Ostfriesen morden anders. Peter Gerdes

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Ostfriesen morden anders - Peter Gerdes

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sicher noch einige Zeit auf sich warten lassen würde, denn Bertram Wattjes konnte sich jede erdenklich ärztliche Behandlung leisten. Auch in das edelste aller Pflegeheime hätte er sich locker einkaufen können. Das aber wollte er nicht. Er wollte seine letzten Jahre in seinem eigenen Haus verbringen, betreut von seiner eigenen Tochter.

      Alles in Evelyn sträubte sich dagegen, dieses Angebot anzunehmen. Aber es war einfach zu verlockend. Nicht nur freie Unterkunft und Verpflegung, auch ein regelmäßiges Gehalt stellte Vater ihr in Aussicht, außerdem Unterstützung durch professionelle Pflegekräfte, die ihr zuarbeiteten und ihr freie Nächte und Wochenenden verschafften. Trotzdem hätte sie sicherlich nein gesagt, nach all der Ablehnung, die sich als Kind und Jugendliche empfunden und all dem Hass, der sich bei ihr angestaut hatte. Aber Vater wäre nicht Vater gewesen, wenn er das nicht einkalkuliert hätte. Er verband das Angebot mit einer Daumenschraube: Entweder Evelyn kam, dann blieb ihr Name in seinem Testament stehen – oder sie kam nicht, dann würde er sie aus seinem letzten Willen streichen.

      Nur das nicht! Die Hoffnung auf ein reiches Erbe war das Einzige gewesen, was Evelyn in langen Jahren wirtschaftlicher Not bei der Stange gehalten hatte. Natürlich wusste sie, dass sie einen Pflichtteil erhalten würde; angesichts der Höhe ihrer Schulden aber würde der vermutlich nicht reichen, um ihr eine sorgenfreie Zukunft zu gewährleisten.

      Vater hatte ihr ein Angebot gemacht, das sie nicht ablehnen konnte. Zähneknirschend nahm sie es an.

      Die ersten Monate verliefen gar nicht so schlecht. Die meiste Arbeit erledigten die polnischen Pflegerinnen; ihre eigene Funktion war mehr die einer gehobenen Gesellschaftsdame. Nur, wenn sie mit ihm allein war, kommandierte er sie herum wie in alten, bösen Zeiten. Also hielt sie diese Phasen so knapp wie möglich. Sie war kurz davor, sich mit ihrer neuen Lebenssituation anzufreunden, als die merkwürdigen Begegnungen begannen.

      »Vater, wer ist diese Frau? Und versuch gar nicht erst zu leugnen. Solch eine Ähnlichkeit kann kein Zufall sein.«

      Bertram Wattjes seufzte. »Was soll ich lange drum herum reden«, sagte er mit heiserer, aber fester Stimme. »Ja, Eva ist meine Tochter. Ebenso wie du. Sie ist ein Jahr jünger.« Er seufzte. »Weißt du, deine Geburt war mit Komplikationen verbunden, und danach teilten die Ärzte deiner Mutter mit, dass sie nie wieder ein Kind bekommen konnte. Was glaubst du, wie verzweifelt wir waren! Ich hatte mir doch so sehr einen Erben für meine Firma gewünscht. Aber die Hoffnung konnte ich mir aus dem Kopf schlagen. Da habe ich es dann anderweitig versucht. Bei einer Jugendfreundin, die deiner Mutter übrigens sehr ähnlich sah. Was sollte ich denn machen!«

      Evelyn blieb ganz ruhig; darüber staunte sie selber. Was ihr Vater hätte machen sollen? Eine unglaubliche Frage! Treu bleiben, gefälligst. Sich seiner erstgeborenen Tochter zuwenden. Ihr das Vertrauen schenken, das sie verdiente, und sie zu seiner Nachfolgerin aufbauen, statt in der Gegend herumzuvögeln und darauf zu hoffen, einen männlichen Nachfolger zu zeugen, der genauso klotzköpfig war wie er. Aber auf den Gedanken, dass ein Mädchen in der Lage sein könnte, eine Firma zu leiten, war er natürlich nie gekommen!

      »Natürlich bin ich auch auf den Gedanken gekommen, dir die Leitung meiner Firma anzuvertrauen«, krächzte der alte Mann. »Warum sollte ein Mädchen dazu nicht in der Lage sein? Aber dann hast du ja fluchtartig das Nest verlassen. Tja, und nachdem du deinen eigenen Laden in den Sand gesetzt hattest, war mir klar, dass es wohl besser so war. Auch mit Eva habe ich es dann gar nicht erst nicht versucht. Sie weiß ja bis heute nicht, wer ihr Vater ist und wer ihr das Studium bezahlt hat.«

      Immer noch blieb Evelyn ganz ruhig; das konnte sie quasi sehen, weil sie inzwischen neben sich stand, innerlich schäumend vor Wut. Wie sie diesen verfluchten Kerl hasste! Aber was hätte es für einen Sinn, jetzt noch die ungekämpften Kämpfe vergangener Zeiten auszufechten? Das brachte ja doch nichts mehr. Wichtig war jetzt nur noch eins.

      »Diese … Eva«, presste sie zwischen den Zähnen hervor. »Die hast du doch wohl nicht in deinem Testament bedacht, oder?«

      »Aber natürlich«, sagte Bertram Wattjes. »Sie ist doch meine leibliche Tochter, genau wie du. Jede von euch bekommt die Hälfte, wenn ich mal nicht mehr bin. Mach dir keine Sorgen, es ist genug da, das reicht für euch beide.«

      Evelyn nickte, und sie brachte sogar ein Lächeln zustande, ehe sie das Zimmer verließ. Ein gequältes Lächeln. In ihrem Kopf schrillten Alarmglocken. Natürlich hatte sie jede Gelegenheit genutzt, sich einen Überblick über die Finanzen ihres Vaters zu verschaffen. Die Gesamtsumme war beachtlich, aber auch nicht astronomisch. Sie würde durchaus reichen, um all ihre Schulden zu tilgen und ihr außerdem noch ein angenehmes Leben zu gewährleisten. Wohlgemerkt, die volle Summe. Mit der Hälfte konnte sie gerade eben ihre Verbindlichkeiten begleichen, dann müsste sie wieder arbeiten gehen. So aber hatte sie sich das nicht vorgestellt.

      Außerdem kosteten Villa und Pflegedienst eine Menge Geld, was von den geringen Zinserträgen nicht aufgefangen wurde. Mit jedem Monat, der verging, schmolz Vaters Vermögen ein wenig zusammen. Und auf das, was blieb, wartete nicht nur sie, Evelyn. Sondern auch Eva, ihr Ebenbild. Mit der sie schwesterlich würde teilen müssen.

      Nein, verdammt! Das durfte nicht geschehen.

      Das würde auch nicht geschehen. Die demütigenden Jahre auf den Knien hinterm Putzeimer und an der ewig piepsenden Scanner-Kasse hatten sie hart gemacht. Sie wusste genau, was sie wollte, und war bereit, alles dafür zu tun.

      Sie begann damit, mehr über diese Eva herauszubekommen. Nach Feierabend folgte sie ihr mit Vaters Mercedes. Ihre Halbschwester wohnte in einem schmucken Häuschen unweit des Flusses Leda, und zwar nicht allein. Anders als Evelyn schien sie Glück bei der Partnersuche gehabt zu haben. Auf dem Türschild standen die Namen Eva Blohm und Dr. Michael Blohm. Aha, der Mann war Doktor! Evelyns Neid nahm zu und fachte ihre Wut weiter an.

      Kinder hatten die beiden nicht. Ihre Arbeitstage planten sie sehr eigenständig; jeder hatte sein eigenes Auto, bei gutem Wetter fuhren sie Fahrrad. In Sachen Freizeitsport gingen sie getrennte Wege; während er – ganz das Klischee – Tennis spielte und ins Fitnessstudio ging, bevorzugte sie Wassersport, was Aufkleber von Ruder- und Segelklub an ihrem Auto und ein Paddelboot neben der Garage bekundeten.

      Ausgezeichnet, dachte Evelyn und begann Pläne zu schmieden.

      Zuerst wandte sie sich Evas Auto zu. Während deren Ehemann einen großen Geländewagen besaß, fuhr sie einen filigranen englischen Sportwagen-Klassiker. Ihre Stiefschwester, stellte Evelyn fest, fuhr einen heißen Reifen; oft genug bremste sie erst im letzten Augenblick. Was, wenn die Bremsen einmal überraschend versagten? Airbags hatte der kleine Klassiker keine – er besaß noch nicht einmal eine Knautschzone, als Fahrerin saß man direkt hinter dünnem Türblech und mit dem Hintern fast auf der Straße.

      Die Bremsleitungen zu kappen, erschien Evelyn ein Leichtes; schließlich hatte sie viele Jahre lang mit den ältesten gebrauchten Gurken Vorlieb nehmen müssen und die ständig notwendigen Reparaturen meist selbst vorgenommen. Bei Dunkelheit und ohne Taschenlampe unter einem fremden Wagen sah das allerdings etwas anders aus. Evelyn musste wohl statt der Brems- die Kühlwasserleitung erwischt haben, jedenfalls bekam sie am nächsten Tag mit, wie Evas Wagen abgeschleppt wurde – mit heiß gelaufenem Motor, aber ansonsten unversehrt.

      Mist, dachte Evelyn. Sie hatte sich schon gewundert, dass Bremsflüssigkeit so dünnflüssig war.

      Die nächste Attacke startete sie auf Evas Kajak. Mit einem Handbohrer perforierte sie den Bootsboden gleich an mehreren schwer zugänglichen Stellen und verschloss die Löcher mit wasserlöslichem Kleber, wie Kindergärten ihn verwendeten. Es klappte wie geplant; die Bohrungen blieben unentdeckt, der Kleber löste sich bei der nächsten Leda-Tour, und Evas Boot lief voll Wasser. Nicht einkalkuliert freilich hatte Evelyn, dass das Kajak über Auftriebskörper verfügte und Eva

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