Mörderische Eifel. Andreas J. Schulte

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Mörderische Eifel - Andreas J. Schulte

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Kinski und kein Fuchsberger auftauchen, und die schummrige regennasse Gasse liegt auch nicht in den Londoner Docks, sondern mitten in der Kölner Altstadt. Ich stehe im Schatten, zurückgezogen in einem schmalen Durchgang zwischen zwei Häusern. Unsichtbar selbst für den, der diesen Durchgang sorgfältig in Augenschein nehmen würde. Natürlich unsichtbar! Aber hallo, wenn ich an einem solchen Abend an einem solchen Ort auffallen würde, hätte ich echt den falschen Job. Keine 20 Meter die Straße runter öffnet sich eine Kneipentür. Eine breite Lichtbahn ergießt sich auf das Pflaster. Wie eine Landebahn für angetrunkene Altstadtbesucher. Musik, Gläserklirren, Stimmengewirr und schallendes Gelächter aus der Kneipe bilden die akustische Begleitung zur Lichtlandebahn. Abstoßend und einladend zugleich. Fast hätte ich bei dem ganzen Krach das Auto überhört, das langsam aus einer Seitenstraße rollt. Meine Zielperson ist angekommen.

      Ich greife unter die Jacke, ziehe meine Lieblingswaffe, auf die ich schon den Schalldämpfer geschraubt habe. Sie leistet mir schon seit Jahren gute Dienste, ich schätze ihre Zuverlässigkeit und Zielgenauigkeit. Obwohl – auf diese kurze Distanz ist ein Fehltreffer undenkbar. Das kurze trockene Ploppen des Schusses wird keinem auffallen. Himmel, bei dem Kneipenlärm hätte ich nicht einmal einen Schalldämpfer gebraucht. Aber da gehe ich lieber auf Nummer sicher.

      Meine Auftraggeber schätzen das. Ich sei ein Perfektionist, der auch auf die kleinsten Details achtet, hatte mir einer gesagt. Ein anderer nannte mich mal einen Korinthenkacker, kann sein, dass er das als Kompliment gemeint hatte, er lebte aber nicht mehr lang genug, um es mir zu erklären. Ich denke einfach, ich habe einen Hang zur Gründlichkeit. Ohne mich jetzt selber loben zu wollen, sorgt diese Gründlichkeit für meinen guten Ruf in der Branche. Ich kann mir meine Aufträge aussuchen. Keine Ehestreitigkeiten oder Scheidungskisten, keine Frauen, keine Kinder – da gibt es bei mir ganz klare Grenzen. Das da vorne in der schwarzen S-Klasse mit den getönten Scheiben ist definitiv kein Scheidungsfall und auch keine Frau. Hinten im Auto sitzt Joseph, »Drei-Finger-Joe« Parretti, Oberhaupt des New Yorker Parretti-Clans. Drei-Finger-Joe besitzt, soweit ich weiß, noch alle Finger. Nur bei Männern, die ihm in die Quere kommen … da fackelt er nicht lange rum.

      Joe ist mitten in seiner Europareise, um die familiären Wurzeln kennenzulernen und nebenbei den einen oder anderen Deal einzufädeln. Jedenfalls hat es ihn ins gute, alte Köln verschlagen. Man munkelt, dass er im Schatten des Doms mit Vladimir Romelski verhandelt. Vladi der Schlächter, und Drei-Finger-Joe – quasi Seelenverwandte. Nun, meine Aufgabe ist es, die trauten Geschäftsgespräche zu unterbinden. Man kann keine Geschäfte mit jemanden machen, der mit ein, zwei Kugeln im Kopf auf dem Altstadtpflaster liegt – ganz einfache Sache. Deshalb warte ich ja hier im Nieselregen. Ich entsichere die Pistole. Zwei Schüsse, kurz hintereinander, und schon ist es vorbei mit Parrettis Europatrip.

      Natürlich steigt Joe Parretti nicht selber aus, er wartet, bis sein Fahrer ausgestiegen ist, um ihm die Tür zu öffnen und den Schirm hinzuhalten. Immerhin bleibt der Fahrer nicht an seiner Seite, sondern übergibt ihm den Schirm. Ich hebe die Pistole, ziele – und plötzlich ist es wieder da: das Zittern. Meine rechte Hand zittert, als hätte ich schlagartig Schüttelfrost bekommen. Der Lauf mit dem Schalldämpfer zuckt wie ein Lämmerschwanz. Ich atme tief durch, nehme die andere Hand zur Hilfe, stütze die Schusshand ab. Doch in diesem Moment tauchen die drei Mädels auf. Laut kichernd laufen sie genau in die Schussbahn, und als sie quälende drei Sekunden später wieder mein Ziel freigeben, ist Parretti schon in einem Hauseingang verschwunden.

      Ich schließe die Augen. Dieses leise Stöhnen – war ich das gerade gewesen? Schweißtropfen rinnen mir von der Stirn. Mit zitternden Händen schiebe ich die Pistole zurück in das Schulterhalfter. Lichtflecken tanzen plötzlich über das Pflaster, ich blinzle sie weg. Scheiße, das ist mir so noch nie passiert. Na ja, nicht ganz. Vor zwei Wochen, als ich in Frankfurt den Job erledigen wollte, hat das mit dem Zittern angefangen. Zum Schluss musste ich den Kerl vom Dach stoßen, ehrlich, das war so nicht geplant gewesen. Ich lehne mich an die regennasse Hausmauer und versuche mich zu beruhigen. Was ist nur los mit mir?

      *

      Zwei Tage später …

      »Sicher fragen Sie sich: ›Was ist nur los mit mir?‹ Und die Antwort scheint mir eindeutig. Aber lassen Sie mich Ihnen zur Sicherheit noch ein paar Fragen stellen.«

      Ich nickte zustimmend, deshalb saß ich ja in dem hohen schwarzen Ledersessel bei Dr. Samuel Wertmann und versuchte, nicht an das fürstliche Honorar zu denken, das er mir ohne Zweifel für diese Privatuntersuchung in Rechnung stellen würde. Um ehrlich zu sein, würde ich ihm auch bereitwillig jeden Bonus zahlen, wenn nur das verdammte Zittern aufhören würde. Noch so einen Reinfall wie in Köln, und ich war weg vom Fenster. Ein gescheiterter Auftrag spricht sich ja so was von schnell in der Branche herum. »Also, Herr Belke, im Grunde sind Sie topfit, körperlich gesehen: Lungenvolumen, Blutwerte, Cholesterinspiegel, alles bestens. Ihre Reaktionsfähigkeit – alle Achtung, solche Werte habe ich noch nie gesehen. Aber Ihr Augenzucken, das Zittern, die Schlafstörungen, die Sie erwähnten … Sie machen beruflich was genau?«

      »Ich bin freier Unternehmensberater.«

      »Eine anspruchsvolle Aufgabe, vermute ich. Man verlässt sich auf Ihre Kompetenz?«

      »Schon. Für viele bin ich so eine Art Problemlöser.«

      »Das dachte ich mir. Ja, das passt. Ich will Sie jetzt nicht mit Fragen überfallen, aber ich habe da so einen Verdacht. Sie haben dieses Zittern immer wann?«

      »Kurz vor einem Abschuss … äh – ich meine Abschluss«, Wertmanns forschender Blick brachte mich ganz durcheinander, »sozusagen auf der Zielgeraden, wenn ich ein Projekt …«

      »Herr Belke, entschuldigen Sie, wenn ich Sie kurz mal abwürge.«

      Ich zuckte beim Wort würgen zusammen, Wertmann nahm davon aber keine Notiz.

      »Mir scheint das doch ein stichhaltiger Hinweis zu sein. Ich wage mal einen Schuss ins Blaue: Sie stehen jedes Mal bei einem Ihrer Abschlüsse unter enormem Erfolgsdruck, nicht wahr?«

      »Genau, alles läuft prima, aber dann, wenn es sozusagen ans Eingemachte geht …«

      »Kommt das Zittern«, ergänzte Dr. Wertmann. »Wie sieht es mit Schweißausbrüchen oder Sehstörungen aus? Ja? Dachte ich mir. Schwindel und Kopfschmerz?« Wertmann quittierte mein Kopfschütteln mit einem zufriedenen Brummen.

      »Tja, es ist ganz eindeutig, Herr Belke. Sie sind überarbeitet. Zuviel Stress, mancher würde das jetzt neudeutsch als Burn-out bezeichnen, ich nenne es extrem erholungsbedürftig. Wann waren Sie das letzte Mal im Urlaub?«

      Ich dachte nach. Der Kurztrip nach Rimini für den Doppelmord zählte wahrscheinlich nicht, und die Fahrt letzten Sommer an die Ostsee, wo ich den Stahl-Erben auf dem Surfbrett ertränken musste, ließ Dr. Wertmann sicher auch nicht gelten.

      »Wenn Sie so lange überlegen müssen, ist das bestimmt schon eine Weile her. Sie müssen mal raus aus Ihren Verpflichtungen, sich vom Job lösen.«

      »Sie meinen, wenn ich mal ein Wochenende freimache …«

      »Herr Belke! Wir reden hier von einem ernsthaften Problem.«

      Wertmanns Stimme hatte an Schärfe zugelegt. »Erstens sollten Sie mal mindestens eine Woche völlig abschalten, damit meine ich: Vermeiden Sie alles, was Sie an Ihre Arbeit erinnert. Zweitens müssen Sie Ihre Grundeinstellung ändern. Sie müssen wieder lernen sich zu entspannen. Sagen Sie sich: Keiner stirbt, wenn es mal nicht 100-prozentig klappt.«

      Da hatte er verdammt recht.

      »Lassen Sie zu, dass sozusagen auch mal ein Schuss danebengeht.«

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