Die wichtigsten historischen Romane von Henryk Sienkiewicz. Henryk Sienkiewicz

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Die wichtigsten historischen Romane von Henryk Sienkiewicz - Henryk Sienkiewicz

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geschlossen, er betete nicht. Geraume Zeit hindurch blickte er in das starre, aber jetzt wieder schöne Antlitz Rotgiers, wie wenn er hoffte, doch noch eine Spur von Leben darin zu entdecken. Dann mit einem Male ertönte der schmerzliche Aufschrei in der stillen Kapelle: »Mein Sohn! Mein Sohn!«

      Und wieder verstummte der Mund des alten Ordensbruders, er schien auf eine Antwort zu harren.

      Umsonst! Nun schob er seine vertrockneten hageren Finger unter den Mantel, der Rotgiers Brust bedeckte, und tastete umher. Er befühlte die Brust, die Seiten, die Rippen und die Schulterblätter und schließlich entdeckte er unter dem Gewände die klaffende Wunde, die von der rechten Schulter bis zu der Achselhöhle lief. Er preßte seine Finger hinein und führte sie längs der tiefen Wunde hin, während er mit einer Stimme, deren Ton eine gewisse Anklage enthielt, also sprach: ›O wie entsetzlich hat Dich die Streitaxt getroffen! … Und doch hast Du mir gesagt, Dein Gegner sei noch ein wahres Kind … Die ganze Schulter! Die ganze Schulter! Wie oft hast Du mit diesem Arme den Orden gegen die Heiden geschützt! Nun aber bist Du von der Streitaxt eines Polen gefällt worden – so mußtest Du enden, ein solches Schicksal war Dir beschicken. Christus ließ Dich nicht seines Segens teilhaftig werden! Nicht kümmert ihn das Heil des Ordens, für die Kränkungen steht er ein, die irgend welchen Menschen zugefügt werden. Im Namen des Vaters, des Sohnes und des heiligen Geistes: Für eine Lüge hast Du gestritten, für eine Lüge bist Du gestorben, ohne daß Dir Deine Sünden vergeben wurden – Deine Seele sei daher‹ …

      Die Worte erstarben ihm auf den Lippen. Abermals herrschte eine tiefe Stille in der Kapelle, dann brach Zygfryd wieder in den Aufschrei aus: »Mein Sohn! Mein Sohn!«

      Gleich einer Bitte klang aber jetzt dieser Ruf und leise, eindringlich, wie wenn jemand ein furchtbares Geheimnis zu ergründen sucht, fuhr Zygfryd fort: »O allbarmherziger Christus! Wenn Du nicht verdammt bist, mein Sohn, gieb mir ein Zeichen. Bewege Deine Hand, öffne noch einmal Deine Augen – der Herzschlag stockt mir in meiner alten Brust. Ich habe Dich sehr geliebt – gieb mir ein Zeichen, sprich! …«

      Sich mit der Hand auf eine Ecke des Sarges stützend, richtete er seine stechenden Augen auf Rotgiers geschlossene Lider.

      Kurze Zeit wartete er auf das erbetene Zeichen, endlich aber hub er von neuem an: »Wahrlich, Du vermagst nicht zu reden. Starr und kalt bist Du, Todesgeruch geht von Dir aus. Da Du aber stumm bleibst, will ich Dir etwas sagen, und Deine Seele möge hier zwischen den brennenden Kerzen weilen und darauf lauschen.«

      Und sich tief über den Leichnam beugend, flüsterte er: »Der Kaplan hinderte uns daran, Jurand zu töten, mit einem Eid mußten wir ihm dies erhärten. Wohl wirst Du dessen eingedenk sein. Den Schwur muß ich halten, das ist klar. Aber Du sollst Dich freuen, wo Du auch weilen magst, wenn gleich ich selbst dafür verdammt sein werde.«

      Bei diesen Worten trat er vom Sarge zurück, stellte die Armleuchter, die er weggeschoben hatte, wieder an ihren Platz, bedeckte den Körper und das Antlitz des Toten mit dem Mantel und verließ die Kapelle.

      An der Thüre der Kemenate lag der ermüdete Knabe in festem Schlummer, innen aber wartete, dem erhaltenen Befehle gemäß, Diderich auf Zygfryd.

      Es war ein untersetzter, starker Mann mit krummen Beinen und einem eckigen Gesichte, welches zum Teil von einer dunklen, zackigen, über die Schulter fallenden Kapuze verhüllt war. Er trug einen Kaftan aus ungegerbter Büffelhaut, um die Hüften einen Gürtel aus Büffelhaut, worin ein Schlüsselbund und ein kurzes Messer staken. In seiner rechten Hand hielt er eine Blendlaterne, in der linken ein kleines Kupferbecken und eine Fackel.

      »Bist Du bereit?« fragte Zygfryd.

      Diderich neigte stumm das Haupt.

      »Du erhieltest den Befehl, ein mit Kohlen gefülltes Becken zu bringen.«

      Der stämmige Mann gab wieder keine Antwort, sondern zeigte nur auf die im Kamine brennenden Holzscheite, ergriff eine daneben stehende eiserne Schaufel, holte unter den Scheiten die Kohlen hervor und füllte das Becken damit. Dann zündete er die Laterne an und stand ruhig wartend da.

      »Höre mich an, Mensch!« sagte Zygfryd. »Einstmals schwatztest Du aus, was Dir der Komtur Danveld anbefahl, und deshalb ließ er Dir die Zunge ausreißen. Weil Du nun dem Kaplan alles, was Du willst, mittelst der Fingersprache mitteilen kannst, verkündige ich Dir hiemit: wenn Du ihm durch eine einzige Bewegung kund thust, was Du auf mein Geheiß vollführen mußt, lasse ich Dich aufhängen.«

      Abermals neigte Diderich das Haupt, aber sein Gesicht verzerrte sich auf unheilverkündende Weise durch die Erinnerung an jenen Vorgang, denn die Zunge war ihm aus einem ganz anderen Grunde ausgerissen worden, als aus dem von Zygfryd angegebenen.

      »Gehe jetzt voraus und führe mich zu Jurands Gefängnis.«

      Der zum Henker Ausersehene umfaßte den Griff des Beckens mit seiner riesenhaften Hand, hob die Laterne in die Höhe und sie verließen die Stube. An dem schlafenden Knaben vorüber gingen sie die Stufen hinunter, wendeten sich jedoch nicht dem Haupteingang zu, sondern begaben sich hinter die Treppe, wo sich ein schmaler Korridor hinzog, der die ganze Breite des Gebäudes einnahm und an dessen Ende sich eine schwere, in einer Mauernische verborgene Pforte befand. Diderich öffnete, und sie traten in einen kleinen Hofraum, der auf vier Seiten von steinernen Lagerhäusern umgeben war, worin man große Vorräte von Getreide für Kriegs-und Belagerungszeiten aufgespeichert hatte. Unter einem dieser Lagerhäuser, auf der rechten Seite, zogen sich die unterirdischen Kerker für die Gefangenen hin. Es stand keine Wache hier, denn selbst wenn ein Gefangener aus seinem Kerker hätte ausbrechen können, wäre er in diesen Hof gekommen, deren einziger Ausgang gerade jene Pforte bildete.

      »Warte!« sagte Zygfryd.

      Und sich mit der Hand an der Mauer festhaltend, blieb er stehen, denn er fühlte, daß etwas Eigentümliches in ihm vorging, und daß ihm der Atem fehlte. Es war, wie wenn seine Brust in einen allzu engen Panzer eingeschnürt wäre. Das, was er erlebt hatte, überstieg geradezu seine Kräfte, er fühlte, daß unter der Kapuze große Schweißtropfen auf seine Stirne traten, und er hielt an, um Atem zu schöpfen.

      Nach einem trüben Tage war eine ungewöhnlich schöne Nacht angebrochen. Der Mond stand am Himmel und übergoß den ganzen Hof mit seinem silbernen Scheine, sodaß der Schnee fast grünlich schimmerte. Zygfryd sog die reine, kalte Luft gierig ein. Aber zugleich erinnerte er sich auch, daß sich Rotgier in solch lichtvoller Nacht nach Ciechanow begeben, und daß man ihn nun als Leichnam zurückgebracht hatte.

      »Und jetzt liegst Du in der Kapelle!« flüsterte er vor sich hin.

      In der Meinung, der Komtur spreche mit ihm, hob Diderich die Laterne in die Höhe und betrachtete dessen scharfgeschnittenes, geierähnliches Gesicht, welches furchtbar bleich, fast wie das eines Toten aussah.

      »Gehe weiter!« sagte Zygfryd.

      Der gelbe Lichtkreis der Laterne zitterte wieder auf dem Schnee, während sie dahinschritten. In einer Vertiefung der dicken Mauern des Lagerhauses befanden sich einige Stufen, die zu einer großen, eisernen Thüre führten. Diderich öffnete sie und stieg die Treppe in einen dunklen Gang hinunter, wobei er die Laterne hoch hielt, um dem Komtur den Weg zu zeigen. Am Ende der Treppe war ein Korridor, an dessen beiden Seiten ganz niedrige Thüren in die Zellen der Gefangenen führten.

      »Zu Jurand!« sagte Zygfryd.

      Nach einer Weile knirschte der Riegel, und sie traten ein.

      Es war ganz dunkel in dieser Höhle, daher befahl Zygfryd, der bei dem matten Lichte der Laterne nichts zu unterscheiden vermochte, die Fackel anzuzünden, in deren hellem Scheine er

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