Nur einmal. Kathleen Collins

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Nur einmal - Kathleen  Collins

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denkt an die mahnenden Worte ihres Vaters, Problemen mit Zimmergenossinnen von vornherein aus dem Weg zu gehen (IH!!!! In meinem Zimmer sitzt eine »Negerin«!!!): Verlang immer ein Einzelzimmer. Sie erinnert sich an jedes dieser Einzelzimmer – eins pro Jahr. Doch einsam war sie nie. Sie wurde (im ersten Jahr) zur Studentensprecherin gewählt, war (im zweiten Jahr) Studentenvertreterin im Disziplinarausschuss und im Jahr darauf irgendetwas anderes … Sie war sich sicher, dass sie eine von ihnen war, bis zu dem schicksalhaften Tag, als das ERSTE SIT-IN stattfand und sie mit der Frage konfrontiert wurde, warum sie selbst so privilegiert war, wo doch, wie sie von den SITZSTREIKENDEN erfuhr (die in Scharen in alle fast-weißen Einrichtungen im Land strömten und Vorträge hielten), so viele Angehörige ihrer Rasse (viel später erst wurde daraus »ihr Volk«) in Armut und Verzweiflung lebten und sogar um ihr Wahlrecht, ein amerikanisches Grundrecht, betrogen wurden. Dabei waren sie Amerikaner, genau wie sie. Und so teilte sie ihrem (noch nicht gelähmten) Vater an Ostern mit, dass sie im Sommer in den Süden fahren und bei der Wählerregistrierung helfen werde, dass sie im Sommer in den Süden fahren werde, um ein für alle Mal herauszufinden, was es hieß, »schwarz« zu sein.

      In jenem Sommer war sie völlig unerwartet zu einer verblüffenden Erkenntnis gelangt: Sie konnte jeden heiraten, nicht nur einen farbigen Arzt/Anwalt/Lehrer/Professor, sondern jeden. Einen mexikanischen Lastwagenfahrer. Einen japanischen Psychiater. Einen südafrikanischen Journalisten. Jeden. Sogar einen Weißen. Das war der fruchtbarste Ertrag jenes Sommers, in dem sie Baumwolle und Gurken pflückte und mit einer »schwarzen« Freundin, die wie sie ihrer bürgerlichen Vergangenheit entfliehen wollte, in Momma Dollys Hühnerhof Sonnenbäder nahm. Sie verwandelten sich in erdverbundene Frauen, in »schwarze« Farmerinnen, im Einklang mit der Natur und den Jahreszeiten, im Einklang mit der Welt ihrer Vorfahren aus dem Süden, im Einklang mit dem weiten Südstaatenhimmel und seinen wankelmütigen Sternen.

      Dort lernte sie auch ihren jungen Liebhaber (»weiß«) kennen. Er teilte ihr karges Leben aus Maisbrot und Schweinsinnereien, während sie auf den heißen Schotterstraßen von Haus zu Haus zogen und die Leute baten, mitzukommen und zu wählen, mitzukommen und sich erschießen zu lassen, mitzukommen und ihr Leben für die Aufhebung der Rassentrennung zu opfern. Sie konnte gut vor Menschen reden. Sie führte diese Begabung auf ihre Südstaatenwurzeln zurück, von denen ihre Eltern absolut nichts wissen wollten (weshalb sie in ihrem Beisein auch nie darüber sprachen, dass ihr Vater vor seinem Schlaganfall selbst ein begnadeter Redner gewesen war). Sie liebte es, mit ausgebreiteten Armen und Tränen im Gesicht auf der Kanzel zu stehen, sich für die Freiheit zu opfern und andere zu bewegen, es ihr gleichzutun, sich dieser großartigen »We Shall Overcome«-Bewegung anzuschließen, in der Schwarz und Weiß Hand in Hand Richtung Freiheit marschieren würden.

      Ein Schauer lief ihr über den Rücken. Sie saß still in dem sonnenlosen Zimmer und erinnerte sich. An die Angst. Dass sie zu weit gegangen war. Dass sie die Realität verleugnet hatte, bis Momma Dollys Farm eines Tages von Kugeln durchsiebt wurde und sie wieder nach Hause fuhr. Um ihr Studium abzuschließen. Um Reden zu halten, Lieder zu singen, Spenden zu sammeln. Aber zurück ging sie nie. Auch nicht, als der Anführer der Bewegung sie persönlich bat, ihr Studium zu nutzen und im Süden als Lehrerin zu arbeiten. Sie hielt Reden und sang, sammelte Spenden und schickte Kleidung. Aber sie ging nie mehr zurück. Nur in den Erzählungen ihres Liebhabers (»weiß«), der nachts wach in dem Gefängnis in Mississippi lag. Mehr ertrug sie nicht.

      Sie macht kurz die Augen zu. Sie liest gerade Aufstieg und Fall des Dritten Reiches, Psychologie des Seins, Hasenherz, Der Zentaur (»Hör mir zu, mein Mädchen. Ich liebe dich, ich möchte ein Schwarzer für dich sein …«). Jeden Mittwoch um fünf offenbarte sie sich eine Stunde lang einem ewig müden Psychiater, der ihr durch sein ständiges Einnicken zu verstehen gab, dass nicht nur sie, sondern jedes allzu gründlich sezierte Leben derart langweilig war, dass einem unweigerlich die Augen zufielen. Er sagte, sie sei manisch-depressiv. Alle Schwarzen neigten zur manischen Depression, erklärte er. Alle erlebten Phasen höchster Euphorie und verfielen dann plötzlich in tiefste Niedergeschlagenheit, sagte er. Das komme wahrscheinlich vom vielen Singen und Tanzen, sagte er. Also ging sie in die Bibliothek und schlug »manische Depression« nach. Notierte sich ihre Symptome, um sie später in ihrem Zimmer aufzuhängen: rauschhafte Zustände, gefolgt von schweren Depressionen, verbunden mit dem Verlust des Selbstwertgefühls, einer inneren Leere und dem Glauben, dass das Leben sinnlos ist (später, als sie dahinterkam, dass die innere Leere von dem dunklen erdrückenden Schacht herrührte, in dem sie sich Tag und Nacht aufhielt, und dass der Rausch nur ein sonniges Zimmer weiter wartete, lachte sie darüber).

      Sie wünschte sich, ihr Vater würde ihre Ausrutscher verzeihen. Ihre Ausrutscher bezüglich der Rasse und auch die sexuellen. Nach der ersten Nacht staunte sie: Deshalb das ganze Theater? Deshalb wachte ihr Vater mit Argusaugen über sie und musterte jeden Mann, mit dem sie ausging, wie einen potenziellen Feind? Deshalb? Wegen dieses merkwürdigen glitschigen Geschiebes, das manchmal mit einem kurzen Stöhnen endete. Mit einem komischen schwachen Zucken. Und dann? Wie kam ihr Vater nur darauf, sie würde unter die Räder kommen, weil sie mit einem Mann geschlafen hatte und jetzt einen anderen (zugegeben, einen »weißen«) Mann heiraten wollte? Was war schon dabei? Sie wünschte sich, ihr Vater könnte sprechen, würde nicht einfach daliegen und sie anstarren, als wäre sie »farbig«, als hätte sie sich nunmehr tatsächlich in eine »farbige Frau« verwandelt und wäre unrettbar verloren. Das quälte sie am meisten. Nicht dass sie sich »hergegeben« hatte, wie ihre Mutter es ausdrückte, sondern dass sie nicht mehr das über alles geliebte Kind ihres Vaters war. Sie hatte sogar die größte Sünde begangen, die größte, unverzeihliche Sünde, die ein (»schwarzes«) Mädchen begehen konnte: Sie hatte sich die Haare abgeschnitten. »Wie viele schwarze Mädchen sind schon mit langen Haaren gesegnet?«, hatte ihr Vater gejammert. »Wie konntest du nur eine Schwarze aus dir machen, die aussieht wie alle Schwarzen? Was hast du dir bloß dabei gedacht?« Er drehte sich um und ging. Sie spürte, wie ihre Haut dunkler wurde, als er sie aus dem Krankenhausbett anstarrte; ihre Haare fühlten sich nicht nur kurz an, sondern auch sagenhaft buschig. Jeden Augenblick würde sich ihr Gesicht zu einem zahnlosen Grinsen verzerren, und sie würde zur Inkarnation seiner schlimmsten Albträume werden – sie würde rückwärts zur Tür schlurfen, grinsend und mit zu Berge stehendem buschigen Haar, durch und durch eine »farbige« Frau. Das las sie in den grauen Mittelschichtsaugen; das war der Auslöser für seinen Schlaganfall: die plötzliche Verwandlung seiner geliebten, klugen Tochter (die einzige »Schwarze«, die an dieser Bergfestung studiert hatte) in eine »Farbige«. Sie saß wie erstarrt auf ihrem Stuhl. Wenn sie sich nur von der düsteren Stimmung befreien und im Licht dieser Liaison aufblühen könnte. Immerhin würden sie schöne Kinder haben. Das waren sie alle, diese »Mischlingskinder«, die aus der Verbindung von Chinesen und Weißen, Indianern und Schwarzen oder auch von Weißen und Schwarzen hervorgingen, als erhielten sie durch die Paarung nur die besten körperlichen Eigenschaften: ein paar Wellen für das zu glatte Weißenhaar, die zu breite Schwarzennase ein wenig feiner gemeißelt, die chinesischen Schlitzaugen zart gerundet und mandelförmig. Ihr gefiel die Vorstellung, ein »Mischlingsbaby« zu haben. Sie legte die Hand auf ihren Bauch und schlug die Augen auf. Im Zimmer war es dunkel. Obwohl zwei Hundertfünfzig-Watt-Glühbirnen brannten, war es dunkel. Sie hörte, wie ihre Mitbewohnerin den Schlüssel ins Türschloss steckte.

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