Hamburgische Dramaturgie. Gotthold Ephraim Lessing

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Hamburgische Dramaturgie - Gotthold Ephraim Lessing

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enthuellt, worin sich List verspinnt,

          Und den Tyrannen sagt, dass sie Tyrannen sind;

          Die, ohne Menschenfurcht, vor Thronen nicht erbloedet,

          Und mit des Donners Stimm' ans Herz der Fuersten redet;

          Gekroente Moerder schreckt, den Ehrgeiz nuechtern macht,

          Den Heuchler zuechtiget und Toren klueger lacht;

          Sie, die zum Unterricht die Toten laesst erscheinen,

          Die grosse Kunst, mit der wir lachen, oder weinen.

          Sie fand in Griechenland Schutz, Lieb' und Lehrbegier;

          In Rom, in Gallien, in Albion, und—hier.

          Ihr, Freunde, habt hier oft, wenn ihre Traenen flossen,

          Mit edler Weichlichkeit die euren mit vergossen;

          Habt redlich euren Schmerz mit ihrem Schmerz vereint

          Und ihr aus voller Brust den Beifall zugeweint:

          Wie sie gehasst, geliebt, gehoffet und gescheuet

          Und eurer Menschlichkeit im Leiden euch erfreuet.

          Lang hat sie sich umsonst nach Buehnen umgesehn:

          In Hamburg fand sie Schutz: hier sei denn ihr Athen!

          Hier, in dem Schoss der Ruh', im Schutze weiser Goenner,

          Gemutiget durch Lob, vollendet durch den Kenner;

          Hier reifet—ja ich wuensch', ich hoff', ich weissag' es!—

          Ein zweiter Roscius, ein zweiter Sophokles,

          Der Graeciens Kothurn Germanien erneute:

          Und ein Teil dieses Ruhms, ihr Goenner, wird der eure.

          O seid desselben wert! Bleibt eurer Guete gleich,

          Und denkt, o denkt daran, ganz Deutschland sieht auf euch!

Epilog(Gesprochen von Madame Hensel)

          Seht hier! so standhaft stirbt der ueberzeugte Christ!

          So lieblos hasset der, dem Irrtum nuetzlich ist,

          Der Barbarei bedarf, damit er seine Sache,

          Sein Ansehn, seinen Traum zu Lehren Gottes mache.

          Der Geist des Irrtums war Verfolgung und Gewalt,

          Wo Blindheit fuer Verdienst, und Furcht fuer Andacht galt.

          So konnt' er sein Gespinst von Luegen mit den Blitzen

          Der Majestaet, mit Gift, mit Meuchelmord beschuetzen.

          Wo Ueberzeugung fehlt, macht Furcht den Mangel gut:

          Die Wahrheit ueberfuehrt, der Irrtum fodert Blut.

          Verfolgen muss man die und mit dem Schwert bekehren,

          Die anders Glaubens sind, als die Ismenors lehren.

          Und mancher Aladin sieht staatsklug oder schwach

          Dem schwarzen Blutgericht der heil'gen Moerder nach

          Und muss mit seinem Schwert den, welchen Traeumer hassen,

          Den Freund, den Maertyrer der Wahrheit wuergen lassen.

          Abscheulichs Meisterstueck der Herrschsucht und der List,

          Wofuer kein Name hart, kein Schimpfwort lieblos ist!

          O Lehre, die erlaubt, die Gottheit selbst missbrauchen,

          In ein unschuldig Herz des Hasses Dolch zu tauchen,

          Dich, die ihr Blutpanier oft ueber Leichen trug,

          Dich, Greuel, zu verschmaehn, wer leiht mir einen Fluch!

          Ihr Freund', in deren Brust der Menschheit edle Stimme

          Laut fuer die Heldin sprach, als sie dem Priestergrimme

          Ein schuldlos Opfer ward und fuer die Wahrheit sank:

          Habt Dank fuer dies Gefuehl, fuer jede Traene Dank!

          Wer irrt, verdient nicht Zucht des Hasses oder Spottes:

          Was Menschen hassen lehrt, ist keine Lehre Gottes!

          Ach! liebt die Irrenden, die ohne Bosheit blind,

          Zwar schwaechere vielleicht, doch immer Menschen sind.

          Belehret, duldet sie; und zwingt nicht die zu Traenen,

          Die sonst kein Vorwurf trifft, als dass sie anders waehnen!

          Rechtschaffen ist der Mann, den, seinem Glauben treu,

          Nichts zur Verstellung zwingt, zu boeser Heuchelei;

          Der fuer die Wahrheit glueht und, nie durch Furcht gezuegelt,

          Sie freudig, wie Olint, mit seinem Blut versiegelt.

          Solch Beispiel, edle Freund', ist eures Beifalls wert:

          O wohl uns! haetten wir, was Cronegk schoen gelehrt,

          Gedanken, die ihn selbst so sehr veredelt haben,

          Durch unsre Vorstellung tief in eur Herz gegraben!

          Des Dichters Leben war schoen, wie sein Nachruhm ist;

          Er war, und—o verzeiht die Traen'!—und starb, ein Christ.

          Liess sein vortrefflich Herz der Nachwelt in Gedichten,

          Um sie—was kann man mehr?—noch tot zu unterrichten.

          Versaget, hat euch itzt Sophronia geruehrt,

          Denn seiner Asche nicht, was ihr mit Recht gebuehrt,

          Den Seufzer, dass er starb, den Dank fuer seine Lehre,

          Und—ach! den traurigen Tribut von einer Zaehre.

          Uns aber, edle Freund', ermuntre Guetigkeit;

          Und haetten wir gefehlt, so tadelt; doch verzeiht.

          Verzeihung mutiget zu edelerm Erkuehnen,

          Und feiner Tadel lehrt das hoechste Lob verdienen.

          Bedenkt, dass unter uns die Kunst nur kaum beginnt,

          In welcher tausend Quins fuer einen Garrick sind;

          Erwartet nicht zu viel, damit wir immer steigen,

          Und—doch nur euch gebuehrt zu richten, uns zu schweigen.

      Siebentes Stueck Den 22. Mai 1767

      Der Prolog zeiget das Schauspiel in seiner hoechsten Wuerde, indem er es als das Supplement der Gesetze betrachten laesst. Es gibt Dinge in dem sittlichen Betragen des Menschen, welche, in Ansehung ihres unmittelbaren Einflusses auf das Wohl der Gesellschaft, zu unbetraechtlich und in sich selbst zu veraenderlich sind, als dass sie wert oder faehig waeren, unter der eigentlichen Aufsicht des Gesetzes zu stehen. Es gibt wiederum andere, gegen die alle Kraft der Legislation zu kurz faellt; die in ihren Triebfedern so unbegreiflich, in sich selbst so ungeheuer, in ihren Folgen so unermesslich sind, dass sie entweder der Ahndung der Gesetze ganz entgehen oder doch unmoeglich nach Verdienst geahndet werden koennen. Ich will es nicht unternehmen, auf die erstern, als auf Gattungen des Laecherlichen, die Komoedie; und auf die andern, als auf ausserordentliche Erscheinungen in dem Reiche der Sitten, welche die Vernunft in Erstaunen und das Herz in Tumult setzen, die Tragoedie einzuschraenken.

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