Zur Selbstprufung der Gegenwart empfohlen. Soren Kierkegaard

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Zur Selbstprufung der Gegenwart empfohlen - Soren Kierkegaard

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Amtes mehr zu fühlen, sich ernster auf ihre Aufgabe zu besinnen und der Erfüllung derselben nachzutrachten.

      Wolle der Herr auch deutschen Lesern diese Blätter zum Segen gereichen lassen!

      Vorwort

      Mein lieber Leser! lies, wo möglich, laut! Thust Du es, laß mich Dir dafür danken; thust Du es nicht nur selbst, sondern bewegst auch andere dazu, laß mich jedem von ihnen danken, und Dir noch einmal und abermal! Du wirst, wenn Du laut liesest, am stärksten den Eindruck bekommen, daß Du es einzig mit Dir selbst zu thun hast, nicht mit mir, der ja »ohne Gewalt« ist, auch, nicht mit andern, was Zerstreuung sein würde.

August 1851.S. K.*

      »Dieweil wir denn wissen, daß der Herr zu fürchten ist, fahren wir schön mit den Leuten« (2 Kor. 5, 11). Denn gleich damit anzufangen oder zuerst, Menschen gewinnen zu wollen, das ist vielleicht sogar Gottlosigkeit, jedenfalls weltliche Sinnesart, nicht Christentum, so wenig wie es Furcht Gottes ist. Nein, laß Dein Streben zuerst, laß es zuerst und vor allem ausdrücken daß Du Gott fürchtest. – Danach habe ich, gestrebt.

      Aber Du, o Gott, laß mich nie vergessen, daß, ob ich auch nicht einen einzigen Menschen gewönne – wenn nur mein Leben (denn die »Versicherung« des Mundes ist trügerisch!) ausdrückt, daß ich Dich fürchte: dies heißt: »Alles gewonnen!« Und daß dagegen, ob ich alle Menschen gewönne – wenn mein Leben (denn die »Versicherung« des Mundes ist trügerisch!) nicht ausdrückt, daß ich Dich fürchte: dies heißt: »Alles verloren!«

Im Sommer 1851.

      Eine Vorbemerkung

      Es gibt ein Wort, welches mir öfter in den Sinn gekommen ist, das Wort eines Mannes, dem ich zwar in Rücksicht auf das Christentum gewiß nichts zu verdanken habe – es war ja ein Heide – dem ich aber doch persönlich sehr viel zu verdanken glaube; eines Mannes, der auch unter Verhältnissen lebte, die, nach meinem Dafürhalten, ganz den Verhältnissen unserer Zeit entsprachen: ich meine den einfältigen Weisen des Altertums. Von ihm wird erzählt, daß, als er vor dem Volke angeklagt war, ein Redner zu ihm kam, der ihm eine sorgfältig ausgearbeitete Verteidigungsrede überreichte mit der Bitte, davon Gebrauch zu machen. Der einfältige Weise nahm und las sie. Darauf gab er sie dem Redner zurück und sagte: das ist eine hübsche und gut ausgearbeitete Rede; also nicht weil die Rede verfehlt, weil sie schlecht gewesen wäre, gab er sie zurück; aber fuhr er fort, ich bin nun siebzig Jahre alt geworden, so dünkt mich, es zieme sich nicht für mich, von der Kunst eines Redners Gebrauch zu machen. Was meinte er? Er meinte erstens: mein Leben ist zu ernst, als daß ihm damit gedient sein könnte, von der Kunst eines Redners unterstützt zu werden; ich habe ein Leben daran gesetzt; auch wenn ich nicht zum Tode verurteilt werde, habe ich doch ein Leben daran gesetzt, und im Dienste des Gottes habe ich meinen Auftrag ausgerichtet: laß mich denn nun nicht im letzten Augenblick den Eindruck meiner selbst und meines Lebens mit Hilfe von Kunstrednern oder Rednerkünsten zu nichte machen. Demnächst meinte er: die Gedanken, Vorstellungen, Begriffe, die ich nun zwanzig Jahre lang, denn so lange war es, von jedem gekannt, von euren Lustspieldichtern lächerlich gemacht, für einen Sonderling angesehen, von »Namenlosen« angegriffen, in der Unterredung mit dem ersten besten auf dem Markte entwickelt habe – diese Gedanken sind mein Leben, haben mich früh und spät beschäftigt; haben sie niemand anders beschäftigt, mich haben sie unendlich beschäftigt; und wenn ich, was eure besondere Aufmerksamkeit auf sich gezogen hat, mitunter einen ganzen Tag habe stehen und vor mich hinstarren können, so waren es diese Gedanken, die mich beschäftigten: so denke ich denn auch, daß ich ohne Hilfe von Kunstrednern und Rednerkünsten, falls ich überhaupt am Gerichtstage etwas zu sagen gedenke, ein paar Worte werde sprechen können; denn der Umstand, daß ich mutmaßlich zum Tode verurteilt werde, thut nichts zur Sache; was ich sage, wird natürlich dasselbe sein und über dasselbe und auf dieselbe Weise werde ich reden, wie bisher, und so wie ich eben gestern mit einem Gerber auf dem Markte sprach; die paar Worte denke ich wohl ohne Vorbereitung oder den Beistand anderer sprechen zu können. Es versteht sich, daß ich nicht ganz unvorbereitet bin; ich habe mich zwanzig Jahre lang vorbereitet, und ganz ohne Beistand bin ich auch nicht, da ich auf den Beistand des Gottes rechne. Aber, wie gesagt, die paar Worte … ja, ich läugne nicht, es kann auch weitläufiger werden; wenn ich noch zwanzig Jahre zu leben hätte, würde ich fortfahren können, über dasselbe zu reden, worüber ich beständig geredet habe; aber Kunstredner und Rednerkünste sind nichts für mich. – O Du Ernster! Verkannt mußtest Du den Giftbecher leeren! Du wurdest nicht verstanden. So starbst Du denn. Mehr als zweitausend Jahre bist Du bewundert worden; »aber ob ich wohl verstanden bin?« es ist wahr!

      Und nun predigen! Sollte das nicht auch so ernst sein! Wer predigen will, soll in den christlichen Gedanken und Vorstellungen leben, sie sollen sein tägliches Leben sein – wenn dem so ist, so wirst Du, nach der Meinung des Christentums, Beredsamkeit genug haben, und gerade die Beredsamkeit, die erfordert wird, um frischweg und ohne besondere Vorbereitung zu reden. Unwahre Beredsamkeit ist es dagegen, wenn jemand, ohne sich im übrigen mit diesen Gedanken zu beschäftigen, ohne darin zu leben, sich mitunter einmal erst hinsetzt und mühsam solche Gedanken, vielleicht auf dem Felde der Litteratur, sammelt, und sie darauf zu einer wohl durchdachten Rede verarbeitet, die dann vortrefflich auswendig gelernt und vortrefflich gehalten wird, sowohl hinsichtlich der Stimme und des Vortrags, als hinsichtlich der Armbewegungen. Nein, wie man in gut eingerichteten Häusern nicht die Treppen hinunterzusteigen braucht, um Wasser zu holen, sondern es mittels Hochdrucks schon oben hat und bloß den Hahn umdreht, so ist derjenige ein echt christlicher Redner, der, weil das Christliche sein Leben ist, in jedem Augenblick die Beredsamkeit, eben die wahre Beredsamkeit, gegenwärtig, gerade bei der Hand hat; – doch folgt es natürlicherweise von selbst, daß hiermit nicht den Schwätzern der Ehrenplatz angewiesen werden soll, ob es auch noch so gewiß ist, daß sie ohne Vorbereitung schwatzen. Ferner, die Schrift sagt: Ihr sollt allerdinge nicht schwören, eure Rede sei Ja und Nein, was darüber ist, das ist vom Übel: so gibts auch eine Kunst der Beredsamkeit, die vom Übel ist, wenn sie zum Höchsten gemacht wird, da sie das Niedere ist. Denn die Predigt soll nicht entzweiend die Scheidung zwischen den Begabten und den nicht Begabten befestigen, sie soll in des Heiligen Geistes Einigkeit die Aufmerksamkeit einzig und allein darauf lenken, daß gethan werde nach dem Gesagten. Du Einfältiger – und wärest Du auch der von allen Beschränkteste – wenn Dein Leben das Wenige ausdrückt, was Du verstanden hast: Du redest mächtiger, als aller Redner Beredsamkeit! Und Du, o Weib, ob Du auch ganz verstummest in lieblichem Schweigen – wenn Dein Leben ausdrückt, was Du hörtest: Deine Beredsamkeit ist mächtiger, wahrer, überzeugender, als aller Redner Kunst!

      So ist es. Aber laßt uns achtgeben, daß wir nicht zu hoch greifen; denn daraus, daß es wahr ist, folgt noch nicht, daß wir es zu thun vermögen. Und Du, mein Zuhörer, Du wirst bedenken, das das Religiöse, je höher genommen, desto strenger wird; aber daraus folgt nicht, daß Du es tragen kannst; Dir würde es vielleicht sogar zum Ärgernis und zum Verderben gereichen. Vielleicht bedarfst Du gerade diese niedere Form des Religiösen, daß eine gewisse Kunst auf die Darstellung verwandt wird, um es anziehender zu machen. Des streng Religiösen Leben ist wesentlich Handlung – und seine Darstellung ganz anders anpackend und fassend als die sorgfältiger ausgearbeitete Rede. Mein Zuhörer, bist Du dieser Meinung, so nimm dies hin und lies es zu Deiner Erbauung. Nicht wegen meiner Vollkommenheit und nicht wegen Deiner Vollkommenheit ist die Rede so ausgearbeitet, im Gegenteil, dies ist, geistlich verstanden, eine Unvollkommenheit und Schwäche. Ich bekenne, und sogar Dir, meine Schwäche; nicht wahr, da wirst Du auch, – nicht mir, nein, nein, das wird ja gar nicht einmal von Dir verlangt, – aber Dir selber und Gott die Deinige bekennen. Ach, wir, die wir uns doch Christen nennen, wir sind, christlich verstanden, so verweichlicht, so weit davon entfernt, das zu sein, was das Christentum doch von denen fordert, die sich Christen nennen wollen: der Welt abgestorben, – kaum haben wir wohl einmal eine Vorstellung von solchem Ernst; wir können noch nicht des Künstlerischen und seiner mildernden Wirkung entbehren, ihm entsagen, können nicht den wahren Eindruck der Wirklichkeit ertragen: nun, so laßt uns wenigstens aufrichtig sein und dieses bekennen. Versteht jemand vielleicht nicht gleich, was ich hier

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