Die Geschichten aus dem Wilden Westen: Abenteuerromane, Historische Romane & Erzählungen. Charles Sealsfield

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Die Geschichten aus dem Wilden Westen: Abenteuerromane, Historische Romane & Erzählungen - Charles  Sealsfield

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Ankommenden, was er besitzt, und dann wird die gebrochene Kette des Verbandes wieder geschlossen werden.«

      Der laute achtungsvolle Zuruf, mit dem die Worte des Sprechers aufgenommen wurden, schien eine schmerzliche Wirkung auf ihn hervorzubringen; ohne ein Wort zu erwidern, neigte er sein Haupt auf seine Brust und versank wieder in tiefes Sinnen.

      Die Sonne sank nun in einer Flut von Glorie den westlichen Rücken des Natchez hinab, der breite Gürtel des östlichen schimmerte noch in tausend prachtvollen Tinten. Allmählich schmolzen die gold- und purpurfarbenen Gipfel der Bäume in graues Helldunkel, der silberne Wasserspiegel des grauen Natchez dämmerte ins Dunkelblaue – die Natur schien sich zur Rast begeben zu wollen – ruhig, friedlich, prachtvoll. Der Miko warf einen letzten Blick auf die zitternd zaudernden Strahlen, als sie ermattend ineinander verschmolzen; allmählich zogen sich seine Schenkel aus ihrer kreuzweisen Verschlingung voneinander, und die Fersen auf den Boden stemmend, erhob er sich langsam ohne Anstrengung und ohne seine Hände zu gebrauchen. Sein Aufstehen war das Zeichen des allgemeinen Aufbruches. Alle erhoben sich auf dieselbe Weise, und es schien einen Augenblick, als wenn sie aus der Erde gewachsen wären.

      Der Häuptling schritt nun auf das hinter der Laube stehende Häuschen zu. Nachdem er eingetreten, schloß er die Tür hinter sich. Das Innere bestand aus zwei Stübchen, die voneinander durch einen Teppichvorhang getrennt waren. Der Fußboden und die Wände waren mit Matten überzogen. Längs den Wänden lief ein niedriger Sitz, einem Diwan nicht unähnlich, und ganz mit spanischem Moose ausgefüllt und gleichfalls mit einer Matte überzogen. Zunächst der einen Wand stand eine längliche Tafel von einfacher, kunstloser Arbeit. Auf derselben Seite hing ein Karabiner von amerikanischer Arbeit und daneben ein zweiter sehr schön gearbeiteter, doppelläufiger Stutzen und eine Jagdflinte. Gegenüber waren indianische Waffen in zierlicher Ordnung gereiht: Köcher von Damhirsch- und Alligatorfellen, Bogen, Schlachtmesser und Tomahawks. In der Mitte war eine ziemlich große, kunstreich verzierte Tasche zu sehen, die, einer Jagdtasche nicht unähnlich und auf Wampumart reichlich gewirkt, wahrscheinlich die mysteriöse Medizin des Häuptlings enthielt, die bekanntlich von Vater auf Sohn übergeht, und welcher der amerikanische Wilde, als Symbol der Gewalt, ebensoviele Ehrfurcht bezeugt, als die europäischen Völker den Zeptern, Tiaren und Kronen ihrer geistlichen und weltlichen Herrscher vor alters erwiesen. Die Dämmerung, kurz in diesen Gegenden, war bereits in Dunkelheit übergegangen, als zwei weibliche Gestalten in die Stube traten.

      »Meine Töchter sind lange ausgeblieben«, sprach der alte Mann, der sich auf dem erwähnten Tillandseasitze niedergelassen hatte, seinen Kopf in beiden Händen ruhend.

      »Sie haben die Trauben gesammelt, die Vater so sehr liebt«, erwiderte eines der Mädchen.

      Canondah, die mit Rosa zurückgekehrt war, nahm nun ein irdenes Geschirr, füllte es mit Trauben und setzte es mit zwei andern, deren eines getrocknete Hirschschinken und das andere geröstete Maiskörner enthielt, vor ihren Vater. Sie goß dann eine Flüssigkeit aus einem irdenen Kruge in einen Becher und reichte diesen gleichfalls dem alten Mann, der, nachdem er einen Zug getan, ihn wieder zurückstellte, hierauf einige Stücke vom Hirschschinken schnitt und eine Handvoll gerösteten Kornes nahm. Sein Mahl war ebenso schnell geendigt, als die Vorbereitungen dazu kurz waren, und in wenigen Minuten räumte Canondah die Tafel.

      »Sind meine Kinder nicht hungrig?« fragte er seine mit Wegtragung der Gerichte beschäftigte Tochter.

      »Sie haben von den Trauben gegessen.«

      »Gut!« versetzte der alte Mann und legte sein Haupt wieder in seine vorige Stellung. Das Mädchen hatte kaum diese Bewegung bemerkt, als sie vorwärts glitt, und, vor dem Häuptling niedersinkend, ihre Hände auf ihrem Busen faltete. Er hatte die seinigen auf ihre Schultern gelegt, gleichsam als segnete er sie. So wie sie die Berührung fühlte, brach sie in eine Art melodischen Sumsens aus, das dem Tone entfernter Blasinstrumente nicht unähnlich war. Allmählich jedoch wurde ihre Stimme lauter und stärker, wirbelnd ging sie in die wilden leidenschaftlichen Töne ihres Volksstammes über und wieder in die sanftern der weiblichen Brust. Als sie eine Weile in ihrem improvisierenden Gesang fortgefahren, schien sich ihre Begeisterung dem alten Manne mitzuteilen. Er beugte sich herab zur Sängerin, und seine Stimme vereinte sich mit der ihrigen in den gewöhnlichen tiefen indianischen Kehlentönen. Plötzlich hielt sie inne und fragte singend in den melodischsten Tönen nach der Ursache der Schwermut ihres Vaters.

      »Warum«, sang sie, »ist der Blick des Miko der Oconees trübe, sein Angesicht verfinstert? Er ist ferne von den Gräbern seiner Väter, aber der große Geist ihm nahe; seine Wolken schwimmen beschützend über seinem Haupte, ihn verbergend seinen Feinden, auf daß sie ihn nicht sehen mögen, bis er erstehen wird in seinem gerechten Zorne.« Und sie brach aus in eine melancholische, wild prachtvolle Phantasie, besingend die Großtaten der Mikes der Oconees auf dem Kriegspfade und auf der Jagd; dann sang sie den Ruhm ihres Vaters, seine Wunden und Taten, malte die Schlachten, die er gegen die Tscherokesen und die Weißen geliefert, die Gefahren seines Zugs über den großen Fluß, seine kindliche Frömmigkeit, die ihn nicht ruhen ließ, bis er wieder die Gräber seiner Väter gesehen hatte, und ihren Ton herabstimmend, rief sie den großen Geist an, seinen Pfad von Dornen auf der bevorstehenden Jagd freizuhalten.

      Es war nicht ein eigentlicher Gesang, sondern vielmehr eine Improvisation; aber die reiche Melodie und die außerordentliche Biegsamkeit ihrer Stimme, die von den tiefsten Tönen zu den höchsten hinaufwirbelte und wieder das seufzende Lüftchen oder den heulenden Sturm nachahmte, und zuletzt gleich einer begeisterten Seherin Trost wie aus höheren Sphären sprach – alles dies gab ihrem Gesange eine unbeschreibliche Wirkung.

      »Meine Tochter«, sprach der alte Mann, »hat vergessen, zum Lobe des großen Häuptlings der Cumanchees zu singen.«

      »Sie will ihre Töne in sein Ohr wispern, wenn er im Wigwam ihres Vaters sein wird«, erwiderte sie. »Gut!« war die Antwort.

      »Und hat die weiße Rosa keine Zunge, den Gesang der Oconees zu singen?« fuhr er nach einer kleinen Pause fort. Canondah wandte sich und fühlte mit ihrer Hand. Keine Rosa war da. Sie stand auf, suchte herum in der dunkeln Stube, die weiße Rosa war nicht zugegen.

      »Sie ist unter dem großen Baume«, sagte sie, indem sie sich langsam, und wie es schien, mit einem schweren Herzen anschickte, sie aufzusuchen.

      Als Rosa mit Canondah ins Zimmer getreten war, zog sie sich zum Vorhange zurück, der beide Stübchen voneinander trennte. Da blieb sie ängstlich harrend eine Weile stehen, wahrscheinlich in der Hoffnung, der Häuptling würde sogleich nach seinem Mahle sich zur Ruhe begeben.

      Als Canondah jedoch sich vor ihm niederließ und in die wohlbekannten Töne des Nachtgesanges ausbrach, schien sie ihre ganze Besonnenheit zu verlieren. Sie schwankte vorwärts, rannte zurück – sie zitterte und bebte. Endlich eilte sie rasch durch die Türe in das zweite Stübchen, legte ihr Seidenkleid ab und warf sich in ein leichtes Kalikoröckchen, nahm dann eine Wolldecke, warf sie über einen Korb und stahl sich ins erste Gemach. Zitternd war sie an der Schwelle angelangt, bebend hatte sie diese überschritten. Ihre Brust schlug laut, ihre Knie schlotterten, als sie sich der Wand näherte und die mysteriöse Tasche berührte und endlich durch die Dunkelheit bis zur Türe forttappte.

      Die Bewohner des Dörfchens waren bereits in tiefen Schlaf begraben, die Gipfel der Bäume glänzten im silbernen Mondlichte gleich Riesengestalten, während die Nachtdünste von dem nahen Wasserspiegel, ähnlich den Geistern der Vorwelt, in ungeheure Leichentücher gehüllt, über die Hütten wellenförmig sich fortbewegten. Nicht eine menschliche Gestalt war zu sehen. Das Mädchen hielt eine Weile inne und eilte dann rasch, gleich einem erschrockenen Damhirsche vorwärts, dem Pfade zu, der längs der Niederlassung dem Walde zuführte. Keuchend und erschöpft war sie mit ihrer Bürde vor der Baumhöhle angekommen. Da hielt sie inne für einen Augenblick, sah sich furchtsam um, ob sie gesehen würde, näherte sich der Öffnung und zog sich wieder zurück.

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