Mami 1981 – Familienroman. Leni Behrendt

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Mami 1981 – Familienroman - Leni Behrendt Mami

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gesagt, wenn ich brav bin, bekommt sie ganz viel Geld… Und dann… dann kauft sie mir einen Roller. So einen wie der Erik hat. Der Erik ist mein Freund im Kindergarten.« Jakob nickte ernsthaft.

      Shanice zog die Augenbrauen hoch. Die Tante hatte wohl etwas falsch verstanden, denn nicht fürs Bravsein zahlten die Agenturen, sondern für kindliche Ungezwungenheit.

      Nico kam vorbei und blieb am Tisch sitzen. »Shanice, was ist los mit dir? Du verpaßt die beste Gelegenheit zu einmaligen Aufnahmen.« Mit einer leichten Handbewegung wies Nico Berdon auf einige Jungs, die sich ein erbittertes Gefecht mit den Wasserpistolen lieferten.

      »Übernimm du das bitte. Ich möchte mich noch ein wenig mit Jakob unterhalten.«

      Nico beugte sich tiefer und besah sich den Jungen eingehend. Ein wenig zu blaß und viel zu still erschien er ihm. »Das bringt doch nichts«, meinte er und hob die Hand, um Jakob tröstend übers blonde Stoppelhaar zu streichen.

      Der Junge wich blitzschnell aus. Doch dabei stieß er an den Becher mit Kakao, der noch unberührt vor ihm stand. Die hohe Tasse fiel um, ihr Inhalt floß über Nicos helle Hosen und hinterließ häßliche braune Flecken.

      »Oh«, piepste Jakob erschrocken. Er preßte die Lippen aufeinander, und in seinen großen dunklen Augen spiegelte sich wieder die Angst.

      Shanice nahm die Kamera hoch und hielt Jakobs reizvolles Gesichtchen in Großaufnahme fest. Um dem Jungen die Angst zu nehmen, zeigte sie ihm die Ausschnitte auf dem kleinen Monitor des Apparats. »Willst du auch mal knipsen?« Es war Shanice viel daran gelegen, das Vertrauen des verängstigten Kindes zu erlangen.

      Jakob schielte nach Nico, den die verdorbene Hose nicht zu interessieren schien. Er war weitergegangen, um ein Geschwisterpaar zu filmen, das schwitzend einen knallroten Spielzeugtraktor über den Rasen zerrte.

      »Du brauchst nur auf dieses Knöpfchen drücken«, erklärte Shanice und legte ihren Apparat in Jakobs kleine Händchen.

      »Darf ich?« flüsterte er und hob das leichte Gerät ans Auge, so wie er das bei Shanice gesehen hatte. Es klickte, und Jakob lachte schelmisch. »Jetzt bist du drauf«, verriet er. Dabei sah er Shanice bewundernd an. Sie gefiel ihm, und er war unheimlich stolz darauf, daß sie mit ihm redete. Richtig glücklich machte ihn diese Bevorzugung.

      *

      Das Zusammenräumen der Tische und das Einsammeln des zurückgelassenen Schutts überließ Nico seinen Helfern. Sie hatten noch lange zu tun, um die vielen Bonbonpapierchen, Kuchenreste und die zerbrochenen Spielsachen aufzulesen. Was unbrauchbar geworden war, flog in den bereitstehenden Container.

      »Die Schaukel ist auch zu Bruch gegangen, weil ein besonders wilder Knabe das Brett als Hebel mißbraucht hat«, meldete Shanice, als sie ins Fotolabor kam, wo Nico die Ergebnisse seiner Arbeit am Bildschirm betrachtete.

      »Das habe ich sogar im Bild festgehalten. Der kleine Rotschopf hat erstaunliche Kraft. Aber schließlich hat es ihn doch auf den Hosenboden gesetzt. Das war ihm sichtlich peinlich. Schau dir mal das Foto an. Aussagestark, was?« Nico ließ die Aufnahmen durchlaufen. »Was bei diesen Feten kaputtgeht, ist doch leicht zu ersetzen. Im Gegensatz zu dem, was für uns dabei herausspringt, ist das Pipifax. Die Schaukel und all den anderen Kram kaufen wir einfach neu. Die Unkosten brauchen wir für die Steuer.«

      Nico trat neben Shanice und legte besitzergreifend den Arm um ihre Taille. Er war nur wenig größer als sie, aber wesentlich kräftiger. Mit dem dunklen Dreitagebart und den verschmutzten Hosen wirkte er wie ein Globetrotter nach der Durchquerung eines Wüstengebiets.

      »Ich finde es klasse, mein Schatz, daß du auf die Kosten achtest. Doch inzwischen läuft unser Geschäft so gut, daß wir uns über solche Kleinigkeiten keine Gedanken mehr zu machen brauchen. Seit wir zusammenarbeiten, geht es ständig aufwärts. Du hast mir Glück gebracht, Shanice.« Nico drückte seiner Partnerin einen schmatzenden Kuß auf die Wange. Daß sie nicht nur geschäftlich, sondern auch privat liiert waren, wußte kaum jemand.

      Stolz knipste Nico seine Fotos weiter durch. Immer wieder andere Kinder erschienen auf dem Bildschirm. Sämtliche Aufnahmen waren scharf und brillant.

      »Sehr gut«, lobte Shanice. »Man merkt sofort, daß du aus der Fotobranche kommst.« Gelöst schmiegte sie sich an Nico und legte den Kopf an seine Schulter. Wenn es auch für keinen von ihnen die große Liebe war, so verstanden sie sich doch gut. Sie hatten eine gemeinsame Aufgabe, ein gemeinsames Ziel.

      »Für dieses Zwillingspaar habe ich bereits einen Job. Die Hamburger Modeagentur ›Peter und Petra‹ hat nach zwei Sechsjährigen gefragt. Die hier sind zwar erst fünf, aber das spielt keine Rolle.« Nico war schon wieder im Geschäft. Er wollte möglichst schnell reich werden und war deshalb ständig darum bemüht, seinen Gewinn zu vergrößern.

      »Ich habe auch ein paar gute Aufnahmen.« Shanice stöpselte ihr Gerät ein und konnte so die Fotos direkt auf den Bildschirm übertragen.

      Nico betrachtete die Aufnahmen fachmännisch. »Die Babys sind goldrichtig. Genau die richtige Mischung zwischen Windeln und Pausbäckchen. Mit ihnen werden wir gutes Geld verdienen, denn die Schnullerpüppchen sind gefragt. Weißt du ja selbst. Und was soll dieser Kleine mit dem Bürstenschnitt?« Nico schüttelte mißbilligend den Kopf.

      »Das ist Jakob. Ist er nicht süß?« Shanice betrachtete verzückt das ernste Kindergesichtchen mit den furchtsamen dunklen Augen.

      »Mann, das ist der Pechvogel, der mir den Kakao über die Hosen gekippt hat. Dem kann ich nun wirklich nichts abgewinnen.«

      »Er braucht ein bißchen Zeit, aber er hat Talent, das habe ich gleich erkannt.«

      »Nein, Shanice. Diesen Jungen kannst du vergessen. Mit ihm kann kein Regisseur etwas anfangen. Er taugt nicht einmal zu Modeaufnahmen. Für die Leute bedeuten Kinder Frohsinn, Gesundheit, Fortschritt, Ungeduld, lauter positive Gefühle. Dieser Knabe aber strahlt genau das Gegenteil aus und deshalb ist er völlig ungeeignet.«

      »Das scheint nur so. Ich werde ihn aus der Reserve locken.«

      »Die Mühe kannst du dir sparen, Shanice. Bisher konnte ich mich auf dein Urteil hundertprozentig verlassen. Aber in diesem Fall liegst du daneben, glaub’ mir!«

      »Jakob ist Halbwaise und deshalb etwas schüchtern. Wenn er Vertrauen zu uns hat, ändert er sich.«

      Nico winkte ab. »Nur kein falsches Mitleid. Das kann man sich in unserer Branche nicht erlauben, sonst ist man ganz schnell weg vom Fenster. Wir brauchen Kinder, die offen auf andere zugehen und bereit sind, die Erwachsenen mit tausend Fragen zu löchern. Keine Leisetreter mit Schleierblick. Ein bißchen frech, sehr verschmitzt und sehr kindlich, das sind die Boys und Girls, die ankommen. Dieser Jakob hat nichts von allem.«

      »Da täuschst du dich. Er hat alles, aber es ist unter scheuer Zurückhaltung verborgen. Wenn es uns gelingt, ihn aus der Reserve zu locken, wird er unser bestes Model.«

      »Entschuldige, aber dem kann ich absolut nicht beipflichten. Damit wollen wir die nutzlose Unterhaltung beenden. Wen hast du sonst noch auf dem Film?«

      »Niemand«, gestand Shanice, die das überhaupt nicht verwunderlich fand. »Ich habe mich die ganze Zeit mit Jakob unterhalten. Er hat mir von seiner Tante erzählt und von seinem Vater.«

      Nico trat einen Schritt zur Seite und sah seine Freundin ungläubig an. »Das darf doch wohl nicht wahr sein. Diese Castings kosten uns eine Menge Geld, und du verplemperst die kostbare Zeit

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