Gesammelte Sci-Fi-Romane in einem Band. Hans Dominik
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Aber es stand schlimm um die Schiffe Morisons. Schon trieb die Kaledonia gekentert kieloben. Jetzt faßte ein Zufallstreffer die Alexandra und verwandelte sie in der nächsten Sekunde in eine graue Wolke kleiner Stahlbrocken und gelblich schwelenden Rauches. Wohl hatten auch die australischen Kanoniere einige Fahrzeuge des Gegners gekippt, und einem Torpedoflieger war es gelungen, einen Lufttorpedo aus zweitausend Meter auf das Deck des Alcestes zu setzen und ihn in Trümmer zu zerreißen. Aber es war klar, daß die australische Flotte nur noch für die Ehre der Flagge focht … welcher Flagge denn?
Ein bitteres Lächeln umspielte die Züge des Admirals Morison, als er den Gedanken dachte. Für die Laune, hier einen Scheuerlappen zu hissen, schlug sich seine Flotte auf Leben und Tod mit dem weit überlegenen Gegner. Um dieser Laune willen mußte er in schreiendem Gegensatz zu den Befehlen seiner Regierung mit einer Flotte kämpfen, mit der ihm die Pflege freundschaftlicher Beziehungen befohlen war. Es war bitter für einen Mann, dessen Leben bisher strenge Pflichterfüllung gewesen war. Aber Admiral Morison stand unter dem Zwange der Verhältnisse und beschloß, auszuharren bis zum Ende.
Eine Meldung eines seiner Flieger ließ ihn aufmerken.
»Englischer Panzer Alkyon gekentert. Ohne Schuß von uns.«
Schon kam eine zweite Meldung von einem anderen Flugschiff:
»Amphitrite geht auf Grund. Ohne Schußeinwirkung von uns.«
Die dritte Meldung folgte unmittelbar:
»Niobe sinkt. Es scheinen U-Boote zu wirken«.
Die folgenden Sekunden brachten noch ein halbes Dutzend gleichartiger Meldungen. Bis Admiral Blain den ungleichen Kampf aufgab und mit dem Reste seiner Schiffe nach Nordosten entfloh.
Admiral Morison sammelte den Rest seines Geschwaders und setzte den Kurs auf den bisherigen Standort der englischen Flotte. Nach beendetem Kampf war es Seemannspflicht, Überlebende zu retten.
Auf halbem Wege, auf der Höhe von Sydney, kamen ihm U-Boote entgegen. Hundert U-Boote. In Kiellinie zogen sie in Überwasserfahrt daher. Große, schwer gepanzerte Kreuzer von einer Art, wie sie Australien nicht besaß. Sie fuhren schnell und waren im Augenblick heran.
Es konnten Feinde sein. Aber keinem Menschen in der australischen Flotte kam dieser Gedanke. Sie alle, von dem Schiffskommandanten bis zu den einfachen Kanonieren, erblickten in diesen Booten die Erretter vom sicheren Untergang und begrüßten sie mit brausendem Cheer. Da ging am Heck des ersten Bootes ein rötlicher Ball empor, breitete sich im Winde aus und zeigte das Sternenbanner der amerikanischen Union. Amerikanische U-Boote hatten unter der Führung des Admirals Willcox eingegriffen. Unbekannt mit den letzten Entschließungen von Cyrus Stonard, sah Willcox die australische Flotte im Kampfe mit der englischen Übermacht. Mochten die Politiker treiben, was sie wollten. Der Seebär Willcox wußte nur, daß Australien nächstens amerikanisch werden würde. Das hatte ihm genügt.
Die australische Flotte lief in den Hafen von Sydney. Die amerikanische U-Boot-Flotte folgte nach einer plötzlichen Entschließung des Admirals Willcox. Der meinte, daß es Zeit sei, das warme Eisen zu schmieden, und kümmerte sich den Teufel um diplomatische Gebräuche und Abmachungen.
Die Kunde von dem Gefecht und dem Eingreifen der amerikanischen Hilfe war den Flotten drahtlos vorausgeeilt. Eine bange Stunde hindurch hatten in Sydney die Häuser unter dem schweren Feuer der kämpfenden Flotten gebebt. Dann kam die Erlösung. Hilfe und Sieg durch die Amerikaner. Da schlug die bange Stimmung in das Gegenteil um. Die Amerikaner, die jetzt im Hafen lagen, die in einzelnen Trupps an Land kamen, wurden mit hellem Jubel begrüßt. Niemand in ganz Sydney dachte mehr an die Tagesarbeit. Von dichten Scharen waren die Straßen schwarz, während die Häuserfassaden im Flaggenschmuck verschwanden.
Einer der wenigen, die nicht an diesem allgemeinen Jubel teilnahmen, war der australische Premier Mr. Applebee. Der Staatsmann dachte an die Zukunft und fuhr bei MacNeills, dem englischen Gesandten, vor. Nicht ohne sich einen bestimmten Plan zurechtgemacht zu haben.
Der Engländer empfing ihn hochmütig und kalt. Das Erstaunen zu deutlich zur Schau tragend, als daß es für ganz natürlich gehalten werden konnte.
»Was wünschen Sie, Herr Ministerpräsident? Ich glaube kaum, daß wir uns nach dieser Affäre noch etwas zu sagen haben.«
Mr. Applebee war auf den Empfang gefaßt.
»Gestatten Sie, daß ich anderer Meinung über die Vorfälle bin. Es war der englische Admiral, der die Feindseligkeiten eröffnete und den ersten Schuß auf unsere Flotte tat. Auf unsere kleine Flotte, die sich in diesem unglücklichen Augenblick in offensichtlicher Meuterei befand. Sie dürfen überzeugt sein, daß ich diesen Flaggenunfug genau so verurteile wie unser Admiral Morison. Der ganze Unsinn geht von einem als Trinker bekannten Kapitän aus, der heute noch seines Amtes enthoben werden soll. Doch dieser Umstand rechtfertigt das schroffe Vorgehen Ihres Admirals nicht. Was ist dabei herausgekommen? Gerade das, vor dem ich heute vormittag warnen zu müssen glaubte. Ein Eingreifen Amerikas an unserer Seite.
Aber trotz aller dieser Vorfälle … höchst bedauerlichen Vorfälle, die uns und Ihnen Menschenleben und gute Schiffe gekostet haben, hoffe ich immer noch, daß sich die Affäre in friedlicher Weise beilegen lassen wird. Ich habe nach Ihrem letzten Besuch auf Mittel und Wege gesonnen, dem Parlamentsbeschluß die Spitze abzubrechen. Ich hoffe, solche gefunden zu haben, und wäre untröstlich, wenn die Verständigung jetzt scheitern sollte.«
MacNeills horchte auf. Eine Möglichkeit, den Parlamentsbeschluß zu inhibieren? Das gab der Sache eine neue Wendung. Er erwiderte, er wolle umgehend drahtlos Instruktionen seiner Regierung einholen.
Mr. Applebee war noch keine Stunde von diesem Besuch zurückgekehrt, als er den Gegenbesuch MacNeills empfing. Die englische Regierung bestehe auf restlose Aufklärung der Vorfälle. Danach würde sie ihre weiteren Schritte einrichten.
Mr. Applebee atmete auf. Das hieß, aus dem Diplomatischen in die tägliche Gebrauchssprache übersetzt, daß auch England die Sache nicht über das Knie brechen wolle. Restlose Aufklärung … das waren wenigstens vierzehn Tage. Mehr hatte Cyrus Stonard nicht verlangt. Er schüttelte dem Engländer beim Abschied mit ostentativer Herzlichkeit die Hand.
Mr. MacNeills fuhr im Kraftwagen nach seinem Hotel zurück. Am Prinz-Alfred-Park geriet das Auto in den Strom der singenden, johlenden, flaggenschwingenden Menge. Das Gedränge zwang den Chauffeur, langsam zu fahren. Ein australischer Matrose, ein Sternenbanner in der Rechten schwingend, sprang auf das Trittbrett. Ließ die Flagge wehen.
»Hallo, Boys, drei Hurras für Uncle Sam!«
Vieltausendstimmig wurde der Ruf von der Menge aufgenommen und rollte wie ein Donnerwetter die breite Straße entlang. Da fühlte MacNeills, daß Australien für England unwiederbringlich verloren sei. Der Führer hatte sich durch den Menschenstrom gewunden, die ruhige Seitenstraße erreicht.
»Fahr zu, Chauffeur!«
Kurz und scharf rief es der Engländer und warf sich in das Kissen zurück.
Die gespannte politische Lage nötigte auch den Vierten Lord der Admiralität, seinen Landaufenthalt für unbestimmte Zeit zu unterbrechen. Lord Horace Maitland war mit Familie und Dienerschaft in sein Stadthaus übergesiedelt, ein einfaches, aber geräumiges Palais aus der Zeit des dritten Georg. Kaum zehn Minuten von der Admiralität entfernt.