Die Britannien-Saga. Band 1 und 2: Hengist und Horsa / Brand und Mord. Die komplette Saga in einem Bundle. Sven R. Kantelhardt
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Читать онлайн книгу Die Britannien-Saga. Band 1 und 2: Hengist und Horsa / Brand und Mord. Die komplette Saga in einem Bundle - Sven R. Kantelhardt страница 35
Hengist selbst und die übrigen Reiter hielten sich nun dicht bei den Fußkämpfern. Die Spannung war greifbar, doch es dauerte noch etwa zwei Stunden, bis vor ihnen plötzlich wieder ein Reiter erschien.
„Unser Kundschafter“, behauptete Thiadmar, lange bevor auch Ordulf ihn erkannte. Das kleine Britannier-Pony des Spähers kam im vollen Galopp die Straße entlanggeprescht. Hengist ritt ihm entgegen und hob den Arm als Zeichen, dass die Kolonne warten sollte. Kurz darauf wendete Hengist sein Pferd und trabte zu den gespannt wartenden Kriegern zurück.
„Pikten!“, rief er. „Die Kerle warten hinter diesem Wäldchen auf uns.“ Er blickte verächtlich zu den beiden Britanniern auf ihren müden Ponys hinüber. „Unsere britannischen Freunde meinen, wir sollten umkehren. Was haltet ihr davon?“
Empörte Rufe wurden laut.
„Dafür sind wir nicht so weit gelaufen“, rief Gerolf und allgemeines Gelächter antwortete ihm.
„Bravo Gerolf.“ Hengist schenkte seinem alten Knecht ein grimmiges Lächeln. „Wir formieren uns vor dem Wald und greifen im Eberkopf an. Willerich führt die Seinen rechts, Horsa bildet mit den Männern der Heldir den linken Keil. Die Mannen der Heritog folgen mir in der Mitte. Wir rücken dann leise bis zum Waldrand vor. Niemand verlässt die Deckung und seid verdammt nochmal leise. Wir wollen diese Pikten nicht vorzeitig aufschrecken.“
Aufgeregtes Gemurmel folgte, als sich die Männer wie befohlen aufteilten. Sobald wieder Ruhe einkehrte, drangen sie in den Wald ein, die Reiter voran, das Fußvolk hinterher. Alle bemühten sich, möglichst leise zu sein, doch Ordulf hörte von der ganzen Front das Knacken dürrer Äste und das Schnauben der Rösser. Hin und wieder wieherte ein Pferd oder ein Mann schrie auf, wenn ihn ein Zweig ins Gesicht peitschte. Fast meinte er, der Feind müsste auch das Schlagen seines Herzens hören, so sehr hämmerte es in seinem Brustkorb. Vor Aufregung klebte seine Zunge trocken am Gaumen und seine Blase begann sich bemerkbar zu machen. Schließlich wurde der Wald vor ihnen lichter. Gleich würde er diese geheimnisvollen Pikten zu Gesicht bekommen. Hengist hob seine Hand und bedeutete den Sachsen anzuhalten. Er selbst stieg aus dem Sattel und pirschte sich vorsichtig bis zum Waldrand vor.
„Wie viele es wohl sind?“, flüsterte Thiadmar aufgeregt.
Ordulf kribbelte es seltsam in der Magengrube. Er musste sich räuspern, bevor er eine verständliche Antwort zustande brachte. „Keine Ahnung“, stieß er gedrückt hervor.
„Ob sie einen Schildwall bilden? Oder vielleicht sogar Wall und Graben ausgehoben haben?“, fragte Thiadmar weiter, doch auch Ordulf wusste keine Antwort.
Der Feind blieb hinter den letzten Bäumen verborgen. Es erschien Ordulf, als verstriche eine Ewigkeit, bis Hengist zurückkehrte.
„Die Pikten stehen quer über das gesamte Tal verteilt in loser Schlachtordnung“, berichtete er. „Sie scheinen sich ihrer Sache sehr sicher zu sein. Vermutlich glauben sie nicht, dass wir es wagen, sie anzugreifen.“ Ein breites Grinsen spaltete seinen Bart und seine Augen funkelten hinter den dunklen Eisenringen des Helmes. „Legt euer Gepäck ab. Sobald mein Horn erschallt, greifen wir an. Lauft so schnell ihr könnt und schaut nicht zurück! Du dort und du, ihr überbringt meine Befehle Willerich und Horsa.“
Ordulf warf sein Gepäck von der Schulter. Wie leicht er sich auf einmal fühlte. Hastig griff er mit der Linken in die Schlaufen seines eisenbeschlagenen Schildes. Den Sax trug er bereits im Gürtel. Dann fasste er mit der Linken noch einen Speer. Als Ordulf aufsah, saß Hengist schon wieder hoch zu Ross. Die zehn berittenen Krieger seines Keiles formierten sich hinter ihm zum Angriff. Die Fußkämpfer drängten sich dazwischen und dahinter. Ordulfs Blase drückte immer noch, doch dafür war es nun zu spät. Er griff mit der Rechten nach der Mähne von Hengists Pferd. Der schaute kurz zu ihm herunter und nickte grimmig. Die übrigen Fußkämpfer taten es ihm gleich und griffen nach den Mähnen oder den ledernen Steighilfen, die einige der Sachsen an den britannischen Sätteln befestigt hatten.
Dann hob Hengist sein Büffelhorn an die Lippen und blies mit voller Kraft hinein. Ein wimmernder Ton drang durch den Wald. Die Reiter stießen ihren Pferden die Hacken in die Flanken und die sächsische Streitmacht brach im vollen Galopp aus dem Wald. Ordulf klammerte sich an der Mähne von Hengists Pony fest, die genauso wild flatterte wie Hengists langes blondes Haar unter dem Helm. Halb sprang Ordulf nebenher, halb riss ihn das Ross mit sich auf die dunkle Reihe halbnackter Feinde zu. Die Zeit war zu kurz, um den Gegner genau in Augenschein zu nehmen, Ordulf musste sich voll darauf konzentrieren, nicht zu stürzen oder den Griff in der Mähne von Hengists Pferd zu verlieren. Mit voller Wucht brachen sie in die Reihen der Pikten ein.
Ordulf ließ die Mähne des Rosses fahren. Sein Schild prallte mit voller Wucht in den ersten Pikten, der ihm aus schreckensweiten Augen entgegensah. Schon hatte Ordulfs Rechte den Griff des Saxes gefunden. Den Speer hatte er bei dem wilden Angriff verloren. Ein Schwerthieb prallte an seinem eisenbeschlagenen Schildrand ab, fast gleichzeitig fuhr sein Sax darunter hervor. Blut spritzte auf und die kalte Klinge beschlug, als sich die Spitze in heißes Fleisch bohrte. Die Wut der Schlacht, von der die Scops im Winter am Herdfeuer sangen, erfasste Ordulf. Er stürmte weiter, nun aus eigener Kraft, Hengist und seinem Ross hinterher durch eine blutige Schneise. Links von ihm drängte ein weiterer Reiter voran. Und Ordulf hieb mit neuer Kraft zu – er würde die piktischen Reihen vor dem hochnäsigen Reiter durchbrechen.
Dann war das Getümmel auf einmal vorbei und Ordulf sah keinen der seltsam blau bemalten Krieger mehr vor sich. Dort war nur Hengist, der gerade sein Pferd wendete und ihn mit blutverschmiertem Bart anlachte. Sie hatten die feindlichen Reihen durchbrochen.
Er steckte seinen blutigen Sax in den Boden, hob mit der Rechten etwas lose Erde auf und rieb sie zwischen beiden Händen, bis das klebrige Blut mit Erde vermengt als schwarze Röllchen zu Boden fiel. Dann fasste er wieder den Griff seines Saxes. Doch es gab um ihn herum keine Feinde mehr. Etliche der blauen Gestalten lagen stöhnend in ihrem Blut, die anderen liefen um ihr Leben. Sie hatten gesiegt! Hengist hatte gesiegt.
„Hengist!“, brüllte Ordulf begeistert und seine Stammesbrüder stimmten aus vollem Hals mit ein.
Es war ein überwältigender Sieg für die Sachsen. Sie zählten nur einen einzigen Toten und zwanzig meist leicht Verwundete. Ausgerechnet Ypwine, der sich auf Thanet über einem Fleet seinen Hof bauen wollte, war der unglückliche Feymanne, dem sein Wurd bestimmte, an diesem Waldrand das Leben auszuhauchen. Es war schon merkwürdig, befand Ordulf. Ypwine war wohl der einzige Sachse in Britannien, der lieber in Ruhe seinen Acker bestellt hätte, als in den Krieg zu ziehen.
„Wie ich sehe, kämpfst du nicht nur im Schlamm“, hörte er plötzlich Hengist im Vorbeigehen zu ihm sagen. Vor Stolz wäre er fast geplatzt. Für den wortkargen Häuptling war das ein großes Lob.
„Los, ihr dort, kümmert euch um die verletzten Pikten“, befahl Horsa hinter ihm.
Murrend schlurfte Thiadmar, der neben ihm stand, los, um einigen Männern von Horsas Schiff zu helfen, die bereits bei der Arbeit waren. Auch Ordulf machte sich daran, nach den nächsten Verwundeten zu sehen. Er brauchte nicht weit zu gehen. Einer der Pikten lag direkt hinter ihm und krümmte sich vor Schmerzen. Mit beiden Händen versuchte er die Gedärme, die ihm aus einer großen Bauchwunde quollen, zu halten. Er hatte die Augen geschlossen und atmete tief. Ordulf wusste nicht recht, was er für den verwundeten Feind tun könnte und so verharrte er einen Augenblick in der Betrachtung.
Ein rotblonder Schnurrbart rahmte den schmerzverzerrten Mund des Fremden ein. Die Haare waren dem Pikten mit Kalkwasser aus der Stirn gekämmt