Vor Sonnenaufgang: Soziales Drama. Gerhart Hauptmann

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Vor Sonnenaufgang: Soziales Drama - Gerhart Hauptmann

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       Hoffmann. Sag’ mir’s trotzdem, bitte! — Es ist mir lediglich interessant, ledig—lich interessant —

      Loth. Es war davon die Rede, daß Du hier einen anderen aus der Position verdrängt hättest, — einen Bauunternehmer Müller.

      Hoffmann. Na—tür—lich! diese Geschichte!

      Loth. Ich glaube, der Mann sollte mit Deiner jetzigen Frau verlobt gewesen sein.

      Hoffmann. War er auch. — Und was weiter?

      Loth. Ich erzähle Dir alles, wie ich es hörte, weil ich annehme: es kommt Dir darauf an, die Verleumdung möglichst getreu kennen zu lernen.

      Hoffmann. Ganz recht! Also?

      Loth. So viel ich heraus hörte, soll dieser Müller den Bau einer Strecke der hiesigen Gebirgsbahn übernommen haben.

      Hoffmann. Ja! Mit lumpigen zehntausend Thalern Vermögen. Als er einsah, daß dieses Geld nicht zureichte, wollte er schnell eine Witzdorfer Bauerntochter fischen; meine jetzige Frau sollte diejenige sein, welche.

      Loth. Er hätte es, sagten sie, mit der Tochter, Du mit dem Alten gemacht. — Dann hat er sich ja wohl erschossen?! — Auch seine Strecke hättest Du zu Ende gebaut und noch sehr viel Geld dabei verdient.

      Hoffmann. Darin ist einiges Wahre enthalten, doch — ich könnte Dir eine Verknüpfung der Thatsachen geben ... Wußten sie am Ende noch mehr dergleichen erbauliche Dinge?

      Loth. Ganz besonders — muß ich Dir sagen — regten sie sich über etwas auf: sie rechneten sich vor, welch ein enormes Geschäft in Kohlen Du jetzt machtest und nannten Dich einen .... na, schmeichelhaft war es eben nicht für Dich. Kurz gesagt, sie erzählten, Du hättest die hiesigen dummen Bauern beim Champagner überredet, einen Vertrag zu unterzeichnen, in welchem Dir der alleinige Verschleiß aller in ihren Gruben geförderten Kohle übertragen worden ist gegen eine Pachtsumme, die fabelhaft gering sein sollte.

      Hoffmann sichtlich peinlich berührt, steht auf. Ich will Dir was sagen, Loth .... Ach, warum auch noch darin rühren? Ich schlage vor, wir denken an’s Abendbrod, mein Hunger ist mörderisch. Mörderischen Hunger habe ich. Er drückt auf den Knopf einer elektrischen Leitung, deren Draht in Form einer grünen Schnur auf das Sopha herunter hängt; man hört das Läuten einer elektrischen Klingel.

      Loth. Nun, wenn Du mich hier behalten willst — dann sei so gut .... ich möchte mich eben ’n bischen säubern.

      Hoffmann. Gleich sollst Du alles Nöthige .... Eduard tritt ein, Diener in Livree. Eduard! führen Sie den Herrn in’s Gastzimmer.

      Eduard. Sehr wohl, gnädiger Herr.

      Hoffmann Loth die Hand drückend. In spätestens fünfzehn Minuten möchte ich Dich bitten, zum Essen herunter zu kommen.

      Loth. Uebrig Zeit. Also Wiedersehen!

      Hoffmann. Wiedersehen!

      Eduard öffnet die Thür und läßt Loth vorangehen. Beide ab. Hoffmann kratzt sich den Hinterkopf, blickt nachdenklich auf den Fußboden, geht dann auf die Thür rechts zu, deren Klinke er bereits gefaßt hat, als Helene, welche hastig durch die Glasthür eingetreten ist, ihn anruft.

      Helene. Schwager! Wer war das?

      Hoffmann. Das war einer von meinen Gymnasialfreunden, der älteste sogar, Alfred Loth.

      Helene schnell. Ist er schon wieder fort?

      Hoffmann. Nein! Er wird mit uns zu Abend essen. — Womöglich .... ja, womöglich auch hier übernachten.

      Helene. Oh Jeses! Da komme ich nicht zum Abendessen.

      Hoffmann. Aber Helene!

      Helene. Was brauche ich auch unter gebildete Menschen zu kommen! Ich will nur ruhig weiter verbauern.

      Hoffmann. Ach, immer diese Schrullen! Du wirst mir sogar den großen Dienst erweisen und die Anordnungen für den Abendtisch treffen. Sei so gut! — Wir machen’s ’n bischen feierlich. Ich vermuthe nämlich, er führt irgend was im Schilde.

      Helene. Was meinst Du, im Schilde führen?

      Hoffmann. Maulwurfsarbeit — wühlen, wühlen. — Davon verstehst Du nun freilich nichts. — Kann mich übrigens täuschen, denn ich habe bis jetzt vermieden auf diesen Gegenstand zu kommen. Jedenfalls mach alles recht einladend. Auf diese Weise ist den Leuten noch am leichtesten ... Champagner natürlich! Die Hummern von Hamburg sind angekommen?

       Helene. Ich glaube, sie sind heut früh angekommen.

      Hoffmann. Also, Hummern! Es klopft sehr stark. Herein!

      Postpacketträger. Eine Kiste unter’m Arm, eintretend, spricht er in singendem Tone. Eine Kis—te.

      Helene. Von wo?

      Packetträger. Ber—lin.

      Hoffmann. Richtig. Es werden die Kindersachen von Hertzog sein. Er besieht das Packet und nimmt den Abschnitt. Ja, ja, es sind die Sachen von Hertzog.

      Helene. Die—se Kiste voll? Du übertreibst.

      Hoffmann lohnt den Packetträger ab.

      Packetträger ebenso halb singend. Schö’n gn’n A—bend. Ab.

      Hoffmann. Wieso übertreiben?

      Helene. Nun, hiermit kann man doch wenigstens drei Kinder ausstatten.

      Hoffmann. Bist Du mit meiner Frau spazieren gegangen?

      Helene. Was soll ich machen, wenn sie immer gleich müde wird?

      Hoffmann. Ach was, immer gleich müde — sie macht mich unglücklich! Ein und eine halbe Stunde ... sie soll doch um Gottes Willen thun, was der Arzt sagt. Zu was hat man denn den Arzt, wenn ...

      Helene. Dann greife Du ein, schaff’ die Spillern fort! Was soll ich gegen so ’n altes Weib machen, die ihr immer nach dem Munde geht!

      Hoffmann. Was denn? ... ich als Mann ... was soll ich als Mann? ... und außerdem, Du kennst doch die Schwiegermama.

       Helene bitter. Allerdings.

      Hoffmann. Wo ist sie denn jetzt?

      Helene. Die Spillern stutzt sie heraus, seit Herr Loth hier ist; sie wird wahrscheinlich zum Abendbrod wieder ihr Rad schlagen.

      Hoffmann schon wieder in eigenen Gedanken, macht einen Gang durch’s Zimmer; heftig. Es ist das letzte Mal, auf Ehre!, daß ich so etwas hier in diesem Hause abwarte. Auf Ehre!

      Helene. Ja, Du hast es eben gut, Du kannst gehen, wohin Du willst.

      Hoffmann. Bei mir zu Hause wäre der unglückliche Rückfall in dies schauderhafte Laster auch sicher nicht vorgekommen.

      Helene. Mich mache dafür nicht verantwortlich! Von mir

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