Sicherer Wegweiser zu einer guten und gesunden Wohnung. Balmer-Rinck Johann Jakob
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Dieß inwendige Verlottern kommt nicht plötzlich über Nacht. Häufig ist schon früh bei der Erziehung gefehlt, der Sinn für Reinlichkeit und Ordnung nicht geübt und genährt worden: der Vater war wenig zu Hause, die Mutter hatte alle Hände voll zu thun und griff's sonst nicht zum geschicktesten an, die Umgebung war auch nicht darnach, wo hätte da das Kind drauf merken lernen? Später aber war man an die Vernachlässigung gewöhnt. Bei dieser Gleichgültigkeit bleibt es nun nicht, es setzt sich allmälig noch Andres dran und macht aus arg ärger.
8. Ein Wörtlein über Zerstreuungen und Erholungen
Jeder Mensch will seine Erholung, seine Vergnügen haben und wer im Schweiße des Angesichts arbeitet, dem sind diese doppelt zu gönnen. Nun kann's einer Seele aber in solch schlechten Wohnungen unmöglich wohl werden, wo einen Alles so unfreundlich und unwirthlich ansieht. Man sucht deßhalb seine Freude sonstwo; Gelegenheiten gibt's genug, täglich werden noch neue erfunden und in allen Blättern dazu eingeladen, – zu ermäßigten Preisen sogar. An diesem Vergnügungsorte, in jenem Wirthshause sieht's dann freilich heitrer aus als in dem Neste daheim, man wird noch obendrein wie ein Herr behandelt, die Gesellschaft ist unterhaltend, ein gutes Glas Wein, ein schmackhaftes Bißlein, das Alles findet sich da, und wie appetitlich! Der Arbeiter verdient ja seinen schönen Batzen, was soll er nicht auch einmal sich wohl sein lassen, nicht eine Zerstreuung haben? Und diese Gelegenheiten außer dem Hause gefallen einem so gut, daß man sie bald wieder und immer häufiger sucht, dem Hause vollends den Rücken kehrt, kaum noch drin schläft.
So trinkt man in der fremden Wirthschaft stets eifriger auf den Verfall der eignen; die Zerstreuungen schlagen so wohl an, daß von einer Sammlung, der Sammlung im eigenen Hause, keine Rede mehr ist.
Wenn es nur keine schlechten Zeiten, keine kranken Tage gäbe und das lustige Leben die Arbeitslust nicht untergrübe! mit einem Worte: wenn der Mensch nur einzig auf der Welt wäre, seinen Lüsten zu dienen! Da dieser nun aber nicht blos für den Tag lebt, sondern für die Ewigkeit, so geht's unter lauter Zerstreuung und Lustbarkeit erst allmälig bergunter, bald rascher und man langt vergeblich da- und dorthin, an morsche Latten und in Glasscherben nach Hilfe. Pflicht und Gewissen und Ehrbarkeit werden auch nicht zu lange mehr berathen, dunkle Winkel aber, unsaubre Betten, ungewischte Bänke und Tische, schmuzige Hände und Unordnung überall sind dann für einen solchen Zustand wie geschaffen.
Wo jener leichtfertige Sinn sich festgesetzt hat, ja da mag man dann lange gute und gesunde Wohnungen bauen. Das Wohlsein daheim kommt ja in keinen Betracht und die kurzsichtige Verkehrtheit verwendet die paar Franken ersparten Hauszinses schon im Voraus zu der und jener Lustbarkeit, diesem Flitterzeug, selber Leckerei, ohne zu bedenken, daß Doktor und Apotheker kommen und darauf und auf noch mehr Beschlag legen möchten.
9. Vom Fundamente des Hauses
Erholung, Freude, Wohlbefinden dürfen nicht unterdrückt werden, bei Leibe nicht! und ein gesundes Herz und ein gesunder Leib sollen dieses Glückes, mit welchem Gott die Arbeit so gerne krönt, noch erst recht genießen. Aber sie dürfen nicht mehr auf Mistbeeten aufgeilen, sondern müssen in gutem Grund und Boden kräftige, lebensfähige Wurzeln schlagen. Dieser Grund und Boden aber ist kein anderer als der des eignen Hauses, des eignen Hauses, auch wo man mit Weib und Kind zur Miethe wohnt. Hier, bei sich daheim, kann der Aermste reich sein und der Abhängigste Herr und Meister von Gotteswegen, der Niedrigste wird sich da gehoben fühlen und das Vergnügen kostet hier weder viel Geld, noch trägt es den Stachel der Reue. Auf dieser Grundlage wächst allein jene innere Kraft, welche die Stürme erträgt und der Verweichlichung durch gute Tage widersteht. Nur auf dem Boden des Hauses wird auch in Wahrheit der Ehestand zu dem, was er sein soll, nach dem alten Spruche: zu dem rechten Zuchtmeister, der den Menschen erzieht für Zeit und Ewigkeit, und nicht, wie so manche halt- und bodenlose Ehe, zu einer lebenslänglichen Strafanstalt. Durch gar nichts ist der Segen des Familienlebens zu ersetzen, der auf dem natürlichsten Wege aus jedem Augenblicke des Beisammenseins neue Nahrung zieht, aus dem Munde des Vaters, dem Beispiele der Mutter, der Anhänglichkeit und dem Gedeihen der Kinder, aus der Liebe, die Alle verbindet und dem Gewöhnlichsten eine Bedeutung gibt.
Um aber zu dieser Erholung, dieser Freude, diesem Glücke zu gelangen, muß es einem vor allem daheim innert den vier Wänden an Leib und Seele wohl sein, man muß sich wirklich heimisch fühlen können. Wie wird dieß möglich?
10. Wer der wahre Baumeister ist
Gewiß wird es immer bessre und weniger gute, ja geradezu schlechte Wohnungen geben und der Arme wird letztere nie ganz meiden können. Ihre Lage in Mitten der Städte, in der Nähe der Vermöglichen wird ihn sogar anziehen und auch eine genaue Aufsicht der Gesundheitspolizei mag vollauf Arbeit haben, nur die schreiendsten Uebelstände abzustellen, weil sie das einzige Mittel, das bleibt, manche Wohnungen unschädlich zu machen, nämlich sie zu schließen oder niederzureißen, nicht anwenden kann. Aber ebenso gewiß ist es auch wieder, daß die schlechteste Wohnung sich verbessern läßt, die empfindlichsten Nachtheile sich heben oder mindern lassen. Dazu jedoch ist Eins unerläßlich, das Eine, daß ein Jeder selbst die Hand anlege. Denn wie der Bewohner eine vorzügliche Wohnung zu einer nachtheiligen umwandeln kann, so ist er ebenso der Hauptbaumeister, der eine schlechte Wohnung zu einer guten und gesunden zu erheben vermag, ein Baumeister zugleich, den alle Baumeister der Welt nicht zu ersetzen im Stande sind.
Dieser zu sein oder zu werden, dazu rüste du dich, der du's bisher vielleicht versäumt hast, nur aus mit gutem Willen und Aufmerksamkeit; mehr bedarf's nicht! Mit diesen schon wirst du deine Wohnung gesund und wohnlich einrichten und dem Wirthshaus, den Lustbarkeiten draußen, dem Flitter und der Hoffahrt gegenüber, dir ein sicheres Haus bauen, darin gut wohnen ist, das der Stamm ist, darauf du allein gedeihest, darauf deine Kinder und Kindeskinder wachsen und dir zum Segen reifen werden!
Weil aber Alles in der Welt will gelernt sein und jedes Handwerk seine besondern Vortheile und Vorschriften hat, auch wenn diese durch bloße Gewohnheit von Kindsbeinen an und ohne besonderes Kopfzerbrechen sich aneignen ließen, so soll jetzt hier zu gutem Ende zusammengestellt werden, was solchem Baumeister einer gesunden Wohnung zu wissen Noth thut. Besondere Kosten sind keine mit verbunden, das Geheimniß ist bald geoffenbart und die Kunst leicht zu lernen, nur macht aber auch hier Uebung allein den Meister. Luft, Licht, Reinlichkeit und Ordnung indeß sind die Bausteine und das Pflaster, daraus unter Gottes Segen Jeder sich eine gute und für Leib und Seele gesunde Wohnung aufführen kann!
Sehen wir zu, wie man diese am besten handhabt und am passendsten verwendet.
11. Die Luft
Die Luft zählt zwar für nichts. „Niemand kann von der Luft leben!“ – hört man als gewöhnliche Redensart. Das ist aber grundfalsch; da verstanden's die Alten besser, welche Luft die Nahrung, das Futter des Lebens nannten. Und mit Recht, denn sie ist für unsern Leib gerade ein so nothwendiges und unentbehrliches Nahrungsmittel als Speise und Trank.
Athmen ist nicht nur, daß man Luft einzieht und sie nachher wieder ausbläst: die ausgeathmete Luft ist eine ganz andre als die eingezogene, und was inzwischen mit ihr in der Brust vorgegangen, das ist eben das Wichtige und der Zweck des Athmens. Das Blut hat da in der Lunge schnell das, was ihm zur Erhaltung des Lebens nothwendig ist,1 aus der beim Einathmen zugeströmten frischen Luft an sich gezogen und dagegen sein Unnützes und Verbrauchtes abgegeben, das dann beim Ausathmen mit dem Uebrigen als umgewandelte und nunmehr unbrauchbare Luft wieder aus der Brust ausgestoßen wird und sich mit der Luftmasse außer dem Menschen, sei's in einem Zimmer oder im Freien, vermischt. Dieß wiederholt sich bei jedem Athemzuge. Daß die abgeschlossene Zimmerluft dadurch allmälig verschlechtert wird, ist leicht zu ermessen. Daraus läßt sich denn auch entnehmen, wie die Luft keineswegs so gleichgültig ist, sondern sie einerseits um so nachtheiliger sein wird, jemehr jene Bestandtheile, welche als unbrauchbar vom Blute durch das Ausathmen
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Sauerstoff.