Die ungleichen Schalen: Fünf einaktige Dramen. Jakob Wassermann

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Die ungleichen Schalen: Fünf einaktige Dramen - Jakob Wassermann

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      Fast könnt ich Mitleid haben mit ihm.

      Chidrowo

      So seid ihr alle, lammsherzig und matt.

      Lassunsky

      Acht’ auf deine Worte.

      Chidrowo

      Acht’ du auf deine Freiheit, auf deine Männlichkeit!

      Lassunsky

      Stünden wir nicht hier, Fedor Alexandrowitsch –

      Chidrowo

      (wild)

      Hier oder anderswo. Wer gut von Orlow redet, spricht schlecht von mir.

      (Graf Alexei Rasumowsky tritt langsam von rechts ein. Er ist mit einem langen, schwarzen Sammetgewand bekleidet und hat eine goldne Kette um den Hals. In der Hand trägt er die Kasansche Bibel. Er erscheint zunächst häßlich mit seinem eingefallenen, alten, mißtrauisch finstern Gesicht, an dem die Backenknochen stark hervortreten und die schneeweißen Brauen wie dicke Wülste hängen, indes der Kinnbart schütter und zottig ist. Aber sein Wesen hat eine bewundernswerte Würde, und wenn er, um zu schauen, die Lider hebt, was nicht häufig geschieht, ist sein Blick strahlend rein und von seltsamer, kindlicher Wehmut. Die beiden Offiziere wenden sich von einander und begrüßen ihn mit schweigender tiefer Verbeugung.)

      Rasumowsky

      Streit in meinem Hause? (Langes Schweigen.) Was ist geschehen, Rittmeister Chidrowo, daß Ihre Augen so funkeln?

      Chidrowo

      (finster)

      Üble Neuigkeiten, Erlaucht.

      Rasumowsky

      Nichts Schlimmeres in der Welt als Neuigkeiten. Weshalb sind Sie hier, zu so früher Stunde?

      Chidrowo

      Ich sollte den Großkanzler Woronzow anmelden.

      Lassunsky

      Graf Woronzow ist auf der Fahrt hierher von Soldaten überfallen worden.

      Rasumowsky

      Hat Rußland keinen Zaren mehr?

      Chidrowo

      Es hat eine Zarin.

      Rasumowsky

      Gott schenke ihr Weisheit. (Kopfschüttelnd.) Woronzow auf dem Weg zu mir ... Was hat das zu bedeuten?

      Lassunsky

      Die Zarin hat den Kanzler wegen der neuen Mariage zu Euer Erlaucht geschickt.

      Rasumowsky

      Wegen der neuen Mariage? Bin ich ein Pope?

      Lassunsky

      Der Kanzler sollte eine geheime Erkundigung einziehen.

      Rasumowsky

      (läßt sich auf dem Armsessel vor dem Kamin nieder und legt die Bibel auf seinen Schoß)

      Das gehört auch zu den Neuigkeiten der Welt, daß mit lauter Geheimnissen regiert wird.

      Lassunsky

      Die Sache verhält sich so, Erlaucht: Da ganz Petersburg gegen die projektierte Heirat der Zarin mit Orlow gestimmt ist, so hat man endlich ein Mittel gefunden, um die Geister zu beschwichtigen, man hat auf die Ehe Euer Erlaucht mit der verstorbenen Kaiserin Elisabeth Petrowna hingewiesen.

      Rasumowsky

      Wie? So weit hätte man sich vermessen? Und wem ist dieser schamlose Gedanke gekommen?

      Lassunsky

      Offenbar stammt er von den Brüdern Orlow. Was ihr für unmöglich haltet, sagten sie, ist ja schon einmal geschehen, ohne daß die Welt eingestürzt ist. Graf Rasumowsky ist ja da, gehen wir hin zu ihm.

      Chidrowo

      Die Narren!

      Rasumowsky

      Und was sagte die Kaiserin dazu?

      Lassunsky

      Die Kaiserin soll gesagt haben: von dieser Ehe weiß die Welt nichts, aber wenn ihr mir den schriftlichen Beweis erbringt, daß zwischen dem Grafen Rasumowsky und der hochseligen Zarin eine Heirat wirklich stattgefunden hat, will ich mich fügen.

      Chidrowo

      Das hat die Kaiserin gesagt?

      Lassunsky

      Doch als die Orlows sich anheischig machten, zu Euer Erlaucht zu gehen, wollte die Kaiserin plötzlich nichts davon wissen. Sie gebot, daß Graf Woronzow den Auftrag übernehmen sollte, vielleicht weil sie den Ungestüm der Brüder Orlow fürchtete, vielleicht, weil sie in Wirklichkeit gar nicht wünscht, was sie zu wünschen scheint. Heut um die achte Stunde befahl der Kanzler seinen Wagen, und vor der Kasan-Kathedrale geschah es dann –

      Chidrowo

      (am Fenster, mit ausgestreckter Hand)

      Da sind Orlows Leute! (Stimmen und Waffenlärm vor dem Haus.)

      Rasumowsky

      (steht auf)

      Und du vermutest, daß der Überfall vom Grafen Orlow angestiftet worden ist? (Schaut gegen den Erker.)

      Lassunsky

      Ja, Erlaucht.

      Rasumowsky

      So wäre es augenscheinlich, daß Orlow dem Befehl der Kaiserin zuwidergehandelt hat –? (Man hört heftiges Klopfen am Tor.)

      Chidrowo

      Sie begehren Einlaß.

      Rasumowsky

      (erstaunt)

      Einlaß begehren sie? Das Tor ist offen. War’s denn nicht auch für euch geöffnet?

      Lassunsky

      (zögernd)

      Ich habe die Tore schließen lassen.

      Rasumowsky

      Die Tore meines Hauses?

      Chidrowo

      Ich denke, Erlaucht, man kann nicht mehr daran zweifeln, daß Orlow den Kanzler überfallen ließ, um ihn dingfest zu machen.

      Rasumowsky

      Die

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