Sinn. Anja Hilling
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8.
FredGanz ehrlich. Sie ist da gewesen. Im Bergdorf. Und ich hab es nicht gemerkt. Ich hab erst viel später davon erfahren. Da hat es mich nicht mehr gefreut. PhöbeEs ist voll. Als erstes seh ich Beate. Sie küsst einen Jungen mit gelben Haaren. Ihre Haut ist weiß seine dunkel. Der Kuss ist schön. Ruhig. Gegen die Musik. Gegen die Bewegung im Raum. Augen zu. Wenn Beate die Augen öffnet wird sie überrascht sein. Mich wird sie nicht sehen. In dieser Ecke. Ich sehe Fred an. Er steht wieder auf irgendeiner Wurzel. Den Kopf schief. Licht in Hasenwimpern. Ich bewege mich nicht. Ich stell mir das Gegenteil vor. Mich auszuziehen. Nackt zu tanzen zu seiner Musik. Wilde Pirouetten. Man könnte über mich lachen. Schreien. Oder applaudieren. Er würde sich über den Lärm wundern. Nicht über mich. Später. Wenn er erfahren würde. Wie ich getanzt habe. Wie ich vergewaltigt wurde. Oder abgeführt. Da würde er sich vielleicht wundern. Später. Nie sofort. Erst mal würde er für einen guten Übergang sorgen. Von einem Lied zum nächsten. Sein Pferdeschwanz berührt seinen Mundwinkel. Fred küssen. Das geht nicht. Er kennt das nicht. Wird das nie kennen. Die Überraschung über mein Gesicht nach dem Kuss. Ich will ihn ansehen. Ein letzter Blick. Dann nichts wie raus hier. Sein Kopf senkrecht jetzt und sein Blick trifft mich. Quer durch den Raum zwischen die Augenbrauen. Ein heller Strahl drückt mich an die Wand. Die Wand ist feucht. Schweiß von der Decke. Mir ist kalt. Beate spricht mich an. Beate sagt. Du siehst scheiße aus Phöbe. Sie glaubt ich werd krank. Ein neues Lied beginnt.
9.
FredAls sie nachts in den Spiegel sieht. Ist die Haut dünn über ihren Gliedern. Ihr Kopf schwer und ihre Augen. Die sind türkis. PhöbeDie Erkältung kommt sofort am Morgen nach dem Club. FredSie ist fast erleichtert über die Verstopfung der Nase. Die hohen Zahlen auf dem Fieberthermometer findet sie sachlich und schön. Ihr Mund ist trocken ihre Haut heiß. Sie kann die Augen kaum öffnen und ihr ist kalt. Den Tag verschläft sie und auch die Nacht. PhöbeAm Morgen danach. Zwei Tage nach Bergdorf. Drei Tage nach Tommis Party ruft Fred an. FredWie geht s. PhöbeIch hab seine Stimme gleich erkannt. Wer ist da. FredIch bin s. Fred. PhöbeAha. FredSchade dass du nicht da warst. Im Bergdorf. PhöbeJa. Schade. FredUnd sonst. Sonst geht s gut. PhöbeNein. Sonst geht s scheiße. FredIch komm vorbei. PhöbeNein. FredIn einer Stunde bin ich da. PhöbeNein. Du steckst dich bloß an. FredJa. Bis gleich. PhöbeNein. FredSie schreit es fast. Sie hat Angst. PhöbeNein. FredKeine Angst. Ich nehm den Stock. PhöbeDa kommt die Übelkeit zurück. In der nächsten Stunde zweimal ins Waschbecken einmal in die Toilette gekotzt.
10.
FredSie lässt mich rein. PhöbeIch weiß nicht was in mich gefahren ist. Ich bin allein. Mein Vater ist weg. Meine Mutter verkauft Blumen auf dem Biomarkt. Er ist neunzehn. Er hat einen Stock. Er könnte gefährlich sein. Wenn auch nur aus Versehen. Ich lass ihn rein. FredDir geht s wirklich scheiße. PhöbeEr hat keine Ahnung. FredSiehst du so elend aus wie du riechst. PhöbeVerpiss dich mir geht s blendend. FredDu musst ins Bett. PhöbeUnd du kommst mit oder was. FredJa. Klar. PhöbeDen Stock hält er zusammengeklappt in der Hand.
11.
FredEs sind neun Stunden gewesen. PhöbeEr hat neun Stunden an meinem Bett gesessen. Irgendwann kann ich Orangen riechen. Ich öffne die Augen. Sie sind verklebt. Hinter dem Schleier der Krusten seh ich Fred. Mir kleinen sauberen Zähnen entfernt er die weiße Haut vom Fruchtfleisch. FredVitamine PhöbeDas sieht scheiße aus dein Pferdeschwanz. Hast du niemand. Der dir so was sagt. FredHier. Iss. PhöbeHast extra Orangen mitgebracht hab ich ein Glück. Hast dich verliebt oder was. FredOder was. Fragt sie. PhöbeGeht das so schnell bei euch. Eine Stimme ein Name eine Orange. Du bildest dir da was ein. Deiner Vorstellung. Der sind vielleicht keine Grenzen gesetzt. Aber bei mir hört s auf. Hier und jetzt. Du bist blind Mann. Du weißt nicht wer ich bin. Du würdest mich nicht am Bahnhof erkennen. Ich könnte mir die Haare färben. Neon tragen. Ich könnte vor deinen Augen einen anderen küssen. Ich könnte hässlich sein wie die Nacht. Es wär dir egal. Aber das bin ich nicht. Ich bin nicht hässlich. Ich bin sogar ziemlich attraktiv und es tut gut. Das auch ab und zu zu hören. Von jemand der Ahnung hat von diesen Dingen. Jemand. Der sagen kann. Meine Freundin. Das ist die schönste Frau der Welt. Jemand. Dem man so was glaubt. Über dich würde man lachen. Über uns. Tut mir leid. Wir wären Witzfiguren. Taps und Tapperchen. Ich brauch das nicht. Wirklich. Ich brauch dich nicht. Tut mir leid. Bitte verpiss dich. Ja. Mach dich vom Acker schwing deinen Stock sattel deinen Hund. Und danke für die Vitamine. FredIch glaub nicht dass sie mich ansieht.
12.
PhöbeEr lässt die Orangen auf meine Bettdecke fallen. FredDie hab ich nicht extra mitgebracht. Deine Mutter hat sie in deiner Tasche gefunden. PhöbeDu hast mit meiner Mutter gesprochen. FredIch geh. PhöbeEr geht. Er ist schon an der Tür. Seinen Stock trägt er seitlich am Gürtel geschnallt. Ich finde ihn Wahnsinn dort an der Tür. Verwegen. Er erinnert mich an alles was gefährlich ist und schön auf dieser Welt. Wildwestduelle Geschwindigkeitsübertretungen Liebestode. Geh nicht. Es tut mir leid. Das war nicht so gemeint. Das alles. FredKlar. Klar hast du das so gemeint. Das alles. Das ist doch nicht schlecht. Eine Position zu haben. Das ist doch schon mal was. PhöbeEin Scheiß ist das. Keine Position. FredSo schnell geht das nicht. Ich bin nicht verliebt in dich. So schnell geht das bei uns nicht.
13.
PhöbeKlar hab ich alles so gemeint. Jedes Wort kam aus meinem Herzen. Und ich hab nie gesagt dass das gut wär mein Herz oder besonders. Es ist einfach ein Herz. Das die Dinge so raushaut. Und dann noch zum Lügner wird und sagt. Das war nicht so gemeint. Das alles. Ich war verwirrt. Ich bin es immer noch. Er ist blind. Und es ist absolut. In jeder Hinsicht Unsinn. Von einem Blinden verehrt zu werden. Es ist nichts wert. Nicht viel. Mein Körper wäre beleidigt meine Freunde belustigt meine Augen verunsichert. Ich würde mich selbst nicht mehr erkennen. Ich würde mich mit seinen Augen sehen. Seinen Augen. Weil das so ist. Wenn man liebt sieht man sich mit den Augen des anderen und das. Das wär so schade. Wenn alles was ich hier seh. Von heute auf morgen verschwunden wäre. Luft und Phantasie. Nur weil mein Liebster keine Augen hat. Ich meine. Das sind doch Dinge. Wirklich Dinge über die man sich ein zwei Gedanken machen kann. Die dich verwirren können. Weil du dir trotz dieser ganzen Verschwendung hier. Nichts weiter wünscht. Nicht mehr als einen Anruf. Seine Stimme zu hören. Für den Anfang. FredSie wartet zwei Tage. Dann ruft sie