Vom Fuchs zum Wolf. Sascha Michael Campi
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Rekurs z. Hd. Direktion bei der Justiz und des Innern vom 23. Januar 2018
Begriffserklärung zum Buch:
Oberweltler: | Durchschnittsbürger |
Halbweltler: | Personen aus dem Milieu- und Nachtleben |
Unterweltler: | Kriminelle Personen |
«Wenn du im Recht bist, kannst du es dir leisten, Ruhe zu bewahren; und wenn du im Unrecht bist, kannst du es dir nicht leisten, sie zu verlieren.»
Mahatma Ghandi
Vorwort von Rechtsanwalt Dr. Valentin Landmann zum Buch von Sascha Campi «Vom Fuchs zum Wolf»
Sascha Campi ist eine grosse literarische Überraschung: Da haben wir einen Milieutyp vor uns, der wegen erheblicher Gewaltdelikte verurteilt wurde und jetzt eine mehrjährige Strafe, basierend auf Urteilen von Zürich und Solothurn, absitzt. Der übliche Fall ist, dass ein solcher Mann sehr wenig erzählt, sehr wenig sagt, oft auch recht schwierig zu verteidigen ist, da er über die Geschichte des Deliktes und die ganzen Hintergründe ganz oder teilweise stumm bleibt. Natürlich ist das Milieu nicht einfach wortlos. Es gibt auch lautstarke Erzählungen z. B. unter Kollegen in Bars, aber doch niemals gegenüber den Aussenstehenden. Die geht das Ganze doch nichts an.
Völlig anders in geradezu überraschender Offenheit Sascha Campi. Den wesentlichsten Schritt zur Offenheit macht er in seinem Buch auch damit, dass er sich nicht hinter der Anonymität eines Pseudonyms verbirgt, sondern mit seinem vollen Namen auftritt. Und Sascha Campi nennt auch alle anderen Protagonisten mit Namen. Er verbirgt nichts. Er legt alles in einer Art und Weise offen, die wahrhaft Seltenheitscharakter hat. Er nimmt keine Rücksicht und zieht vor Ereignissen und Personen keinen Vorhang der Anonymität und verkriecht sich auch nicht ins «man hat». Nein. In geradezu brutaler Form nennt er alles beim Namen.
Dabei erweist sich Sascha Campi – und das ist die zweite grosse literarische Überraschung – als hervorragender Erzähler. Seine Sprache ist klar, seine Schilderungen dicht, ohne störende Längen oder gar langweilige Stellen. So, wie in seinem Leben die Ereignisse dicht aufeinander folgten, zieht Sascha Campi den Leser in seinen Bann. Selten ist ein erzählendes, praktisch autobiographisches Buch zu finden, das in dieser Weise auf Verschleierung, Selbstbeweihräucherung und epische Längen verzichtet.
Sascha Campi verzichtet auch darauf, seine Schilderungen, die aus subjektiver Warte erfolgen, quasi zu objektivieren und zu relativieren. Er schreibt als Sascha Campi. Er schreibt genau, was er erlebt und was er empfunden hat. Er schreibt nicht, was «man» in diesen Situationen wohl empfunden hätte usw. Er ist authentisch er. Dabei klammert Sascha Campi Beurteilungen über ihn keineswegs aus. In seinen subjektiven Erzählungen sind immer wieder Zitate aus dem forensisch-psychiatrischen Gutachten von Prof. Habermeyer aufgeführt, die die betreffende Situation aus psychiatrischer Sicht würdigen. Sascha Campi handhabt diese Zitate mit einem guten Griff für die wesentlichen Stellen und auch hier ohne irgendwelche übermässigen Längen zu schaffen.
Natürlich schildert Sascha Campi sein Leben, vor allem aber seinen Weg ins Milieu, in verschiedene Milieus, seine Stellung im Milieu, seine Erlebnisse im Milieu, aber vor allem auch, wie es schlussendlich zu den verheerenden Vorfällen kam, die eine lange Freiheitsstrafe nach sich zogen. Er schildert eindringlich. Es sind Schilderungen, wie wir sie uns mitunter als Verteidiger oder wahrscheinlich als auch Richter wünschen würden, wenn jemand vor den Schranken steht, aber da ist natürlich die Zeit beschränkt. Trotzdem gehört es aus meiner Sicht gerade zur Arbeit eines gewissenhaften Verteidigers, der Frage nachzugehen, wie es zu einem Delikt kommen konnte, wie ein Delikt entstanden ist. Auch der Frage nachzugehen, wo das dünne Eis gebrochen ist. Natürlich ist das nur möglich, wenn ein Mandant die entsprechenden Informationen gibt, eine gewisse Kenntnis des Milieus vorhanden ist und der Mandant auch zu den deliktischen Abläufen steht, zumindest in wesentlichen Teilen.
Sascha Campi schildert auch seine Zeit im Gefängnis und vor allem die Begegnung mit dem Therapieapparat der Justiz. Er hat während Jahren seine Delikte aufgearbeitet und auch literarisch verarbeitet. Er ist nicht jemand, der therapeutische Gespräche verweigert. Gerade deshalb ist es für Sascha Campi auch bedrückend, sich einem forensischen Therapie- und Beurteilungsapparat gegenüber zu sehen, der aus Bedenken über mögliche Irrtümer im Zweifel praktisch immer gegen die Freiheit votiert. Solche Zwischenentscheide und einzelne verweigerte Schritte interpretiert und empfindet Sascha Campi aus seiner subjektiven Warte als gegen ihn gerichtet. Hier lässt sich aus objektiverer Warte feststellen, dass er ganz einfach einem Apparat gegenübersteht, der alles tun möchte, um ja niemanden in die Freiheit zu schicken, der noch ein Rückfallrisiko darstellen könnte. Auch hier hat sich Sascha Campi im Gespräch mit mir als völlig offen und als guter Zuhörer erwiesen.
In naher Zukunft wird Sascha Campi die letzten Schritte vor seiner Freiheit durchlaufen, Urlaube, zunächst begleitet, später ohne Begleitung, weitere Vollzugslockerungen. Und in naher Zukunft wird er sich wieder auf freier Wildbahn finden. Ich bin überzeugt, dass es dem in seinem Milieu und in seiner Umgebung vom Fuchs zum Wolf gemachten gelingen wird, den Weg als Fuchs zurück zu finden, um schliesslich wieder ein wertvolles Mitglied unserer Gesellschaft zu sein.
Zürich, im Mai 2018
Valentin Landmann
Einleitung
In den frühen Morgenstunden des 10. Februars 2012 ereignete sich im Zürcher Kreis 4, an der Langstrasse ein schrecklicher Verkehrsunfall. Ein junger Lenker fuhr unter Alkoholeinfluss mit seinem Chrysler M 300 in eine Gruppe von Menschen und anschliessend in die Fassade der Lambada Bar. Bei diesem schrecklichen Unfall verstarb eine Person und mehrere wurden schwer verletzt. Das Ereignis schlug mediale Grosswellen und die Titelseiten brannten bereits am selben Morgen. Ob Amokfahrt, Bandenkrieg oder Racheakt; es wurde in den Medien über alles spekuliert. Kurz darauf ergab sich, dass der Unfalllenker vorgängig in eine Auseinandersetzung mit einer Frau geriet. Er habe sie mit einer Eisenstange geschlagen, später wurde gar von Vergewaltigung gesprochen. Medial wurde ein Unmensch generiert und nach Monaten doppelte die Blickzeitung mit folgender Schlagzeile nach: «Blick weiss! Er war bereits im Kanton Solothurn straffällig, es ging um Sex!» Der Unmensch war durch ein hängiges Verfahren aus der Vergangenheit erneut bestätigt und die Meinungen waren gemacht. Auch die Fotos sprachen Bände. Man sah einen Milieu-Typen im Anzug, sah ihn mit Samba-Tänzerinnen, mit Alkohol, mit Tattoos und mit dunklen Gestalten. Der Unmensch war eindeutig zu erkennen. Das Bezirksgericht Zürich verurteilte ihn zu 15 Jahren. Gesamthaft stand er sogar mit 18 Jahren Haft da. Anfangs 2015 erschienen noch einzelne kleinere Meldungen, weit von der Titelseite entfernt: Der Todesfahrer wurde von den Vergewaltigungsvorwürfen freigesprochen. Das Obergericht rügte die Vorinstanz in einem ungewohnt hohen Mass und bezeichnete das Urteil als in keiner Weise nachvollziehbar.
Das Urteil reduzierte sich durch Freisprüche auf 7 ½ Jahre, und es entstand eine spätere Gesamtstrafe von 8 Jahren und elf Monaten. Warum änderte sich die Strafe