Hann Klüth: Roman. Georg Engel

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Hann Klüth: Roman - Georg Engel

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lichtrosige Wolken dahin. Rosig durchleuchtet ringelte sich Rauch aus den Schornsteinen. Überall tiefe Ruhe. Nur vom Bodden strich ab und zu ein leichter Windzug daher, und dann sah man fern durch die Bäume und Büsche, wie die See draußen ihre Farben änderte.

      Ein Jagen von Grün und Zitterblau!

      Dann wieder Stille.

      Da regte sich Line auf dem Koben.

      »Sprich was,« sagte sie zu Hann und stieß ihn leicht an den Arm. »Es ist so häßlich, das Stillsein.«

      Sie fürchtete sich heimlich. Denn ununterbrochen, klammerfest wurde sie von diesem einen Bilde gefangengenommen, wie die Lotsen den Sarg heruntergelassen, die Erdklumpen hohl daraufgekollert, und wie oll Kusemann hinter ihr, scheinbar absichtslos, die Worte geflüstert: »Sieh, wenn die letzte Handvoll drauf liegt, dann macht sich die Seele auf ihren Weg.«

      »Ja, dann macht sie sich auf den Weg,« ging es ebenfalls durch Hanns Gedanken, denn auch er hatte, ohne daß Line davon wußte, die Worte oll Kusemanns wohl vernommen.

      Und zum erstenmal – an dem dunklen Grab – regte sich bei dem blöden Jungen, dem das Lernen versagt war, eine nachdenkliche Frage.

      Jetzt sprach er sie aus. Langsam und stockend in den lichten Abend hinein, während unter ihm die Schweine schnüffelten und ganz nahe die Milch in den Eimer klatschte.

      »Lining,« begann er, »hast gehört, was oll Kusemann sagte? – Weißt du, was 'ne Seel' is?«

      »Nein – laß,« versetzte die Kleine ängstlich und zog an ihrem Kleid. »Aber oll Kusemann meinte ja vorgestern, sie säh' grau aus.«

      »Ja, grau sieht sie aus,« nickte der Junge schwerfällig, »denn irgend 'ne Farb' muß sie haben. Schweine sehen gelb aus und Rosen rot, und Seelen werden dann woll grau sein.«

      »Vaters Seel' is nu im Himmel«, – sagte Line geheimnisvoll. »Sieh, da oben, wo die rote Wolke geht, da oben sitzt er gewiß und sieht zu, wie hier das Vieh gefüttert wird. Das hat er sonst ja auch immer gemacht. – Meinst du nicht, daß er's da oben gut hat?«

      »Das hat er,« bestätigte Hann ernsthaft.

      »Woher weißt du das?« fragte Line rasch.

      Hann rückte eine Weile hin und her, als getraue er sich nicht recht. Dann beugte er sich vor, warf einen spähenden Blick in den Kuhstall hinein und schob sich endlich ganz dicht an Line heran, so daß die beiden Köpfe sich eng berührten.

      Sonst ließ ihn Line nie so nahe heranrücken, ohne die Hand gegen ihn zu erheben.

      »Ich weiß, daß er's gut hat,« brachte der Junge scheu hervor und seufzte, als wenn ihn ein Geheimnis drücke. »Aber sieh, du mußt es Paul nicht sagen.«

      »Was denn, Hann?«

      Wieder ein schwerer Atemzug, dann rasch: »Ich hab neulich in den Himmel reingekuckt.«

      »Du?«

      »Ja, ich.«

      »Womit?«

      »Oll Kusemann hat in seinem Wetterhaus ein Rohr. Damit kann er in den Himmel kucken. Und da hat er es mir auch gezeigt.«

      »Hann – Hanning, und was hast du da gesehn?«

      »Lauter Glänzendes, das so hin und her zieht, und dann solche grauen Punkte, die fliegen überall herum. Das sind die Seelen. Oll Kusemann hat es mir ganz genau erklärt.«

      »Hann – «

      Line zögerte einen Moment. Dann schlang sie ihren Arm in den seinen. Die Frage war zu wichtig.

      »Hast du auch den lieben Gott gesehn?«

      Hann zögerte und seufzte wieder.

      Es fiel ihm zu schwer.

      »Hann, was tat der liebe Gott?«

      »Line – ich darf nicht drüber sprechen. Oll Kusemann hat es mir direkt verboten. Aber« – er wälzte sich seine Last ab – »du sollst es wissen. Der liebe Gott sitzt an einem großen goldenen Tisch und um ihn herum lauter graue Seelen.«

      »Und was machen sie da?«

      »Da essen sie Mittag.«

      »Mittag? Jemine, essen die da oben auch?«

      »Jawoll – die Schüsseln und Gläser hab' ich genau erkannt. Oll Kusemann sagt, die wären all' von Sonnenschein.«

      Line starrte ihn an.

      »So schön is es da oben?« fragte sie endlich. Begierig hob sie die Augen zu den großen roten Flecken empor, die sich allmählich silbern ränderten.

      Es wurde immer dunkler. – Plötzlich schrie Line auf.

      »Line, was is?«

      »O da oben!« rief sie und legte schaudernd den Kopf auf das Dach des Kobens. Sie zitterte.

      Deutlich hatte sie den alten, toten Lotsen geschaut, wie er in seinem roten Schiff über sie hinfuhr. Dabei hatte er »Line« gerufen – ganz deutlich »Line«. Jetzt hob auch der Junge das Haupt. Dann nahm er die Mütze ab und grüßte nach oben.

      »Ich hab' ihn auch gesehn,« flüsterte er dabei.

      Für eine Weile herrschte tiefe Stille zwischen den Kindern. Erst nach einiger Zeit nickte Hann ernsthaft vor sich hin und legte den Zeigefinger an seine plumpe Nase: »Ich hab's mir gleich gedacht,« sprach er, »daß er nun da oben als Schiffer angestellt is. Ich möcht' auch gern einmal in solch schönem roten Schiff fahren.«

      »Möchtest du denn auch schon dahin?« fragte Line frierend vor Furcht und schüttelte die schmalen Schultern.

      »Da kommen alle Menschen hin, die hier unten nicht gesessen haben.«

      »Und die gesessen haben?«

      »Die kommen zum Teufel. – Oll Kusemann hat ihn erst neulich in Stralsund getroffen. Er trug einen Zylinder.«

      »Nein, nein,« zitterte Line und nahm rasch Hanns Hand in die ihre.

      Sie hielt ihn ganz fest.

      Aber nach ein paar Augenblicken sprach Hann nachdenklich weiter: »Das hat der liebe Gott schlecht gemacht.«

      »Was, Hann?«

      Immer näher drängte sie ihre zitternden Glieder an den Jungen heran.

      »Daß er nicht gleich lauter Seelen gemacht hat. Dann brauchte man nicht erst in solch engen, schwarzen Kasten, und die Begräbniskosten wären auch nicht da – und man hätte gleich eine Anstellung in so einem feinen, roten Schiff.«

      In diesem Moment ging ein Windstoß durch die Bäume. Altes Laub flog den Kindern um die Ohren, und eine der Kühe nebenan stieß ein wehklagendes Brüllen aus.

      Da durchdrang das kleine Mädchen ein überwältigender Schrecken. Heftig, wie sie war, glaubte sie, Hann wäre an allem schuld. Und während sie ihn mit aller Kraft in den Arm kniff, so daß er einen heiseren Schmerzensruf ausstoßen mußte, schrie sie wild auf: »Du Dummerjahn – bloß

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