Gesammelte Sci-Fi-Romane in einem Band. Hans Dominik
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»Wenn du wüßtest, Silvester, was so manchmal bald stärker, bald schwächer mich beunruhigt. Bei Tag und auch bei Nacht, wenn ich in deinen Armen liege …«
»Jane … liebe Jane. Was ist es, was dich quält?«
»Wenn ich es sagen könnte … wenn ich es wüßte, was es ist … ich würde es dir sagen … Eine dunkle Wolke … wenn mein Auge in der schönen glücklichen Zukunft sucht, quillt es schwer und schwarz vor meinen Blicken auf … Eine Ahnung … eine Furcht … ich weiß nicht, was es ist, aber alle heiteren Bilder verschwinden, ich muß die Augen schließen, muß weinen.«
»Jane … du liebes, armes Kind. Die letzten Monate haben zu sehr auf dich eingestürmt. Mein Verschwinden, der Tod deiner Mutter, der Streich Glossins … das war zu viel für dein Herz. Scheuch sie weg, die trüben Ahnungen, wenn sie wiederkommen. Denke an mich. Denke an das Glück, das uns die Zukunft bringen wird …«
Sekunden des Schwankens. Dann legte Jane ihre Arme um Silvesters Hals.
Liebevoll hüllte er ihre zarten Schultern in einen Schal und zog sie an seine Brust.
Es war ein wehmütiger und tränenreicher Abschied, als Silvester sich endlich in Düsseldorf von seiner jungen Gattin trennte, um allein nach Linnais zurückzukehren. Nur der Gedanke machte das Auseinandergehen für Silvester und Jane erträglich, daß es nur eine Trennung von wenigen Wochen sein sollte. Nur noch einige Verbesserungen. Die Konstruktion und Ausführung eines neuen, noch viel stärkeren Strahlers. Dann, das war der feste Entschluß Silvesters, sollte ihn nichts mehr von seinem Weibe fernhalten. Mit dem festen Versprechen, in spätestens vier Wochen zurückzukehren und dann für immer mit ihr zusammenzubleiben, hatte er sich schließlich aus den Armen Janes gerissen.
Er hatte ihr einen kleinen telephonischen Empfangsapparat dagelassen. Hatte sie zuletzt noch getröstet.
»Mein Liebling, wenn ich auch noch einmal auf kurze Zeit von dir gehe, werde ich doch immer bei dir sein. Ich werde imstande sein, jeden Augenblick dein Bild lebendig vor mir zu sehen, werde in jedem Augenblicke wissen können, was du tust, und wie es dir geht. Und dir gibt dieser Apparat die Möglichkeit, wenigstens meine Stimme zu hören. Ich werde keinen Tag vorübergehen lassen, ohne dich zu sehen und mit dir zu sprechen.«
Silvester hatte ihr den Gebrauch des Apparates genau gezeigt. Einen Druck auf einen Knopf, und die Elektronenlampen brannten. Den Hörer ans Ohr, und jedes Wort, das er in Linnais in den Schalltrichter sprach, wurde deutlich gehört.
So war Silvester gegangen. Jane blieb allein im Hause Termölen zurück. Betreut von den beiden alten Leuten. Wie eine Tochter gehegt und gepflegt von Frau Luise und doch betrübt und einsam.
Auf den Himmel der vierzehntägigen Hochzeitsreise folgte die Hölle der Trennung. Jane lernte in diesen schmerzvollen Tagen und Wochen kennen, was es für eine Frau bedeutet, ihr Herz an einen Mann zu hängen, der einer großen Idee verschrieben ist. Neben dem leichten Goldreif, der ihn an Jane band, trug Silvester den schweren Ring, der ihn mit Erik Truwor und Soma Atma zu einer Dreiheit zusammenschmiedete. Das bittere Schicksal der Frau, die mit ihrer Liebe den Plänen und der Lebensarbeit des Mannes nachstehen muß!
Nur wenig hatte ihr Silvester von seinen Erfindungen und Arbeiten erzählt. Daß die Erfindung in wenigen Wochen abgeschlossen sei. Daß sie ihm solchen Gewinn bringen würde, daß er dann alle Berufsarbeit lassen und sich ganz seinem Eheglück widmen könne. Das war der Trost, der Jane in diesen Tagen aufrechthielt. Der Gedanke, daß diese Trennung nur noch eine letzte kurze Prüfung sei. Daß danach Silvester für immer bei ihr bleiben, ihr ganz gehören werde.
Herr Andreas Termölen schmunzelte, und Frau Luise zeigte ein verständnisvolles Lächeln, wenn Jane des Nachmittags in der vierten Stunde unruhig zu werden begann. Sie sorgte dafür, daß ihre Uhr auf die Sekunde genau die richtige Zeit zeigte. Eine Minute vor vier flammten an jedem Tage die Elektronenlampen auf, und um vier Uhr drangen die ersten Worte Silvesters aus dem Hörer an ihr Ohr. Worte der Sehnsucht, Versicherungen unerschütterlicher Liebe, Tröstungen, daß wieder ein Tag der Trennung vorbei sei. Mitteilungen, daß die Arbeit gut gefördert würde, daß das Ende in nahe Nähe gerückt sei.
Silvester sprach. Er stand in Linnais in seinem Arbeitsraum. Den Schalltrichter der großen Telephonanlage am Munde. Den Strahler auf das Zimmer von Jane gerichtet, das Bild seines jungen Weibes lebendig vor sich auf der Mattscheibe.
Jane konnte nur hören, doch nicht zurücksprechen. Eine Station zum Senden in einem Privathause hätte besondere Einrichtungen und Vorkehrungen erfordert, die in der Kürze der Zeit nicht durchzuführen waren. Sie mußte sich darauf beschränken, die Worte ihres abwesenden Gatten zu hören, Silvester konnte nur ihr Bild auf der Mattscheibe betrachten, mußte auf das gesprochene Wort verzichten. Wohl sah er, wie die Worte, die er selbst sprach, auf ihr Mienenspiel wirkten, wie die Beteuerungen seiner Liebe und Zuneigung den Schimmer der Freude über ihre zarten Züge verbreiteten, doch von dem, was sie selber sprach, konnte nichts an sein Ohr dringen.
So hätte diese tägliche Unterhaltung einseitig bleiben müssen, wenn nicht die Liebe neue Mittel für die Verständigung gefunden hätte.
Die vor Silvester stehende Mattscheibe gab das genaue Bild Janes, gab es in Lebensgröße. Jeden Zug, jede Bewegung ihrer Lippen konnte Silvester genau beobachten, und schnell lernte er es, ihr die Worte von den Lippen abzulesen. Er sah Jane und sprach. Jane hörte seine Worte, antwortete, und aus der Bewegung ihrer Lippen erriet er den Sinn der Antwort. Wiederholte ihn, ersah ihre Bestätigung aus ihrem glücklichen Lächeln.
Jetzt am Ende der zweiten Woche der Trennung hatten es die Getrennten gelernt, sich auf diese Weise zu unterhalten, als ob sie nebeneinandersäßen und nicht fünfhundert Meilen zwischen ihnen lägen. Die tägliche Plauderstunde stärkte Jane den Mut bis zum nächsten Tag. Sie war für Silvester die Quelle, aus der er die Kraft schöpfte, sich wieder in seine Arbeit zu stürzen, die Apparate fertigzumachen, deren schnellste Vollendung Erik Truwor so dringend heischte.
Die Nächte in Linnais waren auch in den letzten Julitagen noch hell.
Auf alle Fälle unbequem hell nach der Meinung des englischen Obersten Trotter. Viel zu hell nach dem Geschmack des Dr. Glossin. Zwar ging die Sonne um Mitternacht eine Stunde unter den Horizont. Aber die Dämmerung gestattete es immer noch, einen Mann im freien Felde auf zweihundert Meter zu erkennen. Vollständige Dunkelheit wäre der kleinen Truppe willkommener gewesen, die unter der Führung von Oberst Trotter im Walde von Linnais lagerte.
Zwanzig Mann. Ausgesuchte englische Soldaten. In kleinen Trupps zu vier bis fünf, in Zivil, waren sie im Laufe der letzten drei Tage mit den Regierungsschiffen der Linie Edinburg–Haparanda angekommen. Als harmlose Reisende waren sie den Torneaelf stromaufwärts gezogen. Hier ein wenig Angelsport treibend. Dort Mineralien sammelnd. Alles andere, nur keine Soldaten vorstellend.
Zu vorgeschriebenen Stunden waren sie alle an dem bestimmten Platze, einer Waldlichtung in der Nähe vom Hause Erik Truwors. Dort waren sie und vergnügten sich als sportfreudige Touristen. Sie schlugen Zelte auf, kochten im Freien ab und machten es sich bequem.
In einem der Zelte saß der Oberst Trotter im Gespräch mit Dr. Glossin und vertrat mit britischer Hartnäckigkeit seinen Standpunkt.
»Mein Befehl lautet, drei Bewohner dieses Hauses, namentlich angeführt als Erik Truwor, Silvester Bursfeld und Soma Atma, aufzuheben und lebendig nach London zu bringen. Es ist bei den englischen Offizieren Sitte, Dienstbefehle genau zu vollziehen. Sie mögen als Zivilist eine andere Anschauung von der Sache haben. Für mich und meine Leute gilt die meinige.«
»Herr