Das Eulenhaus. Eugenie Marlitt

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Das Eulenhaus - Eugenie Marlitt

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auf den ersten besten Protzentisch kommt«, entgegnete die Dame achselzuckend. »Aber wäre es nicht zuerst an dir gewesen, Klaudine, das Silberzeug eben um deiner Großmama willen zu retten? Wenn ich nicht irre, hat sie dir ja besonders einige tausend Taler vermacht.«

      »Ja, einen Notpfennig, wie es im Testament steht. Meine praktische Großmama wäre die erste, die mir zürnte, wenn ich das Vermächtnis geopfert und Silber, aber kein Brot im Schranke hätte!«

      »Kein Brot? Du, Klaudine, du, die stolze, verwöhnte Hofdame?«

      »War ich je stolz?« Sie schüttelte hold lächelnd den Kopf. »Und verwöhnt? Nun ja, das will ich glauben! Am Hofe lernt man nicht arbeiten.«

      »Das hast du schon vorher gekonnt, Klaudine«, fuhr die Dame heraus. »Das heißt —« suchte sie sich hastig zu verbessern, aber es kam kein Nachsatz.

      »Sprich nur weiter, du hast ja recht«, sagte Klaudine gelassen. »Die Art Arbeit, die du meinst, lernt man auch im Institut nicht. Aber ich will es nunmehr versuchen, ich will Hausfrau werden in meinem alten Eulenhaus.«

      »Du willst doch nicht sagen —«

      »Daß ich bei Joachim bleiben werde! Allerdings. Braucht er nicht jetzt doppelt Liebe und schwesterliche Hingebung?« Sie schmiegte sich fester an den Bruder und sah zärtlich zu ihm auf.

      In das bläßliche Gesicht der Dame schoß eine dunkle Blutwelle. Sie bückte sich rasch zu der kleinen Elisabeth hinab und wollte ihr die Wange streicheln, aber das Kind sah sie finster und mißtrauisch von der Seite an. »Geh fort, du —« wehrte es die Liebkosung ab.

      Herr von Gerold fuhr unwillig empor.

      »Ach, lassen Sie doch das kleine Ding! Ich bin es gewöhnt, daß die Kinder mich nicht mögen«, sagte die Dame mit einem harten Auflachen und streckte die Hand schützend über das blonde Köpfchen hin. »Aber was ich sagen wollte —« wandte sie sich wieder zu Klaudine. »Du wirst anfangs schweres Lehrgeld geben müssen, man braucht nur deine Hände anzusehen. Das wird elegante Toiletten genug kosten, ehe du es lernst, in der hausleinenen Schürze an den Herd zu treten und ein richtiges Essen herzustellen, das heißt —« suchte sie sich abermals zu verbessern, während ihr Blick scheu die niedergeschlagenen Augen der schönen Hofdame streifte. »Pardon, Kind! Ich mein’ es ja nicht böse, ich wollte dir nur für die erste Zeit eines meiner Mädchen anbieten. Meine Leute sind gut geschult.«

      »Das ist bekannt. Ihr Ruhm als Hausfrau ist längst über das Weichbild der Geroldshöfe hinausgedrungen«, fiel Herr von Gerold nicht ohne Sarkasmus ein. »Aber wir müssen danken. Sie werden sich selbst sagen, daß wir keine Dienerschaft mehr halten können. Wie auch meine Schwester die schwierige Aufgabe anfassen wird, ich bin zufrieden und unaussprechlich dankbar. Sie ist und bleibt mein guter Engel, auch wenn ihr anfangs das >richtige Essen< mißglücken sollte.«

      Er lüftete mit einer vornehmen Verbeugung den Hut und stieg mit den Seinen die Treppe hinab. Die Dame folgte stillschweigend, denn auch ihr Wagen stand ja drunten vor dem Tor des Gutshauses.

      Mittlerweile hatte Friedrich, der alte Kutscher, den Koffer hinuntergetragen, und jetzt kam er, die Korbwanne mit dem Spielzeug auf den Armen, an den Hinabsteigenden vorüber. Das kleine Mädchen horchte besorgt auf das Porzellangeklirr im Korbe und reckte sich auf, um einen Einblick in ihre Besitztümer zu gewinnen, und da war in der Tat ein vorwitziger Puppenliebling eben im Begriff, über den Korbrand zu spazieren. Fräulein Beate griff über den Kopf der Kleinen hinweg schleunigst nach der Ausreißerin.

      »Tu meinem Lenchen nichts mit deinen großen Händen!« schrie das Kind in demselben Augenblicke auf und zerrte die Dame am Rocke.

      »Ach, das arme Würmchen, hast du es auch schon in der höfischen Zucht?« lachte Fräulein Beate kurz auf, als Klaudine die Hand erschrocken auf den Mund des Kindes legte. »Warum soll es denn die Wahrheit nicht sagen? Meine Hände sind ja groß und Komplimente werden sie nicht kleiner machen. Und ihr Ungeschick in allen zarten Dingen mag man ihnen auch auf den ersten Blick ansehen. Das kleine Ding protestiert dagegen, wie alle unsere Pensionsschwestern. Du mußt’s ja noch wissen, Klaudine!«

      Mit einer linkischen Verbeugung schritt sie die letzten Treppenstufen hinab nach dem Portal und winkte ihren Wagen herbei.

      Die Gestalt, wie sie so unter dem Torbogen stand, war schön und kraftvoll gebaut, aber sie hatte eckige Bewegungen, und das luftgebräunte Gesicht unter den glatt und streng aus der Stirn gestrichenen Haaren milderte den unliebenswürdigen Eindruck der Erscheinung durchaus nicht.

      Herr von Gerold fuhr scheu zurück, als er aus dem Tor trat. Er wäre wohl am liebsten in den dunkelsten Winkel des Hausflurs geflüchtet, Menschentrubel war ihm verhaßt, und hier auf dem freien Platze vor dem Hause war ein Durcheinander wie auf dem Jahrmarkt. Da wurden die Plüschmöbel seines Salons auf einen Leiterwagen verladen, dort schleppten Frauen ganze Lasten Federbetten herbei, Küchengerät polterte und klirrte beim Verpacken, und dabei gingen noch einmal die gezahlten Preise von Mund zu Mund, unter Lachen und Fluchen, je nachdem man gekauft hatte.

      Zum Glück hielt der Mietwagen, in welchem Klaudine gekommen war, in der Nähe des Haustores. Man stieg rasch ein. Friedrich stellte die Korbwanne mit dem Spielzeug auf den Vordersitz, dann drückte er mit einem betrübten Abschiedsblick den Schlag zu, und fort brauste der Wagen, vorüber an all dem trauten Hab und Gut des Hauses, auf welches jetzt der freie, blaue Frühlingshimmel niederschien, vorbei an den leergewordenen Remisen und Ställen, an aufblühenden Teppichbeeten, an den Springbrunnen und den weiten Rasenflächen des Obstgartens, auf welchen noch der weiße Reif abgeschüttelter Blütenpracht lag. Dann streckte sich die helle Landstraße vor ihnen hin, rechts und links noch besäumt von den Gutsfeldern und Wiesen, bis der Wald seinen Schatten über sie warf. Vorher aber zweigte nach links ein breiter Fahrweg ab, und dort fuhr die in der Sonne blitzende elegante Kutsche hin, in welcher Fräulein Beate von Gerold heimwärts fuhr.

      »Mußte auch die noch deinen Leidensweg kreuzen!« sagte Herr von Gerold zu seiner Schwester mit einem unmutigen Blick nach dem dahinbrausenden Wagen.

      »Sie hat mir nicht weh getan, Joachim. Ich kenne sie besser und habe nicht das Vorurteil gegen sie, wie die meisten anderen Menschen«, entgegnete Klaudine. »Beate ist verletzend derb und scheinbar schonungslos anderen gegenüber nur aus – Verlegenheit —«

      »Mohrenwäsche, Kind! Die hilft dir nichts! Sie ist nicht gut, diese Beate, sie hat weder Herz, noch den Geist, den ich in der Frau anbete, den Seelenliebreiz, der unbewußt von meiner armen Dolores ausströmte und mit welchem du mich Schuldigen auch heute wieder umstrickst. Nicht ein Atom davon lebt in diesem – barbarischen Frauenzimmer.«

      Der helle Sonnenschirm des »barbarischen Frauenzimmers« tauchte eben noch einmal auf zwischen den Vogelbeerbäumen des Weges, dann verschwand er hinter den Buchen, den Vortruppen des schmalen Gehölzstreifens, mit welchem das Gebiet des Geroldshofes abschloß.

      Jenseits dieses Laubwaldes, weit drüben am Berge, lag auch ein Herrenhaus, ein schmuckloser Bau neueren Stils, mit hellgetünchten Mauern und weißen Rolläden. Da sprangen keine Fontänen, und von Blumenbeeten war auch nicht viel zu sehen. Dafür aber hatte das Besitztum einen Baumschmuck, der seinesgleichen suchte. Wahre Riesen alter Linden spannen um Mauern und Höfe ein heimlich grünes Dämmern, nur die Vorderfront des Wohnhauses blieb unbeschattet, und um das schöne Taubenhaus inmitten des breit hingelagerten Rasengrundes vor dem Hause spielten ungehindert Maienlüfte und die Goldlichter der Sonne.

      Diese Besitzung war auch ein Geroldshof, das Rittergut der Herren von Gerold-Neuhaus.

      Vor alten Zeiten waren die liegenden Gründe des weiten Paulinentales und die von da bergauf kletternden mächtigen Waldungen in einer Hand vereint gewesen. Die Gerold von Altenstein hatten unumschränkt

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