Wundersame Geschichten II. Detlev Stäcker

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Wundersame Geschichten II - Detlev Stäcker

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Tag.«

      Sie fing sogar an zu weinen, was Mr Merskin nur nervöser machte.

      »Ich verstehe Ihre Situation ja völlig, liebes gnädiges Fräulein. Wer könnte nicht! Aber die juristischen Regeln sind nun einmal wie eiserne Klammern. Ich kann sie nicht ändern. Und ich möchte nicht wissen, was die Versicherung sagen würde, wenn wir uns an die genauen Regeln für die Aushändigung nicht halten würden.«

      Er schnäuzte sich, weil die Aufregung etwas viel für ihn wurde.

      »Nun beruhigen Sie sich bitte, mein Fräulein. Wir haben uns ja schon einen Weg ausgedacht, wie dem Recht einerseits und Ihrem Anspruch, das Juwel am Tag Ihrer Volljährigkeit tragen zu können, Genüge getan werden würde. Es gibt zwei Möglichkeiten: entweder wird es Ihnen hier am Sonntag, Ihrem Geburtstag, zur Verfügung stehen. Wir werden also hier sein, wenn Sie es abholen lassen. Oder aber, wir bringen es Ihnen an Ihrem Geburtstag nach Hause. Amy Burgess, meine Assistentin, hat sich bereit erklärt, den Umschlag mit angemessenem Schutz zu Ihnen nach Colridge Manor zu bringen, sodass es Ihnen dort spätestens zur Mittagsstunde zur Verfügung steht.«

      Die Aussicht darauf, dass sie ihren Schmuck rechtzeitig erhalten würde, beruhigte die junge Frau. Sie wandte sich an Amy. »Würden Sie das wirklich für mich tun? Ich wäre Ihnen ja so unendlich dankbar. Ich selbst kann an dem Tag nicht kommen. Mein Vater, der gesundheitlich nicht besonders gut dran ist, könnte ebenso wenig kommen und der ganze Haushalt steht sowieso kopf wegen des Festes am Abend. Ich würde Sie auch gern einladen, daran teilzunehmen, wenn Sie mir den Gefallen erweisen. Ich schicke Ihnen unseren Wagen mit John, unserem Chauffeur, der Sie sicher nach Guildford bringen wird und zurück.«

      »Ich tue das gern, Miss Haswell, und komme lieber mit meinem eigenen Wagen. Ich fühle mich sicher, zumal ich besonderen Schutz habe.«

      Diese Bedingung, dass Blackie sie auf der Fahrt begleiten dürfe, hatte sie Mr Merskin abgetrotzt.

      »Dann ist ja alles wunderbar geregelt.« Julia Haswell war erleichtert. »Ich bin allerdings überrascht, wie formal die Juristen sind und wundere mich natürlich ein bisschen darüber. Das müssen Sie, Mr Merskin, einer jungen Frau ohne Erfahrung nachsehen. Aber Sie werden sicherlich Verständnis dafür haben, dass ich dieses Erbstück, dieses Juwel, das als wichtigste Preziose der Familie gilt und das nur meine Mutter ein paar Mal getragen hat, nachdem Großmutter gestorben war, gern einmal wiedersehen und in der Hand halten möchte, wenn Sie es mir denn schon nicht heute überlassen wollen.«

      Mr Merskin überlegte nur kurz. »Dagegen kann wohl keiner etwas haben, gnädiges Fräulein. Amy, geben Sie mir bitte mal den Umschlag.«

      Er nahm den Umschlag, zeigte das unversehrte Siegel, brach es und entnahm ihm eine blaue Kassette, die er auf den Tisch legte. Mr Merskin wandte sich fast väterlich an Julia Haswell. »Öffnen Sie nur die Schatulle. Es ist ja bald die Ihre.«

      Julia Haswell drückte auf den goldenen Knopf an der einen Längsseite, der Deckel sprang auf.

      Auf ihrem Gesicht zeichnete sich Erstaunen und gleichzeitig Erschrecken ab. Sie schlug sich die Hand vor den Mund, als wenn sie einen Schrei unterdrücken wolle. Alle anderen sahen es im gleichen Moment: Die Kassette war leer. Einen Augenblick stand entsetztes Schweigen im Raum. Selbst der sonst so beherrschte Mr Merskin war wie gelähmt. Dann sprachen mehrere Stimmen gleichzeitig durcheinander. Mr Merskin wollte schon nach der Kassette greifen, um sie näher zu untersuchen, als Amy ihn zurückhielt und ihm halblaut riet, sie nicht zu berühren, um mögliche Spuren nicht zu verwischen. Der alte Herr gewann sofort wieder seine besonnene Ruhe und Autorität.

      »Bitte, niemand darf etwas anrühren. Hier ist etwas völlig Unglaubliches passiert. Ich fürchte, wir müssen die Polizei einschalten.«

      Mr Merskin unternahm es selbst, das zu tun, bat Mr Goodwin, alle Unterlagen bezüglich des Verwahrstücks für eine Untersuchung vorzubereiten, und Amy, sich der immer noch fassungslosen Julia Haswell anzunehmen. Das Zimmer mit dem Umschlag und der Kassette auf dem Tisch wurde verschlossen.

      Es gelang Amy, Julia Haswell einigermaßen zu beruhigen. Sie stellte ihr Blackie vor und war froh, in ihr eine tierliebende Seele zu entdecken, die darüber fast ihren Kummer vergaß. Blackie schien zu fühlen, dass Amy seine Hilfe brauchte und gab sich einigermaßen zutraulich, sodass Julia schließlich von Rasse und Würde des großen Hundes ganz fasziniert war und anfing, mit Amy über die Möglichkeit zu reden, mit ihm eine Zucht anzufangen. Dieser Vorschlag kam ihr ganz natürlich, weil ihr Vater, wenn man ihr glauben konnte, durchaus mit ihrer Hilfe eine eigene Spanielzucht aufgebaut hatte. Sie redete über das Thema mit großem Engagement und offenbar umfangreicher Sachkenntnis, was Amy, der solche Überlegungen völlig fernlagen, einigermaßen verlegen machte. Jedenfalls überbrückte das großartig die Zeit, bis Mr Merskin die beiden jungen Frauen in das Besuchszimmer bat, in dem inzwischen zwei Detektive der Polizei des County Surrey warteten. Leutnant Morsley begann mit seiner Vernehmung und ließ sich Hintergrund und Umstände dieses merkwürdigen Verlustes erklären. Es wurde festgestellt, dass der Umschlag mit unbeschädigtem Siegel von der Bank in die Kanzlei gebracht und erst dort in Gegenwart von allen Beteiligten geöffnet worden sei. Es wurde weiter festgestellt, dass der Umschlag mit der Kassette in den vergangenen Jahren ab und zu aus der Verwahrung geholt worden war, weil Julia Haswells Mutter bis zu deren 21. Geburtstag ein Verfügungsrecht über den Schmuck hatte und ihn wiederholt benutzte. Der Schmuck wurde anschließend zurück in die Verwahrung durch die Firma Merskin & Threadwell verbracht.

      Hier hakten die erfahrenen Detektive ein. Wie oft war der Umschlag in den Jahren abgeholt worden? Wann zum letzten Mal? War er versiegelt zurückgebracht worden oder waren Kassette und Inhalt überprüft und der Umschlag in der Kanzlei versiegelt worden?

      Es brachte Mr Merskin und die zuständigen Mitarbeiter in der Kanzlei etwas ins Schwitzen, glaubwürdig zu erklären, dass der Umschlag mit der Kassette vor vier Jahren zum letzten Mal abgeholt und mit dem Siegel der Haswells verschlossen, zurückgebracht und in Verwahrung genommen worden sei.

      Das machte eine Untersuchung erforderlich, wie mit dem Schmuck umgegangen wurde, wenn er von der letzten Viscountess Haswell benutzt wurde. Mr Merskin hatte den Viscount bereits telefonisch von dem Verlust des Schmucks unterrichtet und verabredete in einem weiteren Gespräch, dass Detektive mit den sonstigen Beteiligten von Merskin & Threadwell am folgenden Tag nach Colridge Manor kommen würden, um die Untersuchung fortzusetzen. Viscount Haswell bat darum, die ganze Angelegenheit vertraulich zu behandeln, was Mr Merskin ihm auch zusicherte.

       Am Kopf des Eichentisches in der großen Halle von Colridge Manor saß der alte Viscount Haswell, rechts neben ihm Mr Merskin, links von ihm seine Tochter Julia. Sonst um den Tisch verteilt saßen die beiden Detektive, Mr Goodwin von der Kanzlei und ganz am Ende Amy. Wie üblich lag Blackie hinter ihrem Stuhl. Vor dem Tisch hatten sich einige der Angestellten des Hauses aufgestellt, an ihrer Spitze der Butler, der weißhaarige George Boswell, dann der Sekretär des Viscount, Alfred Erwin, und ihm folgend noch die ehemalige Zofe der Viscountess und der Fahrer John. Auf die Anwesenheit weiterer Angestellter hatten die Detektive verzichtet. Das Corpus Delicti, der Umschlag mit der leeren Kassette, lag auf einem kleinen Tisch etwas an der Seite.

      Detektiv-Leutnant Morsley gab dem Viscount und den sonstigen Beteiligten einen kurzen Bericht über den Sachstand der Untersuchung. Er endete damit, es gebe gewisse Verdachtsmomente, dass das bedeutende Familienschmuckstück beim letzten Gebrauch hier in Colridge Manor abhandengekommen sei. Um diese zu erhärten oder auszuschließen sei vorgesehen, alle Mitglieder, die mit dem Schmuckstück zu tun gehabt hätten, zu befragen. Darüber hinaus wolle man auf Wunsch der Familie die Hilfe von Hunden einsetzen, die mit ihrem Geruchssinn vielleicht schneller, als es Menschen vermögen, Spuren finden könnten. Dahinter steckte ein von Amy mit Julia Haswell ausgedachter Einsatz von Blackie, dem nach einigem Zögern auch der Viscount zugestimmt hatte, nachdem er Blackie

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