gedrückter Haltung und wohl ebenso gedrückter Stimmung am Maste nieder. Unterdessen hatte der Fremde mir gewinkt, ihm zu folgen. Er stieg hinauf zum Steuer, wo ein Teppich lag, winkte gegen denselben und sagte:

      »Setze dich zu mir, denn mir ahnt, daß wir eine Beratung halten werden müssen! Und nimm eine europäische Cigarre von mir an!«

      Ich mußte mich an seine rechte Seite setzen, während sein erster Begleiter an seiner Linken Platz nahm. Derselbe war ähnlich, nur aus einfacherem Stoffe gekleidet und trug auch einen Degen. Der Träger der Peitsche blieb seitwärts stehen. Auf einen Wink des Herrn zog er ein Etui aus dem Gürtel und reichte es ihm, nachdem er es geöffnet hatte. Der Gebieter zog zwei Cigarren heraus und reichte mir eine, um die andere für sich zu behalten. Der erste Begleiter bekam keine, und der zweite mußte Feuer geben. Ich kann sagen, daß es ungefähr eine Hundertmarkcigarre, also das Stück zu zehn Pfennigen war. Wie viel aber mochte dieser Ägypter dafür bezahlt haben! Da er mein Gesicht beobachtete, so gab ich demselben den befriedigtsten Ausdruck und ließ mit möglichster Behaglichkeit den Rauch sich mit dem Qualme der Pechpfanne, welche in unserer Nähe stand, vereinigen. Das schien ihn zu erfreuen, denn er fragte im Tone eines Knaben, der einem andern ein Stück Lakritzen oder eine Zuckermandel geschenkt hat.

      »Nicht wahr, sie schmeckt?«

      »Ausgezeichnet!« erklärte ich.

      »Man sagt, der Kuran verbiete die Cigarren. Was sagst du dazu?«

      »Er kann sie nicht verboten haben, weil es zur Zeit des Kuran noch keine gegeben hat.«

      Er sah mir wunderlich betroffen in das Gesicht und meinte dann:

      »Allah! Das ist ja ganz richtig! Nun soll mir wieder einmal einer kommen! Aber der Tabak ist verboten, wie einige Ausleger des Kuran sagen?«

      Da er sich in dieser Weise gab, so antwortete ich ganz gemütlich:

      »Laß dir nichts weiß machen! Als man drüben in Amerika die Menschen zum erstenmale rauchen sah, waren seit der Hedschra achthundertsiebzig Jahre vergangen.«

      »Was du sagst! Du weißt das so genau aufs Jahr! Auch die Hedschra kennst du? Ja, ihr Deutschen wißt alles. Ich habe Deutsche gesehen und gesprochen, welche den Kuran und alle Erklärungen besser, viel besser kannten, als ich selbst. Allah ist groß, und ihr Deutschen seid klug. Hast du den Kaiser von Deutschland gesehen?«

      »Oft.«

      »Und seinen großen Wessir?«

      »Bismarck? Auch.«

      »Vielleicht auch seinen berühmten Obergeneral, welcher alle Schlachten gewinnt?«

      »Mit diesem habe ich an einem Tische gespeist.«

      »Allah! Welch ein glücklich Mensch bist du! So bist du wohl auch ein deutscher Offizier?«

      »Nein. Ich schlage keine Schlachten, sondern ich verbrauche möglichst viel Tinte und verderbe jährlich einige hundert Stahlfedern.«

      »Ich errate! Du bist ein Gelehrter, vielleicht gar ein Musannif [Schriftsteller], welcher sich hier befindet, um über uns ein Buch zu schreiben?«

      »Erraten!« nickte ich.

      »Das ist schön! Das ist gut! Das freut mich ungemein! Ich habe auch ein Buch schreiben wollen.«

      »Worüber?«

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