Amerikanische Reise 1799-1804. Alexander von Humboldt
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In den Versuchen über die chemische Zerlegung des Luftkreises und über einige andere Gegenstände der Naturlehre (Braunschweig 1799) fasste Humboldt eine Reihe bereits veröffentlichter Aufsätze zusammen, um ihnen mehr Dauer zu verleihen. Er berichtete über seine chemischen Versuche, beschrieb ein Taschen- oder Senkbarometer sowie ein Absorptionsgefäß, das besonders als Kohlensäuremesser gebraucht werden konnte, behandelte die Kohlensäure, welche im »Luftkreis« verbreitet ist, und teilte Experimente über die Beschaffenheit der Atmosphäre in der gemäßigten Zone mit – z. B. an 164 Tagen angestellte Wetterbeobachtungen in Salzburg, wobei Eudiometer, Hygrometer, Thermometer, Barometer und Elektrometer abgelesen wurden. Bei aller Vorsicht, die er geognostischen Theorien gegenüber stets bewahrte, meinte er, die gesamte Erde sei einst mit Flüssigkeit bedeckt gewesen, aus der sich das feste Land abgesetzt habe. Dabei sei Wasserstoff nach physikalischen Gesetzen frei geworden. Die Fossilien der Flözgebirge unterschieden sich von denen der ursprünglichen Gebirge und deuteten auf ein vormals wärmeres Klima des nördlichen Landes hin.
14. DER PLAN DER ÄGYPTISCHEN REISE
Der Sinn einer »Zwischenzeit« »Die Ausrottung des Feudalsystems«
Im November 1797 hatte Lord Bristol, der Bischof von Derry, Alexander aufgefordert, mit ihm eine achtmonatige Reise nach Oberägypten anzutreten. Mehrere Zeichner sollten ihn begleiten, um Abbildungen ägyptischer Kunstwerke anzufertigen. Eigene Boote waren schon ausgerüstet. Humboldt nahm an, da er nicht mehr daran glaubte, Italien bereisen zu können. Er forderte allerdings, die Reisekosten selbst tragen zu dürfen, um sich in jedem Augenblick von diesem recht merkwürdigen Bischof trennen zu können. Außerdem verlangte er, dass man ihm nach der Rückkehr in Alexandrien gestattete, allein Syrien und Palästina zu bereisen.
Außer Humboldt waren schon im März des gleichen Jahres Prof. Hirt und die Gräfin Dennis eingeladen worden. Hirt war als deutscher Archäologe in Rom gewesen. Die ebenfalls eingeladene Gräfin Lichtenau war die ehemalige Hauptmätresse Friedrich Wilhelms II. von Preußen, der sie, die in Wirklichkeit Wilhelmine Enke hieß, in den Adelsstand erhoben hatte. Der Lord hatte sich die weibliche Gesellschaft ausgesucht, die zu ihm passte. Auch Goethe hat diesem Lebemann den Bischofstitel weggespöttelt. Humboldt war es bei dieser Einladung nicht ganz wohl, und er betrachtete sie nur als Notlösung. Eine andere Möglichkeit, aus Europa auszubrechen, ergab sich aber nicht.164
Humboldt stellte seine Vorbereitungen sofort auf das neue Ziel ein. Er beschäftigte sich z. B. mit der ägyptischen Architektur, wobei er nicht ahnen konnte, dass ihm selbst diese Studien später in anderen Zonen interessante Vergleiche mit den Bauwerken indianischer Hochkulturen erlauben sollten. Er betrachtete diese Reise keineswegs als sein Hauptziel – das lag noch immer in Westindien und in den Tropen –, sondern als eine sehr sinnvolle Ausfüllung seiner »Zwischenzeit«.165 Er war sehr unruhig geworden. Die Bestimmungen der Polhöhen, die lange Folge eudiometrischer Beobachtungen, die Arbeit am Abschluss des zweiten Bandes seiner Versuche … und des Werkes Ueber die unterirdischen Gasarten …, der erneute Besuch der dortigen Bergwerke, die seine Liebe zum praktischen Bergbau wieder erweckten – das alles mutete auch wie eine Flucht aus der Unruhe in die Arbeit an. Er müsse leider seine »westindische Reise« aufschieben, schrieb er am 19. April 1798 dem Herausgeber der Jenaer »Allgemeinen Literaturzeitung«, er gedenke einige Sommermonate in Paris zu verbringen, den Winter wolle er in Ägypten verleben. – Schon hatte er aber »von einer Landung in Ägypten« gehört und wusste noch nicht, ob sie ihm förderlich oder hinderlich sein werde.166 Er fühlte sich durch die französischen Kriegszüge mit Recht eingeengt. Die republikanischen Dragonaden fand er ebenso empörend wie die religiösen. Auch vermochte er nicht einzusehen, dass alle Völker zu einer Regierungsform bekehrt werden sollten, da sie doch aufgrund ihrer verschiedenen Bedingungen auch verschiedene Bedürfnisse hätten. Bei aller berechtigten Kritik an den Auswirkungen der Französischen Revolution vergaß er jedoch nie das weltpolitische Verdienst dieser Umwälzung. Sein Blick war bereits in die Zukunft gerichtet, von der er eine Abklärung erwartete. Gegenwärtig genieße man »nur eine Wohltat«: »die Ausrottung des Feudalsystems und aller aristokratischen Vorurtheile, unter denen die ärmeren und edleren Menschenklassen so lange geschmachtet, … und dieser Genuß wird bleiben, wenn auch monarchische Verfassungen wieder ebenso allgemein werden, als es die republikanischen zu werden scheinen«.167
Alexanders Hoffnungen wurden bald von schweren Sorgen überschattet. Es hieß »allgemein«, die Franzosen wollten Ägypten besetzen.168 Lord Bristol war Engländer und würde wahrscheinlich sein Vorhaben aufgeben müssen. Humboldt sah aber auch jetzt noch andere Möglichkeiten und meinte, zunächst an der ägyptischen Reise festhalten zu sollen. Sollte der Frieden zwischen Frankreich und der Türkei erhalten bleiben, wollte er die Fahrt allein von Marseille aus antreten, da sie nun einmal »eine so schöne Anwendung« seiner »Zwischenzeit« bis zum Antritt der westindischen Expedition sei.169
Alles war in der Schwebe und schien sich eher zum Schlechten als zum Guten zu wenden. Es schien richtig, nach Paris zu gehen. Dort sei es ihm möglich zu entscheiden, wohin er seinen »Lauf« richten könnte, teilte er J. R. Forster mit.170 Am Tag vor seiner Abreise klagte er nochmals in einem Brief an den jüngeren Jacquin: »Könnte ich doch nur nach Westindien …«171 Die Familie Haeften hatte Salzburg verlassen und hielt sich seit März 1797 in Bayreuth auf, um den Schwiegervater noch einmal zu sehen. Sie wollten in den ersten Tagen des Mai wieder in Paris mit Humboldt zusammentreffen.172
In Salzburg hatte Humboldt die Ruhe gefunden, mehrere Aufgaben gleichzeitig zu lösen und die »Präparation« auf seine »große