Die Mumie von Rotterdam. Döring Georg
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Die Mumie von Rotterdam - Döring Georg страница 2
Dieses war der Stand der zwischen den beiden Handelsherrn obwaltenden Angelegenheiten, als wir sie zum erstenmale stolz und im Bewußtseyn ihres Metallwerthes durch die treibende Menge im Haven von Rotterdam hinschreiten sahen.
»Ihr wißt meinen Entschluß, Myn Heer van Daalen,« sagte Herr Tobias in einem herben und strengen Tone, indem er bedeutungsvolle Blicke auf einige ihm zugehörende, in der Maas ankernde Schiffe warf und dann ebenso bedeutungsvoll auf einige andere zurücksah, die im Canale, zunächst seiner Wohnung, lagen. »Fünfmalhunderttausend Stück Dukaten ist ein artiges Sümmchen, aber siebenmalhunderttausend ist noch artiger. Wir sind beide dick, aber Ihr seyd nicht der dickste! Nur gleich und gleich gesellt sich gut und erst, wenn Euer Cornelius so schwer geworden, wie meine Clelia, so können die Glockenspiele der Binnen- und Buytenstad ein lustiges Stückchen zu ihrer Hochzeit aufspielen. Schade, daß wir nicht in Batavia sind! Da hat mich’s bei solcherlei Festen am Meisten ergötzt, die schwarzen Sklaven und Sklavinnen, Abends, wenn sie des Tages Last und Arbeit hinter sich hatten, einen lustigen Tanz aufführen zu lassen. Sanken sie dann wohl vor Müdigkeit oder Trägheit zu Boden, so war gleich des Aufsehers Peitsche bei der Hand, die sie wieder in die Höhe zum Tanzen trieb und der Hauptspaß war es nun, sie mit verzerrten Gesichtern, heulend und schreiend, springen und hüpfen zu sehen. Dergleichen Vergnügungen giebt es nicht in Europa, Myn Heer van Daalen!«
In diesem Augenblicke hemmte Tobias plötzlich seinen Schritt. Seine Blicke waren starr auf einen Punkt gerichtet. Es schien, als mache irgend ein Gegenstand ihn stutzig, als sey er über irgend eine sonderbare Begegnung betroffen und unwillig.
Zwei junge Leute in Studententracht waren aus einer landenden Barke ans Ufer gesprungen. Ihre ersten Blicke fielen auf die hagere und ausgetrocknete Gestalt des Herrn Tobias van Vlieten, der in seinem canelfarbigen Rocke und mit dem zusammengedörrten bräunlichen Antlitz, laut und lachend von ihnen der ungeheuerste Zimmetstengel genannt wurde, der jemals aus Ostindien herübergekommen sey. Ganz im Gegensatze zu ihnen stand ein ältlicher Mann, der zwischen beide getreten war, dessen Blicke mit einem Ausdrucke der Verzückung auf Herrn van Vlieten ruheten und der nun mit hohem Ernst in seinen Mienen, mit schnarrender Stimme und in der die Worte abwägenden Weise eines Pedanten rief:
»Ruhig, meine Söhne! Ruhig, ihr Kindlein der Musen! Habt Ihr je ein so herrliches Exemplar einer egyptischen Mumie gesehen, wie das hier im zimmetfarbenem Rocke und mit spanischem Rohre umherwandelnde? Schweigt von Eurem schnöden Zimmetstengel! Ein Sproße aus pharaonischem Geschlechte, ein königlicher Bewohner der Pyramiden zeigt sich Euerm erstaunten Blicke. Er wandelt hier am Ufer der Maas, er schnupft Tabak und trägt Dukaten auf dem Rocke! O wie köstlich, wenn wir ihn hätten im theatro anatomico zu Leyden, schön eingepackt im egyptischen Sarge, den wunderdeutsamen Ibis zu seinen Füßen, ihn selbst eingehüllet in balsamische Stoffe, hieroglyphisch übermalet – o Isis und Osiris! die Begeisterung reißt mich fort und verleitet mich, würdige Handelsherrn der Gegenwart für Gestalten einer heiligen Vorzeit zu halten! Verzeihet, Myn Heer,« wandte er sich nun zu dem immer finsterer blickenden Tobias, »wenn Euch diese junge Leute durch unziemlichen Scherz beleidigt! Meine Bewunderung wird Euch hoffentlich zu einigem Ersatz dienen und solltet ihr jemals nach Leyden kommen, so seyd höflich eingeladen, in dem Hause des Professor Eobanus Hazenbrook einzusprechen.«
Mit diesen Worten nahm der Professor seine zwei jungen Leute, die nun etwas ernster geworden, unter den Arm und schlenderte ruhig weiter, indem er jedoch dann und wann einen gleichsam verliebten Blick nach Herrn van Vlieten zurücksandte.
Dieser murmelte einige unverständliche Laute für sich hin, welche eben nicht die freundlichste Begrüßung aussprechen mochten. Dann richtete er seine Aufmerksamkeit auf Herrn Van Daalen, der von dem Professor und seinen Zöglingen nichts gewahr geworden war und schon ein Weilchen ohne Antwort zu erhalten, auf seinen Begleiter eingeredet hatte.
»Alles wird sich zu Euerer Zufriedenheit ausgleichen,« fuhr Herr Jan fort, »und ich kann Euch die feste Zusicherung geben, daß vielleicht schon morgen oder übermorgen mein Cornelius so schwer oder auch noch schwerer ist, wie Euere Clelia. Heute schreiben wir den achtundzwanzigsten Oktober 1702. Jeder Augenblick kann mir die frohe Nachricht bringen. Wo ich gehe und stehe ist es mir, als hätte ich glühende Kohlen unter den Füßen und denke ich einmal zu ruhen im gemächlichen Großvatersessel, so treibt mich’s in die Höhe, als prickelten mich tausend Stecknadeln. O Myn Heer, Ihr seyd glücklich mit Euern Speculationen auf Zucker und Caffee! Aber unser eins – die Sorgen – die ängstlichen Nachtwachen – die Zweifel – die Erwartungen.« —
»Was treibt Ihr denn eigentlich?« unterbrach ihn neugierig sein Begleiter, indem er stehen blieb und die todten grauen Augen forschend auf Herrn van Daalen heftete. »Ihr seyd reich geworden, man weiß nicht wie, Ihr vermehrt Euere Capitalien von Jahr zu Jahr, man weiß nicht woher! Myn Heer, es gehen allerlei seltsame Gerüchte von Euch, denen ich keinen Glauben beimessen mag. Viele sprechen, Ihr hättet einen Bund mit dem Bösen, der Euch das liebe Geld und Gut zutrüge in der Sylvesternacht, aber darüber lache ich, denn ich bin aufgeklärt. Andere meinen wieder, Ihr säßet Nachts im geheimen Kämmerlein und kochtet Gold, wie Ihr es aus einem zufälliger Weise aufgefundenen Recepte des berühmten Paracelsus erlernt, doch auch das scheint mir nicht glaubwürdig, denn hätte der berühmte Paracelsus die Goldmacherkunst verstanden, so wäre er nicht elend und jämmerlich durch vieler Herrn Länder gezogen, als ein Pillendoctor und Wurmsamenhändler. Was aber, Myn