Julies Leben. Emmanuel Carrère

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Julies Leben - Emmanuel Carrère Punctum

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Frauen, dann Aidskranke im Gefängnis. Ihr Thema ist die Armut: Wenn man sie losschicken würde, um über den Geburtstag eines russischen Oligarchen in Courchevel zu berichten, brächte sie es wohl fertig, mit Fotos von zahnlosen Menschen zurückzukommen, die auf der Straße torkelnd allein vor sich hin reden oder hinter den Skiliften Klebstoff schnüffeln. Auf und an ihrer Seite glaubt sie sein zu müssen, doch sie zieht auch klare Grenzen. Aus ihrer Kindheit kennt sie Armut aus nächster Nähe, denn Mister Padilla, wie man ihren Vater respektvoll nannte, betreute an ihren verschiedenen Wohnorten sämtliche jugendlichen Junkies und Delinquenten, und sie hat keinerlei Drang, sich selbst in Gefahr zu bringen. Darcy ist keine Nan Goldin: Niemand in ihrem Freundeskreis ist an Aids gestorben, sie hat noch nie in ihrem Leben einen Joint geraucht, sie ist optimistisch, sportlich und achtet darauf, was sie isst, und ich glaube, nur weil sie so straight durch ihr eigenes Leben geht, kann sie sich kaputten Schicksalen wie dem von Julie so angemessen annehmen. Sie geht auf die Leute zu, fragt sich stets, was es hieße, in ihrer Haut zu stecken, und bleibt doch in ihrer eigenen. Wie mein Freund, der Richter Étienne Rigal, sagen würde – und das ist für ihn das größte Kompliment, das man einem Menschen machen kann –, sie weiß, wo sie steht.

      3

      Julie war sechs Monate alt, als ihre siebzehnjährige Mutter sie nach einem gewaltsamen Streit mit ihrem Mann schnappte, ihr Nest in Alaska verließ und sich nach Kalifornien davonmachte. Sie muss dort ein besseres Leben gesucht haben, doch sie fand keines. Als Alkoholikerin ging sie wahllos Beziehungen zu Männern ein, die bereit waren, sie und ihre kleine Tochter eine Weile zu beherbergen. Einer davon, mit dem es immerhin so lange hielt, dass Julie ihn als ihren Stiefvater betrachtete, vergewaltigte sie als Teenager, und sie lief ihrerseits davon. Mit vierzehn lebte sie auf der Straße und wurde alkohol- und amphetaminsüchtig. Als sie Jack kennenlernte, dessen Geschichte sich kaum von ihrer unterschied, ging dieser auf den Strich. Dass sie beide HIV-positiv waren, erfuhren sie bei den Schwangerschaftsuntersuchungen, doch solange sie noch nicht krank waren, machten sie sich nicht viel daraus. Sie waren überzeugt, ohnehin jung zu sterben, alle um sie herum starben jung, und sie waren vollkommen unfähig, sich irgendeine Art von Zukunft auszumalen. Und bis dahin gab Rachel ihnen einen Grund zu leben. Sie waren stolz auf sie, liebten sie und wären gern gute Eltern gewesen. Doch sie wussten nicht, was das war, gute Eltern, niemand hatte ihnen je gezeigt, wie man sich dafür verhielt. Darcy, der man schon früh beigebracht hatte, ihr Bett zu machen und ihr Zimmer aufzuräumen, war erschüttert von dem Chaos, das in dem von Julie und Jack herrschte – zu Anfang trauten die beiden sich nicht, darin Besuch zu empfangen –, und ich war meinerseits erschüttert, als ich auf einem Foto Rachels schlafendes Köpfchen neben einem Kopfkissen liegen sah, das voller Brandlöcher war, denn diese Löcher erzählen, dass ihre Mutter oder ihr Vater nicht nur einmal mit der Kippe im Schnabel weggedämmert waren und damit fast das Bett in Brand gesteckt hatten, in dem ihre kleine, zweijährige Tochter schlief.

      Trotzdem, Julie gab sich Mühe: Sie wollte, dass sie beide aufhörten, Speed zu nehmen, und weil Jack nicht wollte – oder konnte –, trennten sie sich. Das Speed verwandelte ihn in ein wildes Tier, allein schon seine Art, auf der Straße zu gehen – die Darcy mir vormachte –, war Angst einflößend. Er zog nicht weit weg: in ein anderes Hotel im Viertel, nur ein paar Blocks entfernt, doch ihr jeweiliger Lebensradius war so eng, dass er auch an die Ostküste hätte gezogen sein können. Sie verloren sich aus den Augen, doch Darcy traf sich weiter mit Julie und Rachel. Julie präsentierte sie stolz als »meine Fotografin« und war glücklich, wenn Darcy ihr Abzüge schenkte oder kleine Alben zusammenstellte, doch natürlich mochte sie am liebsten die fröhlichen Fotos, auf denen man Kinder sah, und nicht die, »die dir gefallen«, wie sie scherzte, und auf denen sie aussah wie Strandgut. Im Hotel war ein neues Paar eingezogen, ebenfalls HIV-positiv und drogenabhängig, aber nicht krank, für ihr Milieu echte Glückspilze. Sie hatten zwei Kinder, auf die Julie an Tagen, wenn die beiden übermäßig zugedröhnt waren, aufpasste, und Julie mochte es, wenn Darcy an diesen Tagen vorbeikam und die drei Kinder zusammen durchs Treppenhaus tobten und auf den Betten rauften. Dann ging man gemeinsam ins McDonald’s, und Darcy schaute zu, wie sie die Hamburger herunterschlangen, die sie ihnen spendierte; selbst aß sie nichts, denn Junkfood passte nicht zu ihren strengen Ernährungsprinzipien – eine Marotte, über die sich Julie schrecklich amüsierte und die zu einem ihrer Running Gags wurde. Einmal lud Darcy sie in einen vietnamesischen Imbiss ein, der auf der anderen Straßenseite direkt gegenüber lag, aber zu dem zu gehen Julie nie auch nur in den Sinn gekommen war. Den Imbiss gibt es immer noch, Darcy und ich waren dort, und sie erzählte mir, dass sie das Essen einmal mit Kreditkarte bezahlen wollte, der Typ vom Imbiss aber nur Cash nahm – »okay«, sagte sie darauf, »dann bring ich Ihnen das Geld morgen vorbei« –, und erinnerte sich, wie baff Julie gewesen war, weil Darcy offenbar Vertrauen genug einflößte, dass ein Händler sie, obwohl er sie nicht kannte, anschreiben ließ, statt die Polizei zu rufen, und außerdem, weil sie tatsächlich am nächsten Tag wiederkam und die Rechnung beglich.

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