Fensterfummeln. Claudia Tondl
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„Wie praktisch“, denke ich und beiße in meinen Gedanken schon in einen saftigen Apfel.
Sofort durchtappen die vielen emsigen Schritte des Bautrupps das Dunkel. Unter der Führung des Bauleiters tragen die Blaumänner eine Glasscheibe, die auf Anweisung des alten Vermessers direkt vor dem Mann im Liegestuhl aufgestellt wird.
Der Mann liegt mit einem Mal nicht mehr nur in seinem Liegestuhl im Lichtspot, sondern außerdem hinter der gerade aufgestellten Glasscheibe, die durch seine Anwesenheit dahinter sofort zum Schaufenster wird. Er liegt also in der Auslage, dort, wo alle ihn sehen können, na ja, fast alle, denn der Alte sieht ihn immer noch nicht. Für mich, den Bauleiter und seinen Trupp ist der Mann nun ausgestellt, fast nackt.
„Was für ein Albtraum“, denke ich. „Da hilft auch kein gestreifter Liegestuhl.“
Kaum gedacht, fährt der Mann aus diesem hoch und klopft verärgert an die Scheibe, laut, wieder und wieder.
Der Bauleiter wirft einen belustigten Blick in die Auslage, bevor er dem Bautrupp auf Wunsch des Alten den Aufbau zweier rechtwinklig aufeinandertreffender Straßen befiehlt. Dann schnappt er sich den Lichtspot und hängt ihn als kreisrunde Sonne hoch oben ans Firmament.
Ich trete aus der schmalen Gasse in die taghelle Szenerie.
Die Blaumänner arbeiten fleißig.
Der Alte läuft aufgeregt durch das Bild, immer wieder an mir vorüber.
Ich schaue zu, wie das Schaufenster in die zweistöckige Fassade eines – den rechten Winkel bestimmenden – Eckhauses integriert wird, das nunmehr den linken Abschluss der Straße bildet. Rechts neben dem Schaufenster wird eine Glastür in die Fassade eingehängt, über dem Schaufenster eine knappe Markise und über dem Eingang ein Schild montiert: Schauraum Am Eck.
Daran anschließend zieht der Bautrupp rechter Hand eine Häuserzeile hoch, allesamt eher niedrige, aber durchaus pittoreske Fassaden, die nach einigen Metern aus dem rechten Bildrand hinauslaufen. Der Häuserzeile entlang verläuft ein schmaler Gehsteig.
Eine ähnliche Ansicht bietet die gegenüberliegende Häuserzeile. Statt eines Schauraums richten die Blaumänner im Eckhaus ein kleines Straßencafé ein: Runde Bistrotische mit einzelnen Blumen in improvisierten Gefäßen und gemütliche Korbstühle sorgen für ein beschauliches Ambiente und laden mich zum Verweilen ein.
Ich setze mich und beobachte weiterhin das emsige Treiben.
Gerade bepflastert der Bautrupp die Fahrbahn und beschildert das Straßeneck mit dem rot-weiß-roten Einbahnrund. Sehr zu meiner Freude ist auch das sichtstörende Parken in dieser schaubaren Gasse verboten. Ich kann also ungestörten Blicks den Mann in der Auslage auf der gegenüberliegenden Straßenseite beobachten.
Der Alte überprüft mit seinem Lineal den rechten Winkel dieser Gasse mit der im Bild links nur kurz angedeuteten zweispurigen Querstraße.
Ich bestelle bei der freundlichen Bedienung einen Kaffee, überprüfe, ob ich noch genug Geld eingesteckt habe, denn eigentlich wollte ich vor dem Markt noch welches abheben, und als ich beruhigt wieder hochschaue, überprüft der Bauleiter gerade die Sicherheit der Baustelle, die im Bild am Straßeneck links neben dem Schauraum eingebaut wurde und mit ihrem einem mal einem Meter die rechtwinklig angelegten Gehsteigkanten säumt.
An der Baustelle blinkt weiterhin das Licht. Drumherum sammelt sich langsam der Trupp und trippelt schließlich geschlossen unter der Führung des Bauleiters die Querstraße hinauf aus meinem Blickfeld.
Der Alte betrachtet zufrieden sein Werk und freut sich, hier, an dieser Stelle, den Anstoß gegeben zu haben. Mit einem Blick auf das Licht versichert er sich dessen Zustimmung. Dann geht er mitsamt seinem Wissenschaftskoffer die Gasse hinunter und verschwindet bald aus dem Bild.
Eingerahmt und ausgestellt schaut der Mann nun durch das Schaufenster des Schauraums in die Gasse hinaus, zu mir herüber ins Café.
Ich winke ihm freundlich, doch er zeigt mir nur die kalte Schulter und versucht, es sich erneut in seinem Liegestuhl gemütlich zu machen.
BILDSTÖRUNG
Es beschleicht mich das Gefühl, dass der Mann im Liegestuhl das bisherige Geschehen für keine gute Idee hält. Aber er wird schon sehen. Deshalb ist er schließlich hier.
Ich auch.
Also.
7. BILD
Ich beschließe, die Wartezeit auf den Kaffee zu nutzen und mir die Auslage aus der Nähe anzusehen. Ich überquere die Straße und bleibe vor dem Schaufenster stehen. In der Auslage liegt der Mann im Liegestuhl.
„Entschuldigung“, vernehme ich eine Stimme von links. Reflexartig trete ich einen Schritt zurück und gebe so den Weg für ein Mannequin frei, das regungslos zwischen mir und dem Schaufenster vorüberschwebt. Ich traue meinen Augen nicht und meinem Mund entflieht ein erstaunter Laut, ein unentschiedenes „Ah“ oder „Oh“.
Jedenfalls macht meine Lautbildung den Mann im Liegestuhl auf das Mannequin aufmerksam und sein darauffolgender perplexer Laut versetzt wiederum das Mannequin in hörbares Erstaunen.
Jetzt sind wir alle drei überrascht, niemand traut den eigenen Augen, und das Mannequin verleiht dem allgemeinen Erstaunen als Erste Ausdruck:
„Das ist mein Platz. Warum nehmen Sie meinen Platz ein? Das ist mein Platz. Wissen Sie das denn nicht? Wie kommen Sie dazu, meinen Platz einzunehmen? Das ist mein Platz. Glauben Sie denn, Sie könnten meinen Platz einnehmen? Das ist mein Platz.“
Unbehaglich trete ich einen weiteren Schritt zurück und verstecke mein Gesicht hinter den Handflächen, etwas Besseres fällt mir in der Sekunde leider nicht ein.
„Das ist mein Platz. Warum nehmen Sie meinen Platz ein? Das ist mein Platz. Wissen Sie das denn nicht? Wie kommen Sie dazu, meinen Platz einzunehmen? Das ist mein Platz. Glauben Sie denn, Sie könnten meinen Platz einnehmen? Das ist mein Platz.“
Der Mann hat sich mittlerweile aus seinem Liegestuhl erhoben und ist näher an die Glasscheibe getreten.
Das Mannequin blickt ihm direkt ins Gesicht, völlig aufgebracht meint es wirklich ihn. Da bin ich kurz ein wenig erleichtert.
„Das ist mein Platz. Warum nehmen Sie meinen Platz ein? Das ist mein Platz. Wissen Sie das denn nicht? Wie kommen Sie dazu, meinen Platz einzunehmen? Das ist mein Platz. Glauben Sie denn, Sie könnten meinen Platz einnehmen? Das ist mein Platz.“
Das Mannequin meint eindeutig ihn. Es kann ihn dort hinter dem Schaufenster sehen und findet das, was es sieht, nicht gut. Dabei hat sich der Mann nach seiner letzten Erfahrung, nicht von allen gesehen zu werden, gerade mit dem Gedanken angefreundet, nur gedacht werden zu können. Das sagt er, weicht einen Schritt zurück und fällt mit einem lauten Rums über seinen Liegestuhl.
Erleichtert riskiere ich einen Blick über den Rand meiner Fingerspitzen. Dieser verstohlene Blick meinerseits lässt den Mann erröten. Schleunigst zieht er sich Kleidungsstück um Kleidungsstück an, während das Mannequin ihm gegenüber fortwährend Platzansprüche erhebt:
„Das ist mein Platz. Warum nehmen Sie meinen Platz