Homchen. Kurd Laßwitz
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Homchen - Kurd Laßwitz страница 5
Gleichviel — Homchen wollte zur roten Schlange.
Nun schlüpfte es vom Ast herab. Aber wohin? Wie konnte man über das Moor?
Da hörte es hinter sich ein Rascheln in den Ästen.
Gewandt und schnell flog ein Tier zwischen den Baumkronen einher. Homchen erkannte bald den Taguan, das fliegende Beuteltier, das heute bei der Versammlung gefehlt hatte. War es sein Feind oder nicht? Wußte er, daß Homchen gebannt war? Aber hier war nicht der Heimatwald, hier durfte ihn kein Beutler vertreiben. Was wollte der Taguan hier?
Da kam Homchen ein Gedanke. Der Taguan konnte fliegen, besser als der Hohlschwanz, fast besser als die fremdartigen Geschöpfe mit den weichen Haarschuppen, die sie Federn nannten. Er kam weit herum in der Welt. Bei Tage hing er in seiner Höhle und war faul, und die Tiere sagten, er sei sehr dumm.
Aber Homchen glaubte nicht mehr, was die Tiere sagten. Das war eben das Seltsame, seitdem die rote Schlange zu ihm gesprochen — Homchen vertraute auf etwas, das es nicht begriff, aber das viel mächtiger in ihm sprach als die Stimme der Tiere. Und das Mächtige in ihm sagte: Ein großer, starker Beutler, der in der Nacht so schnell durch die Luft saust, der so geschickt im Fluge sich dreht, der bald hier ist und bald da und seine Beute ergreift — wie kann der dumm sein? Er muß ja viel mehr gesehen haben als wir, die wir nicht fliegen können. Und wenn es des Tages nicht hinausgeht, so tut er das vielleicht aus Klugheit. Wo anders mag er‘s wohl anders halten. Oder mag er auch bei Tage dumm sein, bei Nacht ist er jedenfalls klug. Ich werde ihn fragen.
»Taguan! Taguan!« rief Homchen.
Der Taguan erkannte es sogleich an der Stimme.
»Hik! Du bist es, Homchen? Weißt du, daß ich dich suchte? Am Tage bin ich nicht zu sprechen, sonst hätt‘ ich mit dem Igel protestiert, daß sie dich bannten. Ich wünsche dir Glück, tapferer Kala. Du hast die Ehre der Säuger gerettet.«
»Ich danke dir, kluger Taguan. Ich möchte dich um deinen Rat fragen.«
»Es ist mir recht, wir können manches besprechen. Komm mit mir, wir wollen den Igel besuchen, er hat sich eine hübsche Wohnung gebaut. Nicht in unserem Walde, sondern auf den Hügeln. Er will auswandern. Komm mit!«
Homchen mußte tüchtige Sprünge machen, um dem Taguan folgen zu können, obgleich er jetzt nur langsam von Gipfel zu Gipfel am Waldrande hinflog. Er führte Homchen südwärts in eine Gegend, wohin es noch nie gekommen war. Es wußte gar nicht, daß hier das Hügelland immer breiter wurde, das den Wald vom Moore trennte. Nun ging es vom Walde fort über ein weites, offenes Plateau, das mit hohem Grase bedeckt war; dazwischen lagen verwitterte Felstrümmer. Während der Taguan sich von Felsstück zu Felsstück schwang, war der Weg recht beschwerlich für Homchen. Doch er war nicht mehr lang. Unter einem hohl liegenden Felsblock hatte sich der Igel aus trockenem Grase ein schönes, geräumiges Nest eingerichtet.
Die Weisen der oberen Kreide
»Es ist recht gemütlich bei dir«, sagte der Taguan zum Igel. »Schade, daß man sich nicht ein bißchen am Schwanze aufhängen kann. Aber dafür hast du nicht das Bedürfnis?«
»Nein, ich rolle mich lieber«, antwortete der Igel. »Es ist mir sicherer.«
»Bei deinem Schwänzchen allerdings. Aber ob es das richtige Prinzip ist? Obgleich ich zugeben muß, daß unser tapferer Kala trotz seines Kurzschwanzes den Hohlschwanz besiegt hat.«
»Vielleicht gerade darum«, sagte der Igel.
»Warum hast du denn den Wald verlassen«, fragte Homchen.
»Ich ging schon immer mit dem Gedanken um«, sprach der Igel. »Daß sie dich gebannt haben, hat die Entscheidung gegeben. Wir müssen gegen die Echsen ankämpfen. Du hast das Richtige gezeigt. Aber drinnen im Walde verstehn sie es nicht. Hinaus müssen wir! Ich kann nun freilich mit den Echsen nicht anbinden. Ich bin ein unglückliches, ein verfehltes Tier. Aber in den Wald tauge ich auch nicht. Ich kann nicht mehr ordentlich klettern. Nicht weil ich zu alt wäre. Ich bin noch in meinen besten Jahren. Aber es liegt in uns Igeln — wir haben unsern Beruf verfehlt, wir haben uns zu sehr auf die Defensive beschränkt. Meine Kinder können schon schlechter klettern als ich, meine Enkel noch weniger. Unsre Nachkommen werden es ganz verlernen. Sie werden gar nicht mehr auf die Bäume können. Es ist schade! Wir sind in eine Sackgasse geraten und werden es nicht weiter bringen als bis zum Igel. Sehr schade — denn sonst — wir haben Anlagen. Es könnte etwas daraus werden, wenn sie auf dem richtigen Wege entwickelt würden.«
»Und wie denkst du dir denn diesen Weg?« fragte Homchen bescheiden.
»Ich meine nämlich auch«, setzte es hinzu, »daß es mit den Säugern einmal viel besser stehn wird, aber ich weiß nicht, was wir dazu tun können.«
»Das ist nicht leicht zu sagen, mein tapferer Kala«, sagte der Igel. »Ihr müßt freilich erst auf dem Wege der Igel noch ein Stück fortschreiten, dann aber unsre Fehler vermeiden. Du wirst zugeben, daß die Igel die klügsten Tiere sind.«
Homchen nickte mit dem Kopfe, der Taguan sagte aus Höflichkeit nichts.
»Das Denken«, fuhr der Igel fort und blinzelte mit seinen Äuglein, »das Denken ist die Hauptsache, das Denkorgan entwickeln. Aber wie? Wie soll man das machen? Das möchtest du wissen? Nun — unter uns gesagt — es hört uns doch niemand? Nun, Homchen, du bist ja jetzt auch erwachsen. Nämlich — wie soll ich sagen — ihr Beuteltiere müßt über euch hinauswachsen, ihr müßt etwas Höheres werden — mit einem Worte: Ihr müßt den Über-Beutler züchten!«
»Den Über-Beutler?«
»Ja, den Über-Beutler.« Der Igel blickte mit erhobenem Schnäuzchen stolz um sich. »Das ist es! Warum fürchtet ihr euch denn vor den Echsen? Warum traut ihr euch nicht ins Tageslicht? Warum bleibt ihr Sklaven der Nacht, Leibeigene der Überlieferung? Warum werdet ihr keine Herrenseelen? Weil ihr den Beutel habt! Weil ihr grün zur Welt kommt wie junge Eicheln, und von der Mama herumgetragen werdet, statt frei umherzulaufen und die liebe Sonne zu sehen. Fort mit dem Beutel! sag‘ ich. Wenn ihr geboren würdet wie unsre Kleinen mit einem ordentlichen Fellchen und ordentlichen Gliedmaßen, da würdet ihr einmal sehen, wie man fortschreiten kann. Da würde die Pflege euerm Gehirn zu gute kommen, da würdet ihr eure eignen Gedanken haben, da würdet ihr werden, was wir eigentlich schon sind — der Überbeutler! Und der ist der Herr der Zukunft! Und du, Homchen, du bist der Anfang dazu. Ich will dir‘s verraten: du bist mit einem Fellchen zur Welt gekommen. Du bist der Überbeutler — nenne mich Onkel!«
»Du bist sehr gütig, lieber Onkel«, bemerkte Homchen. »Was du sagst, könnte mir wohl einleuchten. Aber warum seid ihr da nicht schon unsre Herren geworden?«
»Das ist ja eben das Unglück«, antwortete der Igel wehmütig, »das ich schon andeutete. Wir sind nur Herrenseelen, aber keine Herren. Wir sind Überbeutler nur in der Anlage; wir können unsre Begabung nicht durchsetzen. Den Beutel sind wir los, die Faulheit ist geblieben. Darum vermögen wir armen Igel alles nur in der Phantasie. Und nun will ich dir meine letzte Weisheit sagen: Sei ein Überbeutler, aber hüte dich vor dem Winterschlaf!«
»Also das ist euer Abweg?«
»Ja! Träumen und Schlafen! Ach, wie das selig macht. Aber es fördert nicht weiter. Ihr Kala habt das Zeug zum Überbeutler. Geratet nicht auf die Abwege des Igels. Klettert auf den Bäumen umher, trotzt dem Tage und — trotzt dem Winter! Daß