Gesammelte Sci-Fi-Romane in einem Band. Hans Dominik
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Am Bismarckdamm in Berlin stand Wellington Fox vor dem Palast der E. S. C. und wartete auf Georg Isenbrandt. Die Herbstsonne stand schon tief und vergoldete das rote Laub der Straßenbäume, als der Erwartete endlich aus dem Gebäude trat.
»Das hat ja lange gedauert, Georg!«
»Oh, entschuldige, Fox. Aber die Sitzung war von großer Wichtigkeit.«
»Schadet auch nicht viel! Es fiel mir, während ich hier wartete, so mancherlei von dem ein, was sich ereignet hat, seitdem ich das letztemal hier stand.
Ein schicksalsreicher Sommer! Und vieles von dem, was geschah, seitdem wir uns trennten, bleibt noch zu erzählen … Wird, wenn ich es an meinem Stoff messe, lange Abende am Kamin der Frau Maria füllen. Ich denke, wir gehen den Weg zu deiner Wohnung an diesem schönen Herbsttag zu Fuß.«
Sie bogen von dem hohen Damm zu dem tiefergelegenen Havelufer ab, das mit einem Kranze stattlicher Landhäuser besäumt war. Wellington Fox begann, während sie langsam der sinkenden Sonne nachschritten:
»Denk dir nur, vorhin erhielt ich die Nachricht aus Amerika, daß es dort immer noch unter der Asche glimmt. In den Südstaaten gibt es immer wieder Zusammenstöße zwischen Schwarzen und Weißen. Der Widerstreit scheint nicht zur Ruhe kommen zu wollen.«
»Wird nie zur Ruhe kommen!« warf Isenbrandt ein. »Die Kluft zwischen den Rassen ist zu tief. Keine Brücke führt darüber. Es handelt sich um ein kategorisches Entweder – Oder. Einer muß weichen!«
»Du hast recht, Georg. Aber das ist leichter gesagt als getan. Man kann doch nicht die sämtlichen schwarzen Bürger der Union auf Schiffe verfrachten und nach ihrer Heimat Afrika zurückschicken.«
»Natürlich nicht! Aber man muß die Bestrebungen unterstützen, die schon lange unter den Schwarzen der Union im Schwange sind. Was man vor 150 Jahren im kleinen in Liberia machte, muß man im großen Stil wiederholen. Die schwarze Intelligenz muß dabei den Anfang machen. Sie findet in der neuen alten Heimat ein unendlich viel reicheres Betätigungsfeld. Ich bin auch fest überzeugt, daß bei dem immer stärker werdenden Rassenbewußtsein und Stolz der Schwarzen die Frage in diesem Sinne gelöst werden wird.«
»Hoffen wir, daß du recht behältst! Ich bin etwas skeptisch und möchte nicht die Notwendigkeit von der Hand weisen, der Sache mit etwas Druck nachzuhelfen. Blieben also schließlich noch die Halfcasts?«
»Die wird wahrscheinlich keine von beiden Parteien haben wollen«, sagte Isenbrandt lachend.
»Also ein Schiedsgericht!«
»Jawohl, ein Schiedsgericht.«
Beide lachten laut auf.
»Das wird wohl tagen, bis der Jüngste Tag anbricht«, sagte Wellington Fox. »Die Frage ist buchstäblich eine weitverzweigte. Oft ist kaum zu entscheiden, wo das Halfcaft aufhört oder anfängt. Denke zum Beispiel an John Dewey und seine Tochter Florence.«
»Allerdings. Dein Beispiel ist typisch. Hier wird die Schwierigkeit der Frage evident. Das Schicksal der Florence Dewey und des jungen Discount Lowdale ist tragisch. Die Nachricht von dem Tode Averil Lowdales hat mich tiefberührt. Ich schätzte ihn sehr. Auch der General Bülow betrauert in ihm einen guten Kameraden und tüchtigen Offizier. Du warst bei seinem Tode zugegen?«
»Ich kam leider zu spät. Ich konnte dem Mörder, dem Schuft, dem Cameron nur noch ein paar Kugeln nachschicken, von denen eine auch Gott sei Dank getroffen hat.«
»Wie? Du erschossest ihn?«
»Nicht direkt. Ich verwundete ihn nur. Er lief mir fort. Ungefähr eine Woche später gab es eine Razzia im Chinesenviertel, wo sich viele der Kompromittierten versteckt hatten. Dort fand man auch Collin Cameron. Er lag in den letzten Zügen. Die an sich nicht tödliche, aber schlecht behandelte Wunde führte sein Ende herbei.«
»Maria wird darüber nicht trauern. Ich glaube, sie hat auch jetzt noch manchmal dieses Halunken wegen Beklemmungen gehabt. In seiner Rachgier war er reiner Asiate. Was wurde aus den Deweys?«
Wellington Fox zuckte die Achseln.
»Sie verzogen alsbald aus Frisko und befinden sich seitdem ständig auf Reisen. Die arme Florence ist nur noch ein Schatten ihrer selbst. Nach dem tragischen Ende Averil Lowdales lag sie wochenlang auf den Tod danieder. Für den Vater war diese Krankheit in einer Beziehung sogar ein Vorteil. Man ließ deswegen davon ab, ihm wegen gewisser Konspirationen den Prozeß zu machen. Ich habe mich auf Helens Bitten in diesem Sinne sehr bemüht …«
»Und da du, alter Freund«, vollendete Georg Isenbrandt lachend, »neuerdings einiges in den Staaten zu bedeuten hast, ist dir das natürlich glänzend gelungen.«
»Spotte nur, alter Junge!« lachte Fox. »An der Wiege von August Wilhelm Fuchs in Berlin an der Panke wurde allerdings nicht gesungen, was aus Archibald Wellington mal werden könnte. Mein teurer Schwiegerpapa bedauert täglich, daß ich nicht in den Staaten geboren bin. Sonst wäre mir nach seiner Meinung der Präsidentenstuhl sicher.
Über meine Absichten für die Zukunft wußte er bisher noch nichts Gewisses. Erst jetzt, nachdem ich mit mir klar bin, will ich ihm damit kommen. Erst mußte ich sicher sein, daß meine Pläne deine Unterstützung finden.«
»Die hast du, Fox!«
Die beiden Freunde hatten auf ihrer Wanderung den höchsten Punkt der Straße erreicht. Hier blieben sie eine kurze Zeit stehen. Vom Golde der sinkenden Sonne beleuchtet, dehnte sich weit vor ihren Blicken die Havel. Weit drüben am Horizont schimmerten die Türme und Bauten von Siemensstadt.
Gerade jetzt erhob sich dort eine Flottille mächtiger Flugschiffe. In schneller Folge stiegen sie auf, setzten sich in Kiellinie und nahmen den Kurs nach Osten. Unablässig gewannen sie dabei an Höhe, wurden klein und immer kleiner und waren schon fast Punkte, als sie über den Köpfen der beiden Freunde dahinzogen.
Wellington Fox verrenkte sich beinahe das Genick, um sie über sich zu beobachten.
»Was ist das, Georg?«
Es dauerte lange Sekunden, bevor Isenbrandt, wie aus Träumen erwachend, die Antwort gab: »Was das ist, Fox? Ver sacrum! Ein neuer heiliger Frühling, den das alte Europa nach Asien schickt. Junge Siemensstädter sind es mit ihren Frauen und Bräuten, die dorthin gehen. Das sind keine Bauernsiedler, sondern Industriesiedler.«
Wellington Fox unterbrach den Freund: »Ich hörte davon. Aber ich wußte noch nicht, daß diese Pläne sich bis zur Ausführung verdichtet haben. Bisher wollte sich europäisches und amerikanisches Kapital nicht recht an die Ausbeutung der asiatischen Bodenschätze heranwagen.«
»So war es, Fox, solange die politischen Machtverhältnisse da drüben in Asien unsicher waren. Jetzt hat sich das radikal geändert. Jetzt, wo unsere Herrschaft feststeht, sind plötzlich Riesenkapitalien vorhanden, um die reichen Bodenschätze dort zu heben. Was Europa in Afrika verloren hat, findet es in Asien dreifach wieder.«
Die letzten Flugschiffe der Flottille waren jetzt am dunklen Osthimmel verschwunden. Wellington Fox, der ihnen bis zuletzt nachgespäht hatte, sprach wieder:
»Wenn aber Kapital und Bevölkerung