Erdsegen: Vertrauliche Sonntagsbriefe eines Bauernknechtes. Peter Rosegger

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Erdsegen: Vertrauliche Sonntagsbriefe eines Bauernknechtes - Peter  Rosegger

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respektable Wissenschaft bildet — in allem Ernste. Und eine Kunst noch dazu, denn das muß nicht bloß verstanden, es muß auch ausgeführt werden. Das wird plagen. Wenn der „Volkswirt“ im Zeitungsblatt einen Stiefel sagt, so rührt sich darüber keine Katze und der Schreiber ist ein gelehrter Mann. Wenn aber der Bauer einen Unsinn macht, so fault das Heu in der Scheune, schimmelt das Korn im Sack, verreckt das Rind im Stall. Ja, Bauer, das ist was anderes!

      Nun möchte ich dir aber vom ersten Tage noch etwas erzählen. Da war mir gar so eigentümlich zumute. Als die Hausmutter das Herdfeuer anzündete setzten wir uns auf Bank und Block um den Herd, weil des Aufrechtstehenden Haupt zu hoch in das graue Gewölk des Rauches hineingeragt hätte. Dieser Rauch fließt nur langsam durch einen Wandschuber ab, ins Vorhaus, wo er durch einen Holzschlauch übers Dach hinaus geführt wird. Der Hausvater fettete ein paar derbgebaute Schuhe mit Schweinsschmiere ein. Die Hausmutter schmorte in der Pfanne Kartoffeln und mir war die Aufgabe zugefallen, von einem großen Schwarzbrot Suppenbrocken abzuschnitzeln für das bevorstehende Nachtmahl. Plaudersam waren wir gerade nicht. Mich schützte vor Langeweile nur die Mühe meines Brotbrechens. Die Hausmutter merkte meine Unbeholfenheit und sprach: „Du — du! Wie heißt du denn?“

      „Hans, wenn’s recht wär’.“

      „Du, Hansel, ich sag’ dir was. Deine Brocken werden zu dick! Du kannst es nit recht.“

      Na, gute Nacht, Knecht! Wenn du das Brot nicht einmal aufschneiden kannst, wie wirst es erst verdienen können!

      Rief in der Nebenkammer plötzlich jemand nach der Mutter. Sie ging hinein. Durch die offene Thür sah ich, daß es da drin ganz feierlich war, wie in einer Kapelle. Ein weißgedeckter Tisch, auf dem ein Wasserglas mit brennendem Öllichtlein stand. An der Wandecke Heiligenbilder, kleine bunte böhmische Glasmalereien. Daneben ein hochgeschichtetes Bett, in demselben ein junger Mensch, an dem Kissen lehnend. Auf der blauen Decke hatte er seine rechte Hand liegen. Die war mit Lappen umwunden. Das Gesicht glatt, fein und weiß wie eine italienische Marmorarbeit; aber große, dunkle Augen, an der Oberlippe einen Bartschatten. Zwischen den zuckenden Lippen schimmerten Zähne, das braune Haar üppig, verworren, es wühlte die linke Hand drin. Wie man manchmal schon alles so auf einmal sieht. Ein bildschöner Mensch.

      Der hatte nach der Mutter gerufen. „Ist die Barbel nit da?“ fragte er.

      „Was willst ihr denn, Rocherl?“

      „So viel weh thut’s wieder.“

      „Sei getröstet, Kind,“ sagte die Mutter. „Ich will dir frisches Schusterpech auflegen und nachher wieder gut einbinden.“

      „Dank Euch Gott, Mutter. Aber die Barbel — die, die soll’s thun. Bei der Barbel thut’s nit so weh.“

      „Sie thut halt noch haarkampen draußen in der Hinterstuben.“

      Am Ende, mein Professor, weißt du jetzt nicht, was haarkampen heißt: Gebrochenen Flachs durch die Hechel ziehen, um die Agen abzustreifen. — Endlich weiß ich einmal mehr als du. Das thut wohl!

      Ich bin dann hineingegangen und habe mir die Schußwunde zeigen lassen. Knapp hinter dem Gelenke ein rundes Loch, mit gestocktem Blute verstopft, die Haut ringsum gerötet. Eben war das Pflaster, eine schwarze, zähklebrige Masse, losgelöst worden. Auf meine Frage, ob die Kugel schon entfernt sei, hieß es, das Schusterpech werde sie schon herausziehen.

      Nun kam das Mädel herein. Auch die muß sich an der Thür bücken, so groß ist sie. Aber sie bückt sich nicht oben, sondern unten — ein Knixlein und durch ist sie. Wie Leute nur so schlank und so gerade wachsen mögen, wenn sie sich jeden Tag unzähligemale einschnappen müssen! Im Arm hatte sie Flachsstrehne, die legte sie sorgfältig über eine Stuhllehne; auf dem Kopfe hatte sie einen alten schwammigen Filzhut, den hing sie flink an den Wandnagel.

      „Bist schon brav, Barbel, daß du auf meinen Bräutigamhut schön acht giebst!“ lobte der Hausvater. „Wohl, wohl, in dem Hut hab’ ich deine Mutter in die Kirchen geführt. Selben hat ein sauberer Buschen drauf gesteckt und heut’ sind die Schaben dran. Herentgegen ein frisch Gesichtel darunter, das macht auch einen schäbigen Hut schön. Na halt ja, einen Spaß muß man auch haben.“

      Dieser gemütliche Stolz auf seinen Bräutigamhut und auf seine Tochter stand dem Alten entzückend. Schon deswegen müßte man ihn gern haben. Jetzt besah ich mir aber auch die Barbel.

      Himmelkreuzstern, Doktor, das ist ein Mädel! —

      Hans.

       Inhaltsverzeichnis

      Adamshaus, am sechsten Sonntage.

      Beim Mädel, nicht wahr, bin ich stehen geblieben, das vorige Mal.

      In deinem Speisezimmer hängt ein Bild von ihr. Du nennst sie die „Sixtinische“. Wahrlich, nichts fehlt unserer Barbel dazu, als das Kind. Bei euch drin in der Stadt wäre ein solches Wesen unmöglich. Unmöglich, sage ich dir! Die begehrenden Männeraugen hätten diesen Hauch versengt. Es ist noch der Reif der Traube an ihr. Sie hätten den Schmelz dieser Augen ausgesogen, diese Lippenknospen versehrt, sie hätten diese reine, herbe Seele längst zu einem koketten Damengeistlein gemacht. Obschon das gar nicht möglich zu sein scheint. Ich gönne das Mädel keiner Stadt und keinem Palaste, ich gönne es niemandem, auch dir nicht — auch mir nicht. Ich stehe abseits und betrachte es voller Ehrfurcht, das dumme Ding, das seit drei Wochen kaum dreißig Worte zu mir gesprochen hat. So ernsthaft und verschlossen sein, wenn man so lachend aufgeblüht ist! Nur mit dem Rocherl scherzt und herzt sie, mit dem durchschossenen Bruder. Wenn das Mädel bei ihm ist, thut ihm kein Blei weh in der Hand, da lacht er und schalkt und schaut ihr so treuherzig ins Madonnengesicht, daß ich alle Wand- und Thürfugen preise, obschon manchmal ganz niederträchtig der Wind durchzieht. Ich für meinen Geschmack wüßte keinen feineren Guckkasten.

      Kniet sie gestern vor dem Bette, streichelt seinen verbundenen Arm und sagt voller Zärtlichkeit:

      „Armes Handerl, du! Geh’, sei gescheit und thu’ nit weh! Ich will dir nachher zu Lohn was Schönes schenken.“

      „Wenn das Kügerl nit heraus will!“ meint der Bursche.

      „So soll’s drinnen bleiben. Hat der Mensch so viele Knochen im Leib, wird er wohl auch ein bissel Blei vertragen mögen.“ So spaßet sie.

      „Was halt nit hineingehört, das thut kein gut,“ sagt er traurig.

      „Mußt nit verzagt sein, Rocherl,“ tröstet sie, „immer Eins hat was in sich, was nit dazu gehört. Darf nit verzagen.“

      Ich weiß nicht, alle möglichen Nöte der Menschheit stellt sie ihm manchmal dar, damit er in Hinblick darauf seine eigene Not leichter trage. —

      Nun will ich meine Feder auch auf anderen Feldern spazieren führen, damit dir mein Tagebuch allmählich ein Ganzes liefert. — Am Tage vor Lichtmeß war aus Hoisendorf herauf ein alter Mann gekommen, der hat an der Hausthür einen Spruch aufgesagt, den ich zur Hälfte nicht verstanden, zur andern Hälfte wieder vergessen habe. Ich glaube, von der Muttergottes und den Heiligen hat er gehandelt und die Pointe war — Geld. Der Alte ging nämlich zu den Häusern umher, um Geld zu sammeln für die Altarkerzen in der Hoisendorfer Pfarrkirche, damit dort bei allen Gottesdiensten des Jahres Lichter brennen können. Zuerst ging er also zum Hausvater und hielt ihm ein blau-angestrichenes Trühlein vor, derweilen er etwa folgenden

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