Ein gutes Verbrechen. Magdalena Jagelke
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Umschlaggestaltung: Stephanie Wunderlich
Verlag Voland & Quist GmbH, Dresden und Leipzig, 2018
© by Verlag Voland & Quist GmbH
Korrektorat: Kristina Wengorz
Satz: Fred Uhde
E-Book: zweiband.media, Berlin
ISBN: 978-3-86391-228-4
Magdalena Jagelke, 1974 in Polen geboren, lebt seit 1986 in Deutschland. Sie hat Amerikanistik studiert und danach einen Master der Bibliotheks- und Informationswissenschaft erlangt. Veröffentlichungen in Print und elektronisch. Mutter eines Sohnes.
Die Handlung und alle Personen sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden Personen wären rein zufällig.
Vorbemerkung der Autorin
Protagonistinnen und Protagonisten in Extremsituationen, von Schakalen, Hunden, Wölfen, Gazellen, Bären oder anderen Tieren aufgezogen, in den Kellern der Welt zu Hause, als von der Wissenschaft dokumentierte Fälle oder in der Kunst. Ein bekanntes Beispiel aus dem deutschsprachigen Raum ist Kaspar Hauser.
Werden wir, auf welche Art auch immer, verletzt, dann schreit es in unseren Köpfen, es geht mit uns durch. Doch so wollen wir nicht bleiben, wollen anerkannt werden, dazugehören, um jeden Preis.
Magdalena Jagelke, im August 2018
Inhalt
»Suis-je né trop tôt ou trop tard?
Qu’est-ce que je fais en ce monde?«
aus: Paul Verlaine, Gaspard Hauser chante
Mein Name ist Princesse, und das ist die Wahrheit. Ich habe meinen Selbstmord überlebt.
Ich stand im nach Tod stinkenden Morast, hatte Angst, darin zu versinken. Ich schrie ob der hellen Sonne am Himmel. Ich stellte mir vor, wie es sein würde, wenn ich aufwachte. Die Sonne würde scheinen. Vögel würden singen. Mutter würde da sein und wäre freundlich wie noch nie. Ich würde anders sein, ein Käfer vielleicht oder ein Blatt am Baum.
Manchmal mache ich einen Umweg. Ich horche auf das Rascheln zwischen meinen Stiefeln. Dem an mir vorbeitrippelnden Hund an der Leine tropft es aus der Schnauze. Gelbölige Spucke. Der Hund hustet in den Blätterhaufen, dann kackt er auf die Blätter. Die Blätter wirbeln auf.
Ich sitze am Fenster und pfeife vor mich hin, eine Melodie aus meinem Kopf. Ich beobachte die Fliegen. Sie schlagen sich um die Krümel von den Keksen, die ich vorher aß.
Noch immer schaue ich durch die Scheibe in den Regen. Dort ist es grau, sind konturenlose Schatten.
Die Sonne hängt neben einem Firmenlogo, um das Licht herum versammeln sich die Wolken.
Die Sonne sticht ihre Strahlen in den Himmel. Mit den Pfeilen im Herzen schreit der Himmel auf.
Einmal sagte Mutter, die Arbeit sei getan. Dass sie die Rosen niedergemetzelt habe. Ich fragte sie, was für Rosen und warum. Sie antwortete:
»Da war Ungeziefer. Überall solche Würmer.«
Mein Schnaufen, das Pulsieren überall in meinem Körper und der Gestank, der Schweiß unter den Achseln.
Ohne Schweiß kein Preis, bläute Mutter mir ein, und dass nach einem Gewitter ein Regenbogen kommt.
Wenn ich zurückblicke, erinnere ich mich an die Hunde. An den Mond, an die Milch, die glühende Sonne und schreiende Blätter, an die Banknoten, die Mutter mir schickte, und an Mutters Lied. Jene Musik in meinem Kopf.
Steckte Mutter früher ihr Haar hoch, war ihre weiche Haut besser sichtbar. In ihrem Gesicht steckten grüne Augen, die Männer starrten sie an, pfiffen ihr hinterher.
Schneite es, zog sie mich zu sich auf den Schoß, und wir hockten am Fenster, vor dem die Flocken tobten. Mutter erzählte von dem Tag meiner Geburt, dass sie unter Schmerzen einen Sturm beobachtete und dass sie mir, als ich schließlich auf ihrer Brust lag, vorsang. Und dass sie an Gott dachte, während sie so sang.
Mutters Mutter besuchte uns manchmal. Sie legte nie ihre Jacke ab. Unter der Jacke versteckte sich ihr Seelentier. Ich fürchtete mich vor diesem Tier.
Großmutter war ein Tier.
Vater ist Soldat, von ihm lernte ich, wie man schlaffe Säcke boxt. Er scheuchte mich durch das Haus. Mach dies, Tara, hol das.
Mutter kochte selten und nahm mich kaum in den Arm. Sie tanzte auf den Illustrierten, die für Hausfrauen gedruckt werden. Erst verließ sie Vater und später mich, sie sagte:
»Du bist alt genug«,
griff nach ihrem Mantel und ging einfach aus der Tür.
Dass dies das Beste gewesen sein soll, was sie mir antun konnte, erfuhr ich erst später. Anfangs war ich wie taub. Ich lief von einer Ecke zur anderen, weinte im Zimmer, mit dem Regen, der vor den Fenstern lärmte, ging wie auf Scherben, zog die Vorhänge auseinander, und der Mond fiel über mich herein mit all seinen dummen Mysterien. Dem Mond beichtete ich meinen Kummer. Zum Trost drückte der Mond mich mit seinem Glanz. Doch konnte ich nicht aufhören zu weinen, wollte nachts nicht schlafen. Tag und Nacht vermischten sich, und ich saß im Zwielicht vor einer Packung Rasierklingen. So stellte ich mir den Tod vor. Etwas, das einen aus dem Vorher in ein Nachher