Der Sonderermittler. Hans Becker

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Der Sonderermittler - Hans Becker

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unbekannt und ich habe sie persönlich nie erlebt. Überhaupt stand der überwiegende Teil der Bevölkerung nicht so aggressiv wie heute der Polizei gegenüber. Meist hatten wir ein freundliches, aber bestimmtes Auskommen miteinander, und ein rasender Mopedfahrer zügelte sich schon, wenn der ABV mit dem Zeigefinger drohte. Heute kann man dazu wohl nur noch sagen: Es war einmal vor langer, langer Zeit …

      Wechsel ins Ministerium für Staatssicherheit

      Im Herbst 1966 war ich in der Haftanstalt Naumburg bei einer Beschuldigtenvernehmung bemüht zu begreifen, was der Häftling meinte, wenn er sagte: »Dann fasste ich sie bei den Rollhügeln …«. Er hatte eine Freundin beim Geschlechtsverkehr erwürgt. Ich wusste nicht, was an einer Frau der Rollhügel ist. Er war geistig nicht voll entwickelt, so hatte ich ohnehin Mühe zu begreifen, was er meinte. Als dann auch noch die Tür geöffnet wurde und mir ein Posten einen Zettel reichte, war ich zunächst etwas verärgert. Aber als ich las: »Sofort persönlich beim K-Leiter in Halle erscheinen«, war mir klar, dass es wieder irgendwo einen neuen Fall gegeben hatte. Ich brach die Vernehmung ab, ohne zu wissen, was ein Rollhügel ist, und fuhr nach Halle.

      Im Zimmer des K-Leiters saßen zwei mir unbekannte Zivilisten. Mir wurde mitgeteilt, dass die Gäste Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit aus Berlin seien, die eine Unterredung mit mir führen wollten. So gingen wir in mein Zimmer.

      Beide stellten sich als Mitarbeiter der Kaderabteilung des MfS vor, und nach einigen belanglosen Worten stellten sie die Frage, ob ich bereit sei, in das Ministerium zu wechseln. Dort würde eine Spezialabteilung aufgebaut, in der hauptsächlich erfahrene Kriminalisten aus der gesamten DDR arbeiten würden. Ich sei vorgesehen, in einem Referat zur Untersuchung von Tötungsdelikten Dienst zu verrichten, und sollte das mit meiner Frau bereden. Der Wechsel könne im Frühjahr 1967 erfolgen, ich bekäme eine Wohnung in Berlin und alles andere würde durch das Ministerium geregelt. Am nächsten Tag sollte ich dem K-Leiter die Entscheidung mitteilen. So war nach einer halben Stunde die Unterredung beendet.

      Für mich war dieses Angebot auch eine Anerkennung meiner bisherigen Untersuchungstätigkeit. Es gab für mich keine andere Antwort, als dieses Angebot anzunehmen. Meine Ehefrau war aber nicht so begeistert wie ich. Unser Sohn hatte bald Jugendweihe, die er dann in einer fremden Umgebung feiern würde. Doch es gab keinen Streit.

      Aber vor dieser Entscheidung von meiner Ehefrau und mir hatten wir schwierige Gespräche mit unserem Sohn Udo, unserem einzigen Kind. Er war zwölf Jahre alt und wollte seine Klassenkameraden nicht verlassen. Wir hatten große Mühe, ihn für den Umzug zu begeistern. Doch die größten Schwierigkeiten hatten wir mit der Mutter meiner Frau. Sie weinte um ihren Udo, an welchem sie abgöttisch hing. Sie war jahrelang mit der Straßenbahn in unsere Wohnung gefahren, hatte dort den schlafenden Jungen von meiner Ehefrau übernommen, ihn den ganzen Tag betreut, mit ihm gespielt, gesungen und geweint und sollte sich nun von ihm trennen. Abends hatte sie, als Udo noch klein war, ihn an meine Ehefrau in unserer Wohnung übergeben und ihn später, als er schon laufen konnte, zur Straßenbahn gebracht, wo ihn meine Frau, aus den Bunawerken kommend, wieder übernahm.

      Es waren lange und schwierige Gespräche nötig, um ihre Zustimmung zu erlangen. Mit meinem Schwiegervater hatten wir weniger Mühe. Er verstand das als Befehl, den man ausführen müsse, auch wenn es Härten gäbe. Und so gingen wir auf die Dinge, die da kommen sollten, zu, ohne richtige Vorstellung davon, wie sich unsere Zukunft gestalten würde.

      Bei der Verabschiedung in sehr kleinem Kreis erhielt ich eine Urkunde »Für ehrenvolle Pflichterfüllung in den Organen des Ministeriums des Innern.« Am 1. April 1967 fuhr ich mit der Bahn nach Berlin und fragte mich zum Ministerium durch. Ich wurde dort in einem etwas abseits gelegenen Zimmer von einem mürrischen Kaderoffizier empfangen und über die Wichtigkeit des MfS und die aktuelle Weltpolitik mehr als langatmig belehrt und eingewiesen. Ich musste auch eine handschriftliche Verpflichtung über den Dienst im MfS schreiben und unterschreiben. Dort erhielt ich auch meinen Dienstausweis als Mitarbeiter des MfS. Ich hatte aber auch noch meinen Dienstausweis als Mitarbeiter des Ministeriums des Innern bei mir. Als ich darauf hinwies, winkte er nur ab und ich ahnte nicht, dass das viele Jahre so bleiben würde.

      Und so war ich innerhalb einer Stunde nicht mehr Oberleutnant der Kriminalpolizei des Ministeriums des Innern, sondern Oberleutnant und Sachbearbeiter in der Hauptabteilung Untersuchung des Ministeriums für Staatssicherheit.

      Ein Kraftfahrer fuhr mich im Anschluss zur Stätte meiner zukünftigen Arbeit. Zu meiner Überraschung traf ich zwei Mitarbeiter aus Morduntersuchungskommissionen der Volkspolizei, welche ich aus der gemeinsamen Arbeit bei der Aufklärung von Tötungsdelikten kannte. Einer war aus der MUK Berlin und einer aus der MUK Dresden. Wir umarmten uns wie Verwandte nach langer Trennung und verbrachten diesen Tag in Gesprächen über Vergangenheit und Zukunft. Ich erhielt ein Zimmer in einem in der Nähe befindlichen Einfamilienhaus, welches ich nun mit anderen Mitarbeitern der neuen Dienststelle bewohnte.

      Die neue Diensteinheit nannte sich »Hauptabteilung IX/7«. In den nächsten Tagen wurde mir Grundwissen über die Struktur des MfS übermittelt. und da ich vorher noch nie in einer Kreisdienststelle oder Bezirksverwaltung des MfS tätig gewesen war, halfen mir die Gespräche mit den beiden mir bekannten Morduntersuchern sehr. Ich lernte Vorgesetzte kennen, die Garagen sowie ein kleines Labor und erfuhr, wer Branduntersucher und wer Kriminaltechniker war. So langsam fand ich mich in der neuen Umgebung zurecht. Mir wurde ein Schreibtisch in einem kleinen Zimmer zugewiesen, welches ich nun für viele Jahre nutzen sollte.

      Zu den drei Morduntersuchern kam dann noch ein vierter Mitarbeiter aus dem MfS hinzu. Wir befassten uns mit unserem Arbeitsgebiet als spezielle Diensteinheit des MfS. Der Referatsleiter war Hauptmann I.

      Ich erfuhr, dass unsere Aufgabe darin bestehen würde, politisch-operativ bedeutsame Vorkommnisse wie Tötungsdelikte, Suizide, Havarien oder Brände, Störungen auf Verkehrswegen, Flugzeugabstürze oder Zwischenfälle in der zivilen Luftfahrt, Vorkommnisse, in welche Regierungsmitglieder einbezogen waren, wie z.B. Verkehrsunfälle, auf das Vorliegen der Tätigkeit (staats-)feindlicher oder negativer Kräfte zu untersuchen. Der Terminus »politisch-operativ bedeutsam« umfasste dabei jedes denkbare Szenario, auch Dinge, die nicht von vornherein als strafbares Delikt erkannt oder deklariert werden konnten oder mussten.

      Die Grundlage für unsere Tätigkeit war ein Befehl des Ministers für Staatssicherheit aus 1958 und der Befehl Nr. 18/67 vom 19. Mai 1967. Mit dem Befehl aus dem Jahr 1958 wurde im MfS eine spezielle Kommission zur Untersuchung von Tötungsdelikten und Bränden geschaffen, denn es hatte sich als notwendig erwiesen, Diensteinheiten zur Untersuchung und Aufklärung von Vorkommnissen und Erscheinungen mit staatsfeindlichem Charakter oder hoher Gesellschaftsgefährlichkeit zu schaffen.

      Der Befehl 18/67 beinhaltet den Aufbau von Spezialkommissionen der Linie Untersuchung in den Bezirksverwaltungen des MfS Rostock, Cottbus, Magdeburg, Halle, Karl-Marx-Stadt und Erfurt (»Linie« bedeutet im MfS, dass diese Aufgabe in den weiteren Gliederungen im Bezirk und im Kreis jeweils einer dortigen Einheit oder bestimmten Mitarbeitern zugeordnet war). In den Jahren 1969 und 1970 erfolgte der Aufbau derartiger Kommissionen in den Bezirken Schwerin, Dresden, Frankfurt/Oder, Leipzig, Neubrandenburg, Suhl und Gera. Somit war in jeder Bezirksverwaltung für Staatsicherheit (BV) eine Spezialkommission vorhanden.

      Wir waren uns bewusst, dass wir diese Aufgabe nicht allein oder neben den Kriminalisten des MdI durchführen konnten. Wir waren der Meinung, da wir alle aus dem MdI kamen, unsere Verbindungen zu den Morduntersuchungskommissionen der Volkspolizei zu pflegen und auszubauen. Den MUK war zu erläutern, dass es jetzt beim MfS eine Spezialdienststelle gab, die gemeinsam mit ihnen die Untersuchung von Verbrechen gegen Leben und Gesundheit oder auch andere Straftaten durchführen würde. Das mussten wir mit den MUK abklären, um zu vermeiden, dass wir völlig unangemeldet im gleichen Delikt tätig wurden. Wir führten persönliche Gespräche mit den MUK und betonten immer, dass sich diese Zusammenarbeit günstig für die Aufklärung von Verbrechen auswirken würde, da wir ja auch

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