Inselwelt. Zweiter Band. Australische Skizzen.. Gerstäcker Friedrich

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Inselwelt. Zweiter Band. Australische Skizzen. - Gerstäcker Friedrich

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sagte der Buschrähndscher, während er sich ruhig an den Tisch setzte, ein Stück von dem frischen Damper abschnitt und sich den Teller herüberzog, auf dem noch einige Scheiben kaltes Hammelfleisch lagen. »Ihr habt doch nicht heute schon das Brod hinausgeschafft?«

      »Gewiß hab' ich,« sagte der Hutkeeper. »Es liegt an der Stelle, die Ihr mir gestern angegeben, und Fleisch dazu und ein Becher Thee.«

      »Hm,« meinte der Buschrähndscher, mit vollen Backen dabei kauend – »das mit dem Thee ist unbequem. Da, füllt mir einmal das kleine Säckchen mit trockenem Thee – einen Becher hab' ich selbst, und will ihn mir dann lieber draußen kochen. Hier ist auch ein Beutel für Zucker, bin gerade jetzt ein wenig knapp mit Provisionen.«

      »Und die Provisionen draußen?« frug Jim Riddle, der unschlüssig die ihm überreichten kleinen Leinwandsäcke in der Hand behielt.

      »Die nehme ich auf dem Rückweg mit,« sagte Mulligan vollkommen kaltblütig, »macht Euch keine Sorge deshalb, Mate, gegessen wird's und ich weiß, Ihr gebt's gern, wenn Ihr auch jetzt ein verdammt albernes Gesicht dazu schneidet. Aber eilt Euch ein wenig, ich habe weder Lust noch Zeit, mich hier eine Stunde zu Euch herzusetzen.«

      Jim wußte wirklich nicht gleich, was er thun sollte. Draußen lagen die Polizeileute auf der Lauer und hier saß der Bursche bei ihm in der Hütte so behaglich und daheim, als ob er der Stations-Eigenthümer wäre und nur eben einmal, auf Besuch, seine Heerden revidiren wolle. Böse durfte er ihn aber auch nicht machen, und wenn er ihm jetzt das Verlangte gab, was that's? ging er doch dann hinaus, sich die anderen Lebensmittel abzuholen, und mußte dann jedenfalls der Polizei in die Hände fallen – nachher bekam er Alles wieder. Zeit war's aber in der That, daß dem frechen Gesellen das Handwerk einmal gelegt würde.

      Der Buschrähndscher blieb indessen nicht ruhig am Tische sitzen, sondern warf immer dann und wann einmal wieder einen Blick hinaus, ob die Luft noch rein sei, beendete aber nichtsdestoweniger in aller Ruhe seine Mahlzeit und erst, als Jim ihm das Verlangte in die Leinwandbeutel gegeben hatte, sagte er:

      »So, dank' Euch Mate, und zum Beweis, daß ich es gut mit Euch meine, noch eine Warnung. Es sind nämlich von drüben eine Anzahl von Spionen herübergekommen, die sich hier um lauter Sachen bekümmern, die sie nichts angehen. Wenn sie hier zu Euch kommen sollten, versteht Ihr mich, so wißt Ihr nicht, daß ich auf der Welt bin. Soll ich Euch deutlicher sagen, was ich meine?«

      »Dank' Euch, das thut's,« entgegnete mürrisch der junge Bursch.

      »Es freut mich, daß Ihr so rasch begreift,« sagte Mulligan. »Ihr seid gefällig gegen mich gewesen, und es wäre mir unangenehm, wenn ich Euch ein Leides thun müßte. Fangen thun sie mich doch nicht, und wenn sie die Insel wieder verlassen haben, sind wir Beide immer noch zusammen.«

      Er war wieder aufgestanden, steckte das Erhaltene ohne Weiteres vorn in sein Buschhemd, nahm seine Muskete auf und trat in die Thür.

      »Merkwürdig schwüle Luft heute,« sagte er, indem er erst nach dem Himmel hinauf und dann auf den Hutkeeper sah. »Ihr seid auch verdammt still heute, Mate. Ich glaube beinahe, Ihr seid krank, denn Ihr seht käseweiß im Gesicht aus.«

      »Ich? – mir fehlt nichts,« erwiderte der Hutkeeper, der um Alles in der Welt den Buschrähndscher nicht mochte merken lassen, was in ihm vorging.

      »Ich will Euch was sagen, Mate,« bemerkte dieser nach einer kleinen Weile, in der er ihn scharf und mißtrauisch beobachtet hatte, »ein kurzer Spaziergang wird Euch gut thun. Wie wär's, wenn Ihr mich ein Stück begleitetet, nur bis dorthin, wo das Essen liegt?«

      »Ich kann die Hütte nicht verlassen,« rief der junge Bursch, unwillkürlich drehte er sich aber nach dem Buschrähndscher um – hatte dieser Verdacht geschöpft?

      John Mulligan fing den Blick auf und fühlte im Nu, daß hier nicht Alles in Ordnung sei. Gewohnt aber, jeder Gefahr kaltblütig zu begegnen, und neu gestärkt von der tüchtigen Mahlzeit, die er gehalten, ließ er sich nichts merken, sondern sagte nur gleichgültig:

      »Ich weiß jetzt wahrhaftig gar nicht mehr, welchen Platz ich Euch für die Provisionen bestimmt hatte. Zeigt mir nur die Stelle; die Verantwortlichkeit, Euere Hütte verlassen zu haben, nehm' ich auf mich.«

      »Ihr habt gut auf Euch nehmen,« brummte Jim.

      »Weshalb ist es Euch denn auf einmal so fatal, mit mir zu gehen, he?« frug da der Buschrähndscher, ihn scharf fixirend.

      »Fatal? – gar nicht,« sagte Jim, anscheinend gleichgültig, denn er durfte den Menschen nicht mißtrauisch machen. »Meinetwegen, wenn Euch ein Gefalle damit geschieht. Aber dann kommt auch, daß ich bald wieder zurück sein kann.«

      »Erwartet Ihr Besuch?«

      »Ja, den Schäfer und seinen Hund,« brummte Jim, »das ist der ganze blutige Besuch, den man hier in der Wildniß erwarten kann.« Und mit den Worten seinen alten Strohhut aufgreifend, schritt er der Thür zu, den Buschrähndscher, wie er es verlangte, zu begleiten.

      Jim hatte dabei aber auch seinen eigenen Plan entworfen. Die Sache war zu einer Krisis gediehen, und in wenigen Minuten wußte der Räuber, daß er von ihm verrathen worden. Jetzt galt es deshalb, ihn unschädlich zu machen, und selber von derber Körperkraft, wenn auch John Mulligan im Einzelkampfe vielleicht nicht gewachsen, wollte er jedenfalls das Seinige dazu beitragen, ihn fest zu bekommen. Dicht neben dem Buschrähndscher schritt er deshalb hin, sobald sie den im Hinterhalte liegenden Polizeileuten nahe genug kämen, ihn zu fassen. So lange, bis er Hülfe bekam, wußte er recht gut, daß er ihn halten konnte. John Mulligan hatte aber einmal Verdacht geschöpft und war nicht so leicht überlistet. Wie sie deshalb ein Stück vom Hause fort sich dem Busche näherten, sagte er.

      »Wißt Ihr was, Mate, geht Ihr voran. Ihr kennt den Weg besser.«

      »Und Ihr mit dem geladenen Gewehre hinterdrein?« entgegnete der Hutkeeper, dem der Vorschlag nicht im Mindesten gefiel.

      »Ich thu' Euch nichts, habt keine Angst,« lachte der Buschrähndscher, aber jetzt schon mit vorsichtig gedämpfter Stimme. »Ihr seid ja mein Freund, versteht Ihr, und bis ich nicht Beweise vom Gegentheil erhalte, habt Ihr nichts zu fürchten. – Nun? – wird's bald?«

      Jim Riddle mochte sich nicht widersetzen, denn sie waren noch zu weit von Hülfe entfernt. Mürrisch steckte er deshalb die Hände in die Taschen und schlenderte voraus. Aufmerksam aber spähte er dabei überall umher, ob er noch keinen der ausgelegten Posten erkennen könne – sie mußten jetzt in deren Nähe sein.

      John Mulligan gebrauchte indessen ebenfalls seine Augen, denn das ganze Benehmen seines Führers fiel ihm auf. Er konnte aber nirgends etwas Verdächtiges oder Außergewöhnliches erkennen – und doch lag einer der Polizisten jetzt kaum etwa funfzig Schritt von ihm entfernt auf dem Bauche, horchte den nahenden Schritten und wunderte sich, wer in aller Welt von der Richtung her zu ihnen kommen könne.

      Jim Riddle sah jetzt den umgestürzten Gumbaum, an dessen Wurzel er den Anführer der Polizei versteckt wußte. Weiter durfte er nicht vor dem geladenen Gewehre des gefährlichen Burschen an die Fremden herangehen, denn wer wußte, ob er ihn nicht gerade aus Wuth und Rache am allerersten niedergeschossen hätte. Er blieb stehen und sich halb trotzig, halb mürrisch gegen den Buschrähndscher wendend, sagte er:

      »Da, dort drüben ist der Platz; jetzt könnt Ihr ihn allein finden; überhaupt denk' ich, daß Ihr im Busche besser Bescheid wißt, wie ich.«

      »Das könnte sein, mein Bursche,« flüsterte der Buschrähndscher, die Worte aber, die er sprach, selber nicht beachtend. Sein Blick hing an einem Gumbusche, der so nicht gewachsen war, wie er da halb umgefallen stand,

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