Im Lande des Mahdi I. Karl May

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Im Lande des Mahdi I - Karl May

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beruht das auf einem Irrtume. Sie haben irgend etwas ganz Natürliches, vielleicht einen Schatten, für ein Gespenst gehalten.«

      »O nein. Ein Schatten ist dunkel. Das Gespenst aber ist hell.«

      »Wie ist es gestaltet?«

      »Es nimmt alle möglichen Gestalten an, bald die eines Menschen, dann die eines Hundes, eines Kameles, eines Esels —«

      »Dann trifft es,« fiel ich ein, »seine Auswahl auf keine geistreiche Weise. ich möchte nicht für ein Kamel oder einen Esel gehalten werden.«

      »Scherzen Sie nicht, Effendi! Ich spreche in vollstem Ernste. Eigentlich ist es mir nicht leicht geworden, Ihnen diese Mitteilung zu machen, denn ich befürchtete, daß Sie dann auf diese Wohnung verzichten würden.«

      »Das haben Sie ganz und gar nicht zu befürchten; im Gegenteile wird gerade Ihre Mitteilung mich bestimmen, das Logis von Ihnen anzunehmen. Ich habe so oft von Gespenstern gehört, aber leider noch kein einziges zu sehen bekommen. Da sich jetzt mir die Gelegenheit dazu bietet, werde ich sie mit Freuden benutzen. Ich bleibe also nun erst recht hier in diesem Hause.«

      »Effendi, Sie lästern die Geisterwelt!«

      »Fällt mir gar nicht ein! Ich bin nur wißbegierig und hoffe, von dem Gespenst gute Auskunft über die Geisterwelt zu erhalten, glaube aber leider nicht, daß es derselben angehört.«

      »Es gehört ihr an, denn es kommt und verschwindet ganz nach Belieben.«

      »Treibt es etwa Allotria? Oder verhält es sich wie eine ruhige Person in gesetztem Alter?«

      »Sie spotten immer, werden aber anders denken lernen. Das Gespenst geht durch alle Thüren.«

      »Sind sie verschlossen?«

      »Nein.«

      »Nun, das kann ich auch, ohne ein Gespenst zu sein.«

      »Es klirrt wie mit Ketten; es heult, saust und braust wie ein Sturm; es bellt wie ein Hund, wie ein Schakal; es schreit wie ein Esel, wie ein Kamel.«

      »Das alles kann ich auch nachmachen.«

      »Auch das plötzliche Verschwinden?«

      »Ganz gewiß, nachdem ich beobachtet habe, wie das Gespenst selbst es anstellt, um nicht mehr gesehen zu werden. Also Sie haben es gesehen und gehört?«

      »Ja.«

      »Wer noch?«

      »Alle, alle; meine Schwester, ihre Dienerinnen, der Haushofmeister, meine beiden Neger. Es ist in ihre Stube gekommen und hat an ihrem Bett gestanden, auch an dem meinigen.«

      »Auch an demjenigen Ihrer Schwester?«

      »Nein, denn diese hat durch ihre Dienerinnen die Thüren des Harems verbarrikadieren lassen.«

      »So haben wir es also mit einem Gespenst zu thun, welches nicht durch verrammelte, sondern nur durch offene Thüren gehen kann. Das bringe ich auch fertig.«

      »O bitte, unsere Thüren sind zwar nicht verschlossen, aber doch verriegelt. Es giebt in diesem Hause keine Schlösser, sondern nur Riegel.«

      »Hm! Hat das Gespenst eine gewisse Stunde, in welcher es erscheint?«

      »Allerdings. Sie wissen vielleicht, daß die Geisterstunde um Mitternacht beginnt.«

      »Kommt es täglich?«

      »Ja, und es bleibt eine volle Stunde hier.«

      »Das will ich ihm nicht verdenken, denn wenn den Gespenstern eine volle Stunde gegeben ist, so läßt es sich denken, daß ein richtiges Gespenst sein Recht ausnutzt. Hat jemand mit ihm gesprochen und was hat das Gespenst geantwortet?«

      »Nichts.«

      »Dieses Gespenst ist also kein gesprächiges, sondern ein stillvergnügtes Wesen. Das erwirbt ihm meine Achtung, da ich Schwatzhaftigkeit nicht liebe. Seit wann hat es sich denn an dieses Haus gewöhnt?«

      »Seit langer Zeit, Es ist schon vor uns jedem Bewohner dieses Gebäudes erschienen.«

      »Auch dem Besitzer desselben?«

      »Nein, denn das Gespenst ist eben der Geist des letzten Besitzers.«

      »Ah! Hat es das durch irgend eine gültige Legitimation bewiesen?«

      »Bitte, Effendi, lassen Sie den Scherz! Es ist genau so, wie ich sage. Seit dem Tode des Besitzers, welcher im Heere des Vizekönigs Major gewesen ist, hat es keinen Bewohner dieses Hauses gegeben, welcher länger als eine Woche hier geblieben ist. Das Gespenst hat sie alle vertrieben.«

      »Und wie lange wohnen Sie schon hier?«

      »Eine Woche. Und ich will Ihnen aufrichtig gestehen, daß ich in einigen Tagen ausziehen würde, wenn ich Sie nicht gefunden hätte, denn ich denke, daß Sie das Gespenst vertreiben werden!«

      »Das ist ein sehr offenherziges Geständnis, und ich bin Ihnen sehr dankbar für dasselbe. Meine Dankbarkeit werde ich Ihnen dadurch beweisen, daß ich Ihren Erwartungen entspreche. Ich hoffe, ein so eindringliches Wort mit diesem Geiste sprechen zu können, daß er nicht wiederkommen wird.«

      »Allah, Wallah, Tallah!« rief er erschrocken aus. »Nehmen Sie sich das nicht vor! Er wird fortbleiben, ohne daß Sie mit ihm sprechen.«

      »Meinen Sie?«

      »Ja. Ihre einfache Anwesenheit wird ihn bestimmen, nicht wiederzukommen.«

      »Sie meinen, daß er sich so sehr vor mir fürchte?«

      »Das nicht, aber – — Effendi, werden Sie es mir übelnehmen, wenn ich aufrichtig spreche?«

      »Nein. Reden Sie getrost.«

      »Sie haben dort aus den Büchern ersehen, daß der Major in der letzten Zeit seines Lebens ein sehr frommer Mann gewesen ist, und daraus ist mit Sicherheit zu schließen, daß auch sein Geist fromm ist. Ein rechtgläubiges Gespenst aber, das Allah und den Propheten fürchtet, wird sicher ein Haus meiden, in welchem ein Christ, ein Ungläubiger, wohnt.«

      »Ah,« lachte ich, »was Sie für ein Schlaukopf sind! Also darum haben Sie mir die Freiwohnung angeboten?«

      »Nicht darum allein, sondern auch weil ich viel von Ihnen gehört habe und darum wünsche, daß Sie mich begleiten. Denken Sie sich in meine Lage! Dieses Haus ist die einzig passende Wohnung für mich und für meine Schwester; muß ich es wegen des Gespenstes verlassen, so finde ich keine zweite, welche unseren Ansprüchen in dieser Weise entspricht. Darum sind Sie mir so willkommen, denn ich weiß, daß der tote Major sein Haus nicht betreten wird, so lange Sie sich in demselben befinden. Meine Schwester fürchtet sich fast bis auf den Tod; sie will fort. Meine Diener haben mir gesagt, daß sie mich verlassen werden, wenn ich hier bleibe. Sie alle werden sich beruhigt fühlen, wenn ich ihnen sage, daß Sie unser Hausgenosse geworden sind.«

      »So machen Sie ihnen diese Mitteilung schleunigst! Es freut mich herzlich, zu erfahren, daß die muhammedanischen Gespenster solche Angst vor uns Christen haben, und wenn der tote Major ein kluges Gespenst ist, so unterläßt er gleich von heute an seine Besuche. Wie viel zahlen Sie denn für dieses verrufene Haus?«

      »Wöchentlich

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