Die Bekanntschaft auf der Reise. Charlotte von Ahlefeld

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Die Bekanntschaft auf der Reise - Charlotte von Ahlefeld

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Dich zu entführen, weil ich glaube, daß Anlagen in Dir stecken, die eine Entwickelung verdienen, und die Dich weiter bringen können, als Dein verborgenes Leben hier unter den Deinigen. Ich will Dich mit mir nehmen, und wenn Du Dich gut aufführst, werd' ich treulich für Dich sorgen. Dein Vater ist mit meinem Plan zufrieden, – nur Deine Mutter hat noch Bedenklichkeiten, die Du aber leicht widerlegen kannst, wenn Du nur Lust hast, zu mir zu ziehen.

      Ich war verlegen. Der Gedanke an Lorenz mußte in diesem Augenblicke der Thräne weichen, die über die Wange meiner guten Mutter floß, und alle meine Gefühle in Bewegung brachte. Aber bald behauptete sein Bild in mir die Herrschaft der wahren Liebe, die alles opfern kann, nur sich selbst nicht, – und selbst von der mütterlichen Wehmuth, neben die ich es stellte, borgte es einen helleren, rührendern Glanz. Bittend sah ich ihn vor mir stehn, und auf seinen Lippen schwebten noch die Versicherungen, die er mir von seinem Schutz und seiner Zärtlichkeit gab. Doch das Bewußtseyn meiner Pflichten umschleierte wenigstens den Wunsch, den ich hatte, ohngeachtet aller Unannehmlichkeiten, die mir drohten, nach Spillingen zu ziehn. Die Entscheidung, antwortete ich, kommt nicht mir, sondern einzig und allein meinen Eltern zu. Ihre Güte, ihre bessere Einsicht wird für mich wählen, was zu meinem Frieden dient.

      Auf diese Art kommen wir aber niemahls aus einander, versetzte die gnädige Frau, denn Deine Eltern sind unter sich nicht einig darüber.

      Es ist das erstemahl, daß ich mit meinem Manne verschiedener Meinung bin, sagte meine Mutter. Wir haben nur dieß einzige Kind noch um uns, – sie ist unsre Stütze und unsre Freude. Wenn ich Justinen auch in der Wirthschaft entbehren könnte, wo sie mir manche Sorge abnimmt, – manche wenigstens mit mir theilt, – so würde sie darum doch nicht zu Ihnen passen, denn sie ist in allen den Geschicklichkeiten ununterrichtet, die die Kammerjungfer einer vornehmen Dame wissen muß.

      O das thut nichts, unterbrach sie die Kammerherrin lächelnd. Die Physiognomie müßte sehr trügen, wenn die Kleine nicht Lernbegierde und Fähigkeiten hätte. Die Mühe, sie in diesen Kenntnissen zu unterrichten, nehm' ich gern auf mich, und ich hoffe sie soll nicht vergebens angewendet seyn.

      Ich werde Justinen eben so sehr vermissen, wie Du, sagte mein Vater zur Mutter, indessen glaube ich, ist es unsere Pflicht, sie nicht von der guten Versorgung abzuhalten, die sich ihr darbietet, und die vielleicht die Grundlage ihres künftigen Glücks werden kann. Ich bin überzeugt, wir können sie ohne Bedenklichkeit der gnädigen Frau anvertrauen. Sie wird Nachsicht mit ihr haben, wenn sie fehlt, und im Anfang nicht zu streng in ihren Forderungen seyn. Für Folgsamkeit und guten Willen stehe ich.

      Mancherlei Gefühle bestürmten meine Brust. – Der Gedanke, die stille Hütte zu verlassen, die die Wiege meiner Kindheit, der Schauplatz meiner Jugendfreuden gewesen war, – die Aussicht von meinen Eltern zu scheiden, und sie künftig in einer Einsamkeit zu wissen, die sie um so trauriger dünken mußte, je mehr meine kindliche Pflege sie ihnen sonst erheitert hatte; – alles dies mischte etwas schmerzliches in die Vorstellung, daß mich die Liebe mit ihrer Zauberstimme nach Spillingen rief. Unentschlossen stand ich da, aber ich blieb es nicht lange. O wie wahr ist's, daß das Weib Vater und Mutter verlassen wird, um dem Manne zu folgen, den es sich erkohren hat! Dankbarkeit und die zärtlichste Ehrfurcht fesselte mich an meine Eltern. Ich hätte für sie mein Leben lassen können, – nur das, was diesem Leben erst Werth gab, die Würze seiner Zukunft, das Bündniß, das mein Herz mit Lorenz geschlossen hatte, – nur das hätte ich ihnen nicht opfern können, ohne, wie ich glaubte, vor Gram zu sterben.

      Meine Mutter seufzte, und betrachtete mich mit unruhigen, ungewissen Blicken. Nun dann, sagte sie, und wandte sich zu meinem Vater, wenn Du wirklich glaubst, daß es für Justinen ein Glück ist, so will ich mich nicht länger weigern. Gott weiß, daß nur die Besorgniß für ihr wahres Wohl mich so bedenklich machte, denn ich bin der Meinung, daß ein junges, unerfahrenes Mädchen nirgends mehr am Platze, und sicherer ist, als in dem Hause und unter den Augen seiner liebenden Eltern. Aufgeben kann ich diese Meinung so leicht nicht, aber ich will thun, was ich kann, – ich will sie der Deinigen unterordnen. So zieh denn in Gottes Namen hin, Justine! fuhr sie mit Rührung fort. Es wird Dir auch in der Fremde wohlgehn, denn Du warst immer ein gutes, dankbares Kind! —

      Sie umarmte mich herzlich; – ich fühlte ihre warmen Thränen auf meiner Wange, und vermischte sie mit den meinigen.

      Es war also nun entschieden, daß ich nach Spillingen zog. Die Kammerherrin überhäufte mich mit Liebkosungen, und wollte mich gleich mit sich nehmen, aber meine Eltern sowohl als ich, bestanden auf eine Frist von vierzehn Tagen. Dieser kurze Aufschub, der uns nur ungern bewilligt wurde, sollte das Bittre der Trennung mildern, indem er uns nach und nach an die Nothwendigkeit des Scheidens gewöhnte, aber statt dessen knüpfte jeder Augenblick uns durch den Gedanken fester zusammen, daß er langsam, aber gewiß die Stunde des Abschieds heran führte. Ich fühlte damahls durch meine eigene Erfahrung, daß es besser und schonender für uns selbst, und für unsre Lieben ist, den Kelch des Schmerzes, den uns die Trennung reicht, in einem Zuge zu leeren, als ihn wie ein Ziel, dem wir doch nicht entgehen können, und dem uns jede Minute näher bringt, vor den Augen zu haben. Ein kurzes Lebewohl läßt uns die Kraft, es mit Fassung zu sagen, – dumpf, wie der Ton einer Todtenglocke, wie das Grablied unserer Freuden tönt es aus der Ferne herüber, und die Vorstellung, es dennoch aussprechen zu müssen, gießt Wermuth in die Freuden des letzten Beysammenseyns, und lohnt unser Zögern nicht mit Linderung, sondern mit Verdoppelung des Schmerzes, den wir am sichersten überwinden, wenn wir ihm stark und muthig die Stirn bieten.

      Ehe unsre Gäste uns verlassen hatten, war mir noch eine ungestörte halbe Stunde zu Theil geworden, die ich mit Lorenz verplauderte. Er entdeckte mir nun seine nächsten und wichtigsten Verhältnisse. Sein Vater war Verwalter in Spillingen, ein guter, biederer Mann, der bloß die schwache Seite hatte, sich von seiner sehr ehrgeizigen, herrschsüchtigen Frau regieren zu lassen. Um den lieben Hausfrieden ununterbrochen zu erhalten, mischte er sich von jeher weder in das Innere seiner eigenen Wirthschaft, noch in die Erziehung seines Sohnes, den er jedoch zärtlich liebte. Lorenzens reines, stilles Gemüth war nicht empfänglich für die Eindrücke des Stolzes, die seine Mutter ihm geben wollte. Schweigend hörte er ihren Lehren und Ermahnungen zu, in denen gewöhnlich jener falsche Ehrgeiz sich mahlte, der statt innern Werth nur äusserlichen Glanz zum Ziel seines Strebens macht. Er bedurfte ihn nicht, und verachtete sein Flittergold, denn seine Seele war mit jenem edlen Stolz bewaffnet, der den Menschen wie ein guter Genius vor allem bewahrt, was seine wahre Würde entweihen kann. Die Bildung seines Herzens war sein eignes Werk, – das Werk seines Schicksals, das ihm einsam unter Menschen stellte, denen er sich nicht mittheilen mochte, da sie nicht fein genug fühlten, um ihn zu verstehen. Still und verschlossen wuchs er empor, – abgeschieden von allen lebenden Geschöpfen, an denen seine Empfindung sich in voller Kraft hätte erwärmen und erhöhen können. —

      Der Kammerherr entdeckte in dem zum Jüngling heranreifenden Knaben seltne Anlagen, die ihn aufmerksam auf ihn machten. Die strenge Wahrheitsliebe, die, wo sie nicht reden durfte, doch wenigstens schwieg, und nie wider ihre Überzeugung sprach, die feste, unbestechliche Redlichkeit, die schon in seiner Kindheit ein Hauptzug seines Charakters war, und mit zunehmenden Jahren sich immer mehr auf unerschütterliche Grundsätze stützte, – alles dieß gefiel dem Mann, der ohne eigene Tugenden zu haben, doch fremde schätzte, und sie gern zu seinem Vortheil benutzte. – Er fragte die Eltern um ihre Plane in Rücksicht ihres Sohnes. Der Vater hatte keine, – allenfalls nährte er den stillen Wunsch, daß sein Sohn ein Landmann werden möchte, aber er wagte es nicht, ihn zu äussern, da seine Frau, wie er wohl wußte, fast niemahls übereinstimmend mit ihm dachte, und ihn doch nicht gebilligt haben würde. Längst war es ihr Lieblingstraum gewesen, ihren Sohn in fürstlichen Diensten zu sehn. – Sie entdeckte dieses dem Kammerherrn, und er versprach, ihr dazu behülflich zu seyn. Auch macht' er, ganz wider seine sonstige Gewohnheit, Miene, Wort zu halten, ließ ihn auf seine Kosten die Forstwissenschaft lehren, und behielt ihn dann als Jäger und zugleich als Kammerdiener bei sich, bis, wie er sagte, sich eine günstige Gelegenheit zeigen würde, wo er ihn dem Fürsten empfehlen könne. Diese war noch immer ausgeblieben. – Lorenz seufzte nach einer unabhängigen

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