Tonka. Robert Musil

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Tonka - Robert Musil

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Träumen aufgetaucht. Vielleicht hatte es sich nie als ein einzelnes Lächeln ereignet;

      49 das war selbst jetzt nicht sicher. Und dann gibt es auch Brautnächte, wo man nicht ganz sicher sein kann, sozusagen physiologische Zweideutigkeiten, wo selbst die Natur nicht ganz klar Aufschluß gibt, und im gleichen Augenblick, wo das wieder vor der Erinnerung stand, wußte er: auch der Himmel war gegen Tonka.

      Kapitel 2

      Es war leichtsinnig von ihm gewesen, Tonka als Pflegerin und Gesellschaft zu seiner Großmutter zu bringen. Er war noch sehr jung und hatte eine kleine List eingefädelt; die Schwägerin seiner Mutter kannte Tonkas Tante, die in »gute Häuser« weißnähen kam, und er hatte gestiftet, daß man sie frug, ob sie nicht ein junges Mädchen wüßte, und so. Das junge Mädchen sollte bei der Großmutter bleiben, deren Erlösung man in zwei bis drei Jahren erwartete, und außer dem Lohn dann im Vermächtnis bedacht werden.

      Aber inzwischen waren nun einige kleine Erlebnisse einander gefolgt. Zum Beispiel, er ging einmal mit ihr, etwas zu besorgen; auf der Straße spielten Kinder, und sie sahen beide plötzlich einem heulenden kleinen Mädchen in ein Gesicht, das sich wie ein Wurm nach allen Seiten krümmte und prall von der Sonne beschienen war. Ihm erschien da die unbarmherzige Deutlichkeit, mit der das im Licht stand, als ein ähnliches Beispiel des Lebens wie der Tod, aus dessen Umkreis sie kamen. Tonka aber »hatte« nur »Kinder gern«; sie beugte sich scherzend und tröstend zu der Kleinen, fand den Anblick vielleicht drollig, und das war das letzte, so sehr er sich auch bemühte, ihr zu zeigen, daß dieser Anblick dahinter noch etwas anderes war. Von wie vielen Seiten er auch kam, er stand zuletzt immer vor der gleichen Undurchsichtigkeit in ihrem Geiste; Tonka war nicht dumm, aber etwas schien sie zu hindern, klug zu sein, und zum erstenmal empfand er dieses weit ausgedehnte Mitleid mit ihr, das so schwer zu begründen war.

      Ein andermal fragte er sie: »Wie lange sind Sie nun eigentlich schon bei Großmama, Fräulein?« Und als sie geantwortet hatte, sagte er: »So? Eine lange Zeit, wenn man sie neben einer Greisin zubringen muß.«

      »Oh!« machte Tonka. »Ich bin gern da.«

      »Nun, mir können Sie ruhig das Gegenteil sagen. Ich kann mir nicht vorstellen, wie sich ein junges Mädchen dabei wohlfühlen soll.«

      »Man tut seine Arbeit«, antwortete Tonka und wurde rot.

      »Tut seine Arbeit, schön, aber man will doch auch anderes vom Leben?«

      »Ja.«

      »Und haben Sie das denn?«

      »Nein.«

      »Ja – nein, ja – nein« – er wurde ungeduldig – »was soll das heißen? Schimpfen Sie wenigstens auf uns!« Aber er sah, daß sie mit Antworten kämpfte, die sie immer wieder im letzten Augenblick von den Lippen verwarf, und sie tat ihm plötzlich leid. »Sie werden mich wohl kaum verstehen, Fräulein, ich denke nicht schlecht von meiner Großmutter, das ist es nicht; sie ist auch eine arme Frau, aber ich denke jetzt nicht von dieser Seite: das ist meine Art. Ich denke von Ihrer Seite, und da ist sie ein Klumpen Scheußlichkeit. Verstehen Sie mich jetzt?«

      »Ja,« sagte das Fräulein leise und wurde über und über rot. »Ich habe Sie auch schon früher verstanden. Aber ich kann's nicht sagen.«

      Da lachte er nun. »Das ist etwas, das mir noch nie widerfahren ist: etwas nicht sagen können! Aber jetzt will ich erst recht wissen, was Sie antworten möchten, ich werde Ihnen helfen.« Er wandte sich so völlig zu ihr, daß sie noch mehr verlegen wurde. »Also fangen wir an: Macht Ihnen die ruhige, gleichmäßige Pflicht, das geregelte Taugaustagein vielleicht Vergnügen? Ist es das?«

      »Oh, nun, ich weiß nicht, wie Sie das meinen; ich habe meine Arbeit ganz gern.«

      »Ganz gern, schön. Aber Bedürfnis: nicht gerade? Es gibt ja Leute, die gar nichts anderes wollen als Tagwerk.«

      »Wie meinen Sie das?«

      »Wünsche, Träume, Ehrgeiz meine ich; läßt Sie ein Tag wie heute unberührt?«

      Es war zwischen den Mauern der Stadt ein Tag voll Zittern und Frühlingshonig.

      Da lachte das Fräulein: »Nein. Aber das ist es doch nicht.«

      »Ist es nicht? Nun, dann haben Sie vielleicht eine Vorliebe für halbfinstere Zimmer, das leise Sprechen, der Geruch von Medizinflaschen und dergleichen? Es gibt auch solche Leute, Fräulein, aber ich sehe schon an Ihrem Gesicht, daß ich es wieder nicht getroffen habe.«

      Fräulein Tonka schüttelte den Kopf und zog die Mundwinkel etwas abwärts – in schüchternem Spott oder auch nur aus Verlegenheit. Aber nun ließ er ihr keine Ruhe. »Sehen Sie, wie ich irre, wie lächerlich ich mich vor Ihnen mache mit meinen verfehlten Überlegungen: gibt Ihnen das nicht Mut? Also! –?«

      Und nun kam es auch endlich heraus. Langsam. Stockend. Die Worte verbessernd, als ob man etwas sehr schwer zu Verstehendes begreiflich machen müßte:

      »Ich mußte mir doch etwas verdienen.«

      Ach, dieses Einfachste!

      Welch feiner Esel war er und welche steinere Ewigkeit lag in dieser so gewöhnlichen Antwort.

      Wieder ein andermal war er mit Tonka heimlich spazierengegangen; sie machten Ausflüge an dem freien Tag, den sie zweimal im Monat hatte; es war Sommer. Als der Abend kam, fühlte man die Luft gerade so warm wie das Gesicht und die Hände, und wenn man im Gehen die Augen schloß, glaubte man sich aufzulösen und ohne Grenzen zu schweben. Er beschrieb es Tonka, und da sie lachte, fragte er sie, ob sie es verstünde.

      Oh, ja.

      Aber da er mißtrauisch war, wollte er, daß sie es ihm mit eigenen Worten beschreibe; und das vermochte sie nicht.

      Dann verstehe sie es auch nicht.

      O doch – und plötzlich –: man müßte singen.

      Nur das nicht! Doch! So zankten sie hin und her. Und schließlich begannen sie zu singen, wie man ein Corpus delicti auf den Tisch legt oder einen Lokalaugenschein vornimmt. Herzlich schlecht und aus einer Operette, aber zum Glück sang Tonka leise, und er freute sich über dieses kleine Zeichen von Takt. Sicherlich, sagte er sich, war sie bloß einmal im Leben im Theater, und seither ist diese elende Musik für sie Inbegriff der Vergoldung des Daseins. Aber sie hatte sogar diese paar Melodien nur von ihren früheren Freundinnen aus dem Geschäft gehört.

      Ob sie ihr denn wirklich gefielen? Es ärgerte ihn, wenn sie durch irgend etwas noch mit dem Geschäft zusammenhing.

      Sie wußte nicht, was es war, und ob diese Musik schön sei oder dumm; bloß den Wunsch weckte sie in ihr, selbst einmal auf demTheater zu stehen und mit ganzer Kraft die Leute glücklich oder unglücklich zu machen. Das war nun vollends lächerlich, wenn man die gute Tonka dabei ansah, und er wurde so unlustig, daß sein Singen rasch zu einem Brummen absank. Da brach Tonka jäh ab; auch sie schien es zu fühlen, und sie gingen eine Weile schweigend nebeneinander her, bis Tonka stehen blieb und sagte: »Das ist es gar nicht, was ich mit dem Singen meinte.« Und da in seinen Augen ein kleines Zeichen der Güte antwortete, begann sie abermals leise zu singen, aber diesmal waren es Volkslieder ihrer Heimat. Sie schritten dahin, und diese einfachen Weisen machten so traurig wie Kohlweißlinge im Sonnenschein. Und da hatte nun mit einemmal natürlich Tonka recht.

      Nun war er es, der nicht ausdrücken konnte, was mit ihm geschah, und Tonka, weil sie die gewöhnliche Sprache nicht sprach, sondern irgend eine Sprache des Ganzen, hatte leiden müssen, daß man

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