Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band). Peter Rosegger

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Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band) - Peter  Rosegger

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müssen auch ihre Schulung haben. Das eine muß ich aber wohl sagen, wenn der alle Waldgewächse mit seinem Atem aufziehen will, so wird er nicht weit kommen.«

      Dem Mädchen war kaum wohl ums Herz. Der Frohsinn war ganz weg.

      Hub der Alte mit knarrender Stimme an zu singen:

      Der Weichselbau'rn-Sohn

       Ist ein gar schlimmer Bua,

       Dirndl, ich rat' dir's.

       Sperr's Türl zua!

      Anna dachte jetzt an den Sänger nicht; sie senkte das Auge. Da erblickte sie das Veilchen an ihrer Brust; das Blümlein, welches er, der Förster, angehaucht und gepflückt und ihr geschenkt hatte.

      Und die Knospe war ein wenig aufgeblüht...

      Ich fürchte mich vor diesem Licht!

      Wieder im Dorfwirtshause zu Karnstein.

      Der gute Ferdinand Küßdenker lag zusammengekauert unter seiner kühlen Decke und schnarchte. Er empfand es zur Stunde nicht, wie der Bergmarsch noch in den Beinen gellte.

      Anna, vom Stundenrufe des Nachtwächters geweckt, stand am Fenster und blickte in die Nacht hinaus. In ihrem Haupte, an dessen Lockenhaar die Nachtluft hinstrich, waren allerlei ruhelose Gedanken und Träume.

      Unten vor dem Hause rieselte der Dorfbrunnen; sein Rauschen war jetzt viel lauter als am hellen Tag. Sonst war alles so geruhsam. – Die Leute schlafen; die Tage sind lang, heiß, die Arbeit ist mühevoll. Manche Dienstmagd ist eingenickt, ehe das dritte Vaterunser ihres Abendsegens zu Ende, manchem Knecht in der Scheune sind die Augen gesunken, die Lippen erlahmt, bevor seine Tabakspfeife zur Neige gekohlt hatte...

      Über den finsteren Brettergiebeln der Häuser und über den dunkeln Waldbergrücken glimmen, funkeln hell und matt, groß und klein die Sterne des Himmels.

      Wie sie schön sind, wie sie lächeln! An ihnen ist alles Licht und Freude und Liebe. Bei ihnen ist Frieden in Ewigkeit.

      Anna MiIdau schaute in jener schwermutsvollen Nacht zu den Gestirnen. Es war ihr ganz anders als sonst.

      In einem der Giebeldächer des Dorfes glüht ebenfalls ein Sternlein. Es ist – das Mädchen wendet sinnend seinen Blick dahin – wie ein Johanniswürmchen, so klein, so zart, und jetzt hebt es an zu flattern. Sie schaut scharf hin, sie kann ihr Auge nicht wenden von diesem Sterne. Jetzt legt sie die Hand über ihr Gesicht, und mit zagender Stimme ruft sie aus: »Ferdinand! Schau! Ich fürchte mich vor diesem Licht!«

      An dem glühenden Würmchen beginnt, in der Richtung wie die Dachfuge geht, ein roter Faden zu wachsen. An dem gegenüberliegenden Dache zuckt ein Schein; rasch mehren sich die glühenden Linien, rasch dehnen sich die hellroten Täfelchen. Ein gebrochener, gedämpfter Schrei wird gehört im Orte, da bricht an jenem Giebel plötzlich die blendende Lohe hervor.

      »Feuer!« schreit in der Ferne eine heisere Stimme.

      »Feuer!« ruft mit aller Kraft ein Mann und rennt die Gasse herauf und dem Glockenturm zu. An einigen Häusern fliegen die Fenster auf, in anderen knarren die Türen. Oben leuchtet es hin über den Dächern wie Alpenglut; die geröteten Wirbel des Rauches fliegen über das Dorf und verdecken die Sterne.

      »Feuer!« schreit es in allen Winkeln.

      »Wasser!« lärmt es an allen Enden.

      Nach Hilfe rufen halbnackte Menschen, die auf den Gassen planlos hin und her hasten. Da schallt die Glocke.

      Anna hat den Alten gerufen: »Eilends steh' auf! Da ist dein Rock.« Hastig wollte sie die Treppe hinabeilen, aber diese war verrammelt, zwei heulende Mägde waren mit einem Kleiderkasten darin steckengeblieben.

      Ferdinand stürzte zum Fenster, rüttelte am Gitter, da kam der Kirchenschneider mit einer Holzart aus der Oberstube und zertrümmerte den Kasten auf der Treppe.

      Mitten durch die Trümmer des Schrankes, durch der Mägde Flachsvorrat und Sonntagsröcke kollerte Ferdinand, seinen Schützling im Arme, die Stiege herab, zur Tür hinaus, da flogen ihm schon die Funken entgegen.

      Man meint, es wäre eine windstille Nacht gewesen, aber nun brüllt und dröhnt im Feuer ein Sturm; hoch über die Gipfel peitschen die Flammengarben, und hin über die Dachungen sinken sie mit Knattern und Prasseln.

      Leute eilen mit rostigen Wassereimern; eine einzige Feuerspritze gießt ihren Strahl auf die dröhnenden Bretter, das wilde Element eher noch reizend als dämpfend. Der Brunnen ist bald ausgeschöpft. Oben in der Wiesenmulde ist der Teich abgelassen worden; ein trüber Bach gießt heran durch das Dorf, die Gassen, die Keller überschwemmend. Darüber doch qualmen die Rauchmassen hin, und der Glutstrom rast über die ächzenden Häuser zu den Fenstern hinein, zu den Fenstern heraus; bald bricht er durch die Giebel ein, bald brandet er an den Wänden, und wie eitel Stroh vergehen die hölzernen Gebäude.

      Ferdinand war bestrebt, Ketten zu bilden, um rasch die Eimer zu fördern, er bat, daß man ihm folge, man hörte ihn nicht; er kommandierte, er vernahm eine Stimme: Haben hergelaufene Leute hier zu befehlen? – Da hub der Alte entsetzlich an zu fluchen.

      Anna hatte einen Melkzuber erwischt und schöpfte damit Wasser und schleppte es zur Spritze hin, aber sie wurde niedergerannt, und das Wasser ergoß sich über ihr Antlitz. Jetzt ließ sie das Geschirr fallen und suchte die Kinder zu sammeln, die teils in bloßen Hemdchen zwischen den Rädern der Wasserwagen und Möbelfuhren umhertaumelten, und führte und trug sie hinaus in einen Baumgarten, über dessen Kronen und Lauben selbst noch die Funken hinflogen.

      Die Leute warfen ihre Habe zu den Fenstern hinaus und ließen sie im Hofe verbrennen. Die Haustiere wurden aus den Ställen gejagt und liefen mitten ins Feuer hinein. Endlich war es des erstickenden Qualmes wegen nicht mehr möglich, die Löscharbeiten fortzusetzen: und nur die noch gänzlich verschont stehenden Dächer begoß man mit Wasser. Die Turmglocken hatten aufgehört zu klagen, denn der Mesner suchte seine kleine Habe zu retten.

      Der Himmel war rein, so verkündeten es der Gegend keine glühenden Wolken, was vorging zu Karnstein. Nur die Röte des aufsteigenden Rauches schreckte die Nachbarsorte auf. Bis jedoch die Leute herbeizueilen vermochten, war's zu spät, da leckten aus Mangel an Nahrung die Flammen zumeist nur mehr auf den Aschenstätten, zwischen Ofenmauern und Herdstellen der niedergebrannten Gebäude. Ein Wald von rostbraunen Schornsteinen ragte noch auf über den träge rauchenden Schutt. Von der Kirche war ein Teil des Daches herabgebrannt. Der gemauerte Pfarrhof hatte nur etliche Fensterscheiben eingebüßt; er und noch wenige abseits stehende Häuschen waren verschont geblieben – als Rest von Karnstein.

      Schier größer noch als der Schreck und Schmerz der Verunglückten, war Ferdinands Angst um sein Mädchen. Es war ihm abhanden gekommen; ein stürzender Balken konnte es begraben, ein scheues Rind niedergestoßen, das Gewässer konnte es mit fortgerissen haben in den Fluß. Weinend lief er durch Rauch und Wirrnis, laut verwünschte er diese Fahrt in die Einödwälder; schon hastete er dem Bahnhofe zu, um an das Haus Mildau zu telegraphieren: Unglück über Unglück! Kommet doch alle, unser Annchen zu suchen! – da wiesen ihm Kinder ihre Spur.

      Anna hatte während der Schrecknis die Kinder im Baumgarten bewacht. Mit ihrer eigenen Joppe hatte sie eines der halbnackten Würmer bedeckt, andere auf ihren Schoß gehoben. Mit freundlichen Worten und lächelnd und kosend und Märchen erzählend und Lieder trillernd, suchte sie die Kleinen zu beruhigen. Bei dem Schein des durch das Gestämme herstrahlenden Brandes leerte sie die Taschen ihrer Kleider vor den

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