Reise über Indien und China nach Japan.. Freiherr von und zu Richard Eisenstein
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Die Fahrtgeschwindigkeit des Dampfschiffes beträgt 19 km in der Stunde, somit ungefähr 450 km in 24 Stunden, und demgemäss werden wir heute Abend, in der Nähe der Südostspitze Europas, von Triest aus gegen 1400 km zurückgelegt haben. Die Fahrtgeschwindigkeit ist wegen des stetig uns entgegenblasenden Windes und wegen der grossen Befrachtung des Dampfers eine geringere als die normale.
Im gleichen Masse des Vorwärtsschreitens gegen Süden nimmt auch die Temperatur zu, und zwar stieg das Thermometer in 24 Stunden oder nach zurückgelegten 450 km um 2½° R. In Triest zeigte das Thermometer am 27. Jänner 6° R. Wärme und heute, also nach drei Tagen, steht es zur Mittagszeit zwischen 13 und 14° R. Wärme.
Am 31. Jänner Früh gelangten wir an das Südwestende der Insel Kreta oder Candia und fuhren bis zum Abend längs der südlichen Küste dieser langgestreckten Insel, um uns dann direct gegen Port Said zu wenden. Die Insel Candia ist, insoweit sie sich unserem Auge eröffnete, ein bergiges Land, von tiefen Thälern durchzogen und nur mit recht schütterem Grase und einzelnen Büschen bewachsen. Sie trägt im Allgemeinen den Charakter unserer Karstländer und besitzt ausschliesslich an ihrer Nordküste einen culturfähigen und auch cultivirten Boden. Daher kommt es, dass sich die Städte Kanea, Rethymnon, Megalokastron u. s. w. an der Nordseite der Insel befinden, während sich im Süden nur wenige kleine Fischerdörfer zeigen. Der in der Mitte der Insel in der Richtung West-Ost sich hinziehende höchste Gebirgskamm ist auf seinen bis 2500 m hohen Spitzen zur Zeit mit Schnee bedeckt.
Der Himmel ist trotz Sonnenscheines leicht bewölkt und die Meeresoberfläche ist mässig bewegt und hat eine dunkelblaue Färbung. Der Wind schlug wieder in Scirocco um, der während der Nacht so heftig wurde, dass das Schiff in stärkere Schwankungen gerieth.
Bezüglich der Schiffsbeköstigung will ich dem schon Gesagten einige Worte beifügen. In der Zeit von 8-9 Uhr Morgens erhalten wir Milchkaffee mit Brot. Gegen 10 Uhr werden hors d'oeuvres, ein Ragout, Roastbeef oder dergleichen mit Zuthat und Dessert servirt. Um 1 Uhr folgt ein ähnliches Menü. Um 6 Uhr Abends gibt es potage, hors d'oeuvres, boeuf bouilli garni, Braten mit Salat, gedünsteten Reis mit currie (Gemisch indischer Gewürze), Mehlspeise, Dessert und Kaffee und um 9 Uhr Thee mit Gebäck. Die Auswahl und Zubereitung der Speisen ist vortrefflich. An Getränken findet man Pilsner Bier und einen sehr guten dalmatinischen Wein; die ½ Liter Flasche Bier, sowie die ¼ Liter Flasche Wein kostet 30 kr. Gold oder 36 kr. ö. W. Doch sind auch sehr gute österreichische und französische Weine in Flaschen, sowie Champagner, Säuerlinge und Liqueure in grosser Menge vorhanden.
Der besseren Orientirung halber lasse ich nachstehend einen Vergleich der verschiedenen Längenmasse folgen:
01 Myriameter = 10 km;
01 deutsche oder geographische Meile = circa 7·4 km;
01 englische Meile = circa 1·6 km;
01 Seemeile = circa 1·85 km;
01 km = circa 1333 österreichische Schritte zu 75 cm;
010 Myriameter = circa 13½ deutsche Meilen = circa 62½ englische Meilen = circa 54 Seemeilen;
010 deutsche Meilen = circa 7·4 Myriameter = circa 46 englische Meilen = 40 Seemeilen.
Am 1. Februar war das Land nach allen Richtungen hin entschwunden; man sah nur mehr nach oben den leicht bewölkten Himmel, nach unten das wogende Meer und rundum am Horizonte die Kante des sich nach abwärts neigenden Meeres, in dessen weiterer Fortsetzung der Himmel seine Basis einzutauchen scheint.
Der Südwind (Scirocco) von der libyschen Wüste, also von Tripolis und vom Nordwesten Aegyptens kommend, blies heute so heftig, dass die Wogen oben mit weissem Gischt gekrönt waren, und das Schiff ziemlich starke Schaukelbewegungen machte. Das Gehen an Bord ist für einen mit solchen Schwankungen nicht vertrauten Menschen recht schwierig, doch der Aufenthalt auf dem Decke gewährt einen eigenthümlichen Reiz, welcher hervorgerufen wird, durch den Rundblick über das weite, tiefblaue, so bewegte und mit weissen Punkten übersäete Meer, durch das Vernehmen der Töne, welche wie ein Sausen und ein Rauschen von den sich überstürzenden Wellen herauf-, und wie ein Brausen und ein Schwirren aus der Takelage niederklingen, und endlich durch den Anblick der, dem Schiffe stets folgenden, weitbeschwingten weissen Möven.
Die Temperatur ist seit dem 30. Jänner mit Rücksicht darauf, dass wir uns nun immer mehr gegen Südost, ja gegen Ostsüdost wendeten, nicht mehr in derselben Weise wie früher gestiegen, so dass das Thermometer nicht über 16° R. zeigt.
Durch unsere fortgesetzte Bewegung gegen Osten hat sich indess die Tageszeit mit unserer Uhrzeit erheblich verändert, und zwar ist bis jetzt der Sonnenauf- und Niedergang, sowie die Mittagszeit schon um 45 Minuten früher eingetreten als in Triest, wonach auch unsere Uhren gerichtet werden mussten.
Um 8½ Uhr Abends des 1. Februar befanden wir uns in der Mitte zwischen der Südostspitze von Candia und dem Hafen von Port Said, das ist von beiden Punkten je 400 km entfernt, ferner 500 km südlich von der Küste von Kleinasien und 200 km nördlich von den afrikanischen Gestaden.
Täglich werden von einem Schiffsofficiere die Punkte genau eruirt, an welchen sich das Schiff zu den verschiedenen Zeitmonaten befindet. Am verlässlichsten erfolgt dies durch die Fixirung der Lage des Schiffes zu den Himmelskörpern und der hieraus sich ergebenden Berechnung des betreffenden Punktes, wozu dem Schiffsofficiere geeignete Instrumente und Berechnungstafeln zu Gebote stehen. Sind dann solche Punkte genau bestimmt, so können weitere leicht gefunden werden durch die Erwägung der Richtung und der Fahrtgeschwindigkeit des Schiffes. Die Richtung wird durch die Boussole angezeigt und die Fahrtschnelligkeit ergibt sich entweder durch die Beobachtung und Berechnung der Umdrehung der Dampfschraube oder durch die Beobachtung der Zeigerstellung auf dem Shiplog, das ist ein kleines Uhrwerk, an welchem mit einer langen starken Schnur eine im Meere schwimmende Schraube befestigt ist, die durch die Zahl ihrer Umdrehungen im Wasser die hinterlegte Strecke auf dem Zifferblatte ersichtlich macht. Wind, Wellenschlag etc. beeinflussen aber diese Bestimmungen in solcher Weise, dass sie nur auf verhältnissmässig kurzen Strecken genügende Verlässlichkeit bieten. Die genaue Fixirung der Punkte kann indess nur, wie oben gesagt, auf astronomischem Wege gemacht werden.
Der 2. Februar (Donnerstag, Marien-Feiertag) brachte uns den ersten wolkenfreien, sonnenhellen und beinahe windstillen Tag. Wie auf Sammt gebettet, glitt unser Schiff ruhig dahin, die Meeresoberfläche war nur leicht gekräuselt und schimmerte silbern im Sonnenglanze und azurblau im Schatten. Um 11 Uhr Vormittags zeigten sich die Conturen der südafrikanischen Küste, und der Capitän theilte mir mit, dass das Schiff um 3 Uhr Nachmittags bei Port Said anlegen werde. Am südlichen Horizonte wurden Vormittags zuerst Alexandrien, dann Damiette sichtbar, und schliesslich landete der Dampfer im Hafen von Port Said.
Aufenthalt in Port Said
Die Stadt Port Said ist auf dem Sande und Erdreiche erbaut, welche von der Aushebung des Suez-Canales herrühren, und welche zur Anlegung eines grossen Hafenplatzes verwendet wurden. Sie theilt sich in den europäischen und in den arabischen Theil. Der erstgenannte Stadttheil besteht aus Steinhäusern mit niedrigen Dächern und mit in jedem Stockwerke rundum angefügten Balkonen, der arabische Theil zeigt elende, oft zwei Stock hohe Bretterbuden. Nach dem Landen des Schiffes wurde dasselbe überlaufen von kupferbraunen Arabern, in langen Kleidern, blossfüssig, mit rothem oder weissem Fez auf dem Kopfe, welche in allen Sprachen zur Ueberfahrt auf's Land drängten, und von europäischen Händlern, welche ihre Tücher, Pfeifen, Cigarretten und Ansichts-Correspondenzkarten zum Kaufe anpriesen.
Ich sah mir dieses wüste Treiben eine Weile an und liess mich dann nach der Stadt hinrudern und von einem Händler in eine Verkaufshalle führen, in welcher Tropenkleider feil geboten