Wie ich Livingstone fand. Henry M. Stanley
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Nachdem ich meine Einkäufe an Zeug, Perlen und Draht gemacht hatte, überblickte ich mit nicht geringem Stolz die stattlichen Ballen und Pakete, welche reihenweise in dem geräumigen Vorratszimmer des Kapitäns Webb aufgehäuft lagen. Damit war aber meine Arbeit nicht zu Ende, sondern fing erst an. Noch waren Provisionen, Kochgeräte, Boote, Seile, Bindfaden, Zelte, Esel, Sättel, Packleinwand, Segeltuch, Teer, Nähnadeln, Handwerkszeug, Munition, Flinten, Reisegerät, Beile, Arzneimittel, Bettzeug, Geschenke für Häuptlinge, kurz tausenderlei einzukaufen. Die Feuerprobe, die ich beim Schachern und Feilschen mit hartherzigen Banyanen, Hindus, Arabern und Mischlingen zu bestehen hatte, war sehr angreifend. Ich kaufte zum Beispiel 22 Esel in Sansibar, wofür mir 40–50 Dollars abgefordert wurden, was ich mit einem ungeheuren Aufwand an Argumenten, die einer besseren Sache wert waren, auf 15–20 herabdrücken musste. Meine Erfahrungen mit den Eselhändlern wiederholten sich bei den Kleinkrämern, selbst der Preis eines Pakets Stecknadeln musste um 5 Prozent heruntergehandelt werden, was natürlich sehr viel Zeit und Geduld erforderte.
Nachdem ich die Esel zusammengebracht hatte, entdeckte ich, dass man in Sansibar keine Packsättel haben konnte. Nun waren aber die Esel ohne Packsättel für mich ganz nutzlos. Ich erfand also einen Sattel, den ich und mein weißer Diener Farquhar einzig und allein aus Segeltuch, Stricken und Baumwolle fabrizieren mussten. 3–4 Frasileh Baumwolle und 10 Stück Segeltuch waren für die Sättel nötig. Ich selbst machte einen Mustersattel zur Probe, darauf wurde ein Esel gesattelt und ihm eine Last von 140 Pfund aufgepackt, und obgleich das Tier, eine wilde Bestie aus Unyamwezi, sich bäumte und wütend gebärdete, so blieb doch die ganze Last festsitzen. Nach diesem Experiment ließ ich Farquhar noch 21 Sättel nach demselben Muster fabrizieren. Auch wurden wollene Polster angekauft, um die Tiere vor dem Wundwerden zu schützen, doch muss ich hier wohl erwähnen, dass die Idee zu dem Sattel, den ich fertigte, von dem Otagosattel hergenommen ist, den die englische Armee zu ihren Transporten in Abessinien benutzt hat.
John William Shaw, ein geborener Londoner, der bisher Dritter Steuermann auf dem amerikanischen Schiff »Nevada« gewesen war, wandte sich an mich, um Beschäftigung zu erlangen. Obgleich seine Entlassung von der »Nevada« etwas verdächtig war, besaß er doch alle die Eigenschaften eines Menschen, wie ich ihn brauchte, war vertraut mit der Nadel und verstand aus Segeltuch alles zu machen, war ein vorzüglicher Schiffer und willig, soweit seine Kunst reichte. Ich sah keinen Grund, seine Dienste abzuweisen, und nahm ihn daher für ein Jahresgehalt von 300 Dollars als Zweiten im Rang nach William L. Farquhar an.
Farquhar war ein ausgezeichneter Schiffer und vorzüglicher Rechner; er war kräftig, energisch und gescheit, aber leider ein starker Trinker. Während unseres Aufenthalts in Sansibar war er jeden Tag benebelt, und das wüste, lasterhafte Leben, das er hier führte, wurde ihm, wie wir sehen werden, bald nachdem wir ins Innere kamen, verderblich.
Meine nächste Aufgabe bestand darin, eine zuverlässige Eskorte von zwanzig Mann für die Reise anzuwerben und mit Waffen und anderen Dingen auszurüsten. Dschohari, der Erste Dragoman des amerikanischen Konsulats, sagte mir, er wisse, wo man einige von Spekes »Getreuen« auffinden könne. Es war mir schon vorher klar geworden, dass es am besten sein würde, wenn es mir gelänge, einige mit den Sitten der Weißen vertraute Leute in Dienst zu nehmen, welche andere veranlassen könnten, sich der Expedition anzuschließen. Besonders hatte ich dabei an den Sidy Mbarak Mombay, gewöhnlich Bombay genannt, gedacht, der trotz seines »Holzkopfes« und seiner »plumpen Hände« für den »Getreuesten der Getreuen« galt.
Mithilfe des Dragomans Dschohari nahm ich in der Zeit von ein paar Stunden Uledi, Kapitän Grants früheren Bedienten, Ulimengo, Baruti, Ambari, Mabruki (Muinyi Mabruki, der stierköpfige Mabruki, Kapitän Burtons früheren unglücklichen Diener), also fünf von Spekes »Getreuen« in meine Dienste. Als ich sie fragte, ob sie bereit wären, abermals an der Expedition eines Weißen nach Udschidschi teilzunehmen, erwiderten sie bereitwilligst, dass sie sehr gern mit einem Bruder von Speke reisen wollten. Der englische Konsul Dr. John Kirk, der zugegen war, sagte ihnen darauf, dass ich kein Bruder von Speke sei, sondern nur seine Sprache rede; aber auf diese Unterscheidung legten sie keinen Wert, und ich hörte, wie sie mit großer Freude ihre Bereitwilligkeit erklärten, überall mit mir hinzugehen und alles zu tun, was ich wünschte.
Mombay, wie sie ihn nannten, oder Bombay, unter welchem Namen wir Wasungu (Weißen) ihn kennen, war nach Pemba, einer Insel im Norden von Sansibar, gegangen. Uledi aber war der bestimmten Überzeugung, dass Mombay bei der Aussicht auf eine neue Expedition vor Freude Luftsprünge machen würde. Dschohari erhielt daher den Auftrag, ihm nach Pemba zu schreiben und ihn von dem ihm bevorstehenden Glück zu benachrichtigen.
Am vierten Morgen nach Abgang des Briefes erschien der berühmte Bombay, dem die »Getreuen« von Speke ihrem Rang gemäß folgten. Vergeblich sah ich nach dem Holzkopf und den Alligatorzähnen, von denen sein früherer Herr gesprochen hatte. Ich sah einen schlanken, kurzen Mann von etwa fünfzig Jahren, mit grauem Kopf, ungewöhnlich hoher, enger Stirn und großem Mund, der sehr unregelmäßige, weit auseinanderstehende Zähne zeigte. Eine hässliche Lücke an der oberen, vorderen Zahnreihe Bombays war durch die geballte Faust von Kapitän Speke in Uganda bewirkt, als ihm die Geduld riss und sofortige Bestrafung nötig erschien. Kapitän Speke hatte ihn offenbar durch Güte verwöhnt, was aus der Tatsache hervorgeht, dass Bombay die Frechheit hatte, ihn zu einem Boxkampf aufzufordern. Aber das fand ich erst einige Monate später heraus, als ich selbst genötigt war, ihn gründlich zu bestrafen. Bei seiner ersten Erscheinung war ich von Bombay, trotz seines rauen Gesichts, seines großen Mundes, seiner kleinen Augen und seiner platten Nase, sehr eingenommen.
»Salaam aleikum!« waren die Worte, mit denen er mich begrüßte.
»Aleikum salaam!«, antwortete ich mit allem Ernst, den ich aufbieten konnte. Dann benachrichtigte ich ihn, dass ich ihn zum Hauptmann meiner nach Udschidschi gehenden Soldaten zu haben wünsche. Seine Antwort lautete, er sei bereit, allen meinen Befehlen nachzukommen, überall hinzugehen, wo ich ihn hinschicke, kurz ein Muster von einem Diener und ein gutes Beispiel für die Soldaten abzugeben. Er hoffe, ich werde ihn mit einer Uniform und einem guten Gewehr versehen, was ich ihm beides versprach. Als ich mich nach den übrigen »Getreuen«, welche Speke nach Ägypten begleitet hatten, erkundigte, sagte man mir, dass ihrer nur sechs in Sansibar wären.
Bombay, meinem Eskortanführer, gelang es, noch achtzehn freie Männer als Askari (Soldaten) anzunehmen, Leute, von denen er wusste, dass sie nicht desertieren würden, und für die er sich verantwortlich erklärte. Es waren lauter sehr stattliche Burschen und weit intelligenter in ihrem Aussehen, als ich jemals von afrikanischen Barbaren hätte glauben mögen. Sie stammten hauptsächlich aus Uhiyau, einige aus Unyamwezi, andere aus Useguhha und Ugindo. Als Sold wurden einem jeden von ihnen 36 Dollars für das Jahr ausgesetzt oder 3 Dollars für den Monat; jeder Soldat sollte eine Feuerschlossmuskete, Pulverhorn, Kugeltasche, Messer, Beil und hinreichend viel Pulver und Kugeln für 200 Schüsse erhalten. Bombay bekam, aus Rücksicht auf seinen Rang und seine früheren treuen Dienste gegen Burton, Speke und Grant, 80 Dollars pro Jahr, wovon er die halbe Summe im Voraus erhielt, einen guten, gezogenen Vorderlader und außerdem eine Pistole, ein Messer und ein Beil. Die anderen fünf »Getreuen«, Ambari, Mabruki, Ulimengo, Baruti und Uledi, wurden zu 40 Dollars pro Jahr und mit der gehörigen Ausrüstung als Soldaten in Dienst genommen.
Da ich alle auf Ost- und Mittelafrika Bezug nehmenden Reisebeschreibungen ziemlich gründlich studiert hatte, so hatte ich einen einigermaßen deutlichen Begriff von den Schwierigkeiten, die sich mir beim Aufsuchen von Dr. Livingstone entgegenstellen würden. Diese so weit zu vermeiden, wie Menschenwitz es könnte, war das beständige Ziel meiner Gedanken.
»Soll