Das Labyrinth erwacht. Rainer Wekwerth

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Das Labyrinth erwacht - Rainer Wekwerth Labyrinth-Trilogie

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es aussah, setzte dem niemand etwas entgegen, sie alle waren froh, der Hitze fürs Erste entkommen zu sein.

      Wirklich alle?

      Jeb stieß einen stummen Seufzer aus, als er sah, dass sich León erhob und auf ihn zukam.

      Er hielt den Speer, der ihn um eine Kopflänge überragte, locker in der Hand und Jeb sah, dass ein Ende des Stabs gefährlich zugespitzt war. León kam sofort zur Sache.

      »Warum gehen wir nicht weiter? Der Tag ist noch lang.«

      Jeb nickte in Richtung der Gruppe. »Sie sind erschöpft. Außerdem ist es nach Anbruch der Nacht auf der Ebene zu gefährlich. Hier können wir wenigstens ein Feuer machen.«

      »Solange der Mond scheint, könnten wir auch nachts weitermarschieren.«

      Jeb sah ihn verblüfft an. »Du würdest nachts durch die Ebene wandern?«

      »Warum nicht?«

      »Was ist mit Mischa und dem, was ihm passiert ist?«

      »Erstens: Ich glaube immer noch nicht an dieses Schauermärchen. Zweitens: Wir könnten uns Fackeln basteln. Zur Not machen wir ein Feuer.«

      Jeb verzichtete darauf, ihn darauf hinzuweisen, dass es in der Graslandschaft kein Holz für ein großes Feuer gab. »Erstens: Mit dem kleinsten herumfliegenden Funken würden wir das trockene Gras anzünden. Das gibt in Sekunden einen Buschbrand, der sich wie ein Orkan durch die Ebene frisst. Zweitens: Wir bleiben über Nacht hier«, imitierte Jeb seinen Tonfall und bestimmte dann: »Und gehen morgen weiter.«

      Leóns Augen verengten sich zu schmalen Schlitzen. »Wer hat eigentlich dich zu unserem Anführer bestimmt?«

      »Niemand«, antwortete Jeb. »Aber so wie es aussieht, ist niemand sonst scharf auf den Job. Und einer muss ihn schließlich machen.«

      Es sollte ein müder Witz sein, mit dem Jeb hoffte, die Spannungen zwischen ihm und León aufzulösen. Er täuschte sich.

      »Was, wenn ich beschließe, allein aufzubrechen? Wirst du versuchen, mich aufzuhalten?«, knurrte León.

      Jeb erwiderte seinen Blick. Ruhig erwiderte er: »Du kannst gehen, wohin und wann immer du willst. Niemand wird dich aufhalten. Aber…«

      »Dann ist es ja gut.«

      »...das Messer bleibt hier.« Jeb holte tief Luft. »Es gehört der Gemeinschaft, wie alles, was wir gefunden haben. Wir brauchen diese Dinge, um zu überleben. Genau wie wir einander brauchen, um weiterzukommen. Wer auf die Gemeinschaft verzichtet, verzichtet freiwillig auf jeden Schutz, den sie ihr bietet. Und auch auf die Ausrüstung, die der Gruppe gehört. Es liegt ganz bei dir.«

      Alle Muskeln an Leóns Körper spannten sich an. Er war kurz davor, sich auf ihn zu stürzen. Jeb ahnte, dass er aus einem Kampf gegen León nicht zwingend als Sieger käme. Obwohl er León körperlich überlegen war, machte der den Eindruck eines geübten Kämpfers.

      »Wenn du es haben willst, musst du es mir schon gewaltsam abnehmen«, zischte León. Die Spitze des Speeres richtete sich auf Jeb, der die Waffe jedoch mit festem Griff beiseitedrückte. »Spar dir deine Drohungen, León.«

      Die anderen hatten ihre Auseinandersetzung inzwischen mitbekommen. Mischa hatte sich aufgerichtet und trat zwischen die Kontrahenten.

      »Was ist hier los?«

      León zog einen Mundwinkel nach oben und stieß hervor: »Nichts. Wir plaudern nur ein wenig.«

      Jeb ließ León nicht aus den Augen. »Ja, nur ein kleiner Schwatz unter Männern.« Dann wandte er sich um und ging zum Bach.

      Ab sofort würde Jeb León im Auge behalten.

      León hatte sich abseits der anderen niedergelassen und schnitzte weiter an seinem Speer. Die Auseinandersetzung mit Jeb hatte ihm gezeigt, dass bedrohliches Potenzial in ihm lauerte. Eine unbändige Wut, die nur darauf wartete, geweckt zu werden. Zorn, der ihn und alles um ihn herum verschlingen konnte. Sein Blut hatte gekocht. Hitze hatte sich in ihm ausgebreitet. Er war bereit gewesen zuzustoßen. Zu verletzen. Zu töten.

      Warum bin ich so? Warum nehme ich jede Herausforderung wie einen Kampf? Wieso reagiere ich instinktiv mit Gewalt? Ist Töten so leicht für mich?

      Er erschrak über die Antwort, die aus seinem Inneren kam.

      Ja, ich habe schon getötet. Wen oder warum? Ich weiß es nicht, aber da ist dieser Junge, den ich immer wieder vor mir sehe. Er ist so alt wie ich. Und dürr. Seine dunklen Augen starren mich angsterfüllt an. In einer Hand hält er eine Pistole, deren Lauf nach unten zeigt. Noch. Ich weiß, dass er gleich den Arm hochreißen wird, um auf mich zu schießen.

      Er ist der Feind. Ich habe gelernt, ihn zu hassen, noch bevor ich das Licht der Welt erblickte. Trotzdem will ich ihn nicht wie einen Hund abknallen. Ich schüttele langsam den Kopf. Versuch es nicht, will ich ihm damit sagen, aber ich lese in seinen Augen, dass er es tun wird. Auch er hat gelernt zu hassen. Mich zu hassen, obwohl er mich bis zu diesem Augenblick nicht kannte. Dann geschieht alles in einem Sekundenbruchteil. Er bewegt sich. Sehr schnell. Aber ich bin schneller. Die Waffe in meiner Faust wiegt schwer, der Rückschlag reißt meine Hand zurück. Eine rote Blume erblüht auf seiner schmalen Brust. Er schaut mich an. Dann sacken unter ihm die Beine weg. Wie eine Marionette, deren Fäden durchschnitten wurden, fällt er in sich zusammen. An seinem Tod ist nichts Glorreiches und ich fühle mich mies. Geradezu erbärmlich im Schmutz meines Lebens.

      Verloren.

      Ich habe einen Menschen getötet.

      Gott hat seinen Blick von mir abgewandt.

      Ich bin nicht mehr sein Kind, ich gehöre der Straße.

      Bis auch mich eine Kugel trifft.

      Plötzlich stand Mischa neben ihm. Als der ihn leicht an der Schulter berührte, zuckte er erschrocken zusammen.

      »So in Gedanken?«

      León nickte nur. Er wusste nicht, woher die Bilder in seinem Kopf plötzlich kamen, aber er spürte ihre Wahrheit. Wer immer er auch gewesen sein mochte, bevor er hierhergekommen war, er war kein guter Mensch. Man konnte daran zerbrechen oder es einfach akzeptieren. León akzeptierte es.

      Er sah Mischa an. Könnte ich dich töten, wenn es so weit ist?

      Ja, ohne zu zögern, antwortete eine Stimme tief in seinem Inneren.

      León erhob sich und ging hinaus in die anbrechende Dämmerung.

      Er musste jetzt allein sein.

      Mary saß auf dem Boden, den Rücken gegen einen Baumstamm gelehnt, die Augen geschlossen. In kleinen Schlucken trank sie aus ihrer Wasserflasche. Sie fühlte sich schwach, ihr Herz pochte unruhig in ihrer Brust. Sie versuchte, ruhig zu atmen, aber irgendwie wollte ihr das nicht gelingen.

      Ich habe keine Kraft mehr. Dabei ist das erst der Anfang.

      Warum bin ich hier?

      Diese Frage hämmerte schon den ganzen Tag in ihrem Kopf. Bei jedem Schritt war diese Frage gekommen.

      Warum bin ich hier?

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