Die Britannien-Saga. Band 1 und 2: Hengist und Horsa / Brand und Mord. Die komplette Saga in einem Bundle. Sven R. Kantelhardt
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Eboracum, Juni 441
Ordulf
Eboracum war mit Mauern befestigt, die denen von Londinium glichen. Bewundernd glitt Ordulfs Blick über die Ecktürme des Tores. Achteckige Steinsäulen von unglaublicher Größe. Wie hatten diese sagenhaften Römer den Stein in solch eine Form gezwungen?
Ceretic hatte ihnen erklärt, dass sie vor der Stadt lagern sollten. Ordulf war enttäuscht, er hätte gerne auch die Gebäude im Inneren dieser Stadt bestaunt. Thiadmar dagegen war erleichtert. „Mir sind diese Steinklötze nicht geheuer“, gestand er.
Gerolf, der sich seit dem Tode Ypwines bei den beiden jungen Männern hielt, schnaufte zustimmend: „Das ist eine unnatürliche Art zu leben, hinter diesen Steinklötzen.“
Zwei Wochen später befanden sie sich wieder in Thanet. Vortigern hatte sie auf Pferden zurück nach Londinium geschickt, wo sie ihre wartenden Schiffe bestiegen. Diesmal ruderten sie die Schiffe direkt in das Fleet hinein, das Ypwine vor ihrem Marsch nach Norden entdeckt hatte.
„Endlich können wir den armen Ypwine beisetzen“, sagte Gerolf zu seinen beiden jungen Freunden, als sie die Heritog aufs Land zogen. „Wir wollen ihm einen Hügel aufschichten, hier, wo er sich einen Hof bauen wollte.“
Das Fleet war tatsächlich ein hervorragender Winterhafen und Hengist entschied sich, ein dauerhaftes Lager zu errichten, für welches sich bei den Sachsen bald der Name „Ypwinesfleet“ durchsetzte.
Auf Vortigerns Befehl hin organisierte Ceretic britannische Handwerker, die den Sachsen beim Fällen der Bäume und beim Häuserbau zur Hand gingen und noch bevor sich die Blätter verfärbten, stand Hengists Halle. Das frisch geschlagene Holz leuchtete weiß bis weit auf die See hinaus und diente den Sachsen als Landmarke für die Ansteuerung des Ypwinesfleets, wenn sie mit ihren Schiffen ausfuhren, um neues Baumaterial, Kleidung oder Nahrung vom Festland zu holen. Ordulf bemühte sich stets auf solchen Fahrten dabei zu sein, denn die Seefahrt gefiel ihm besser als die Arbeit auf der Baustelle und er zeigte großes Geschick beim Steuern eines Schiffes. Hengist, der Ordulf inzwischen zu einem seiner wichtigsten Unterführer gemacht hatte, vertraute ihm bald die Heldir an. Ordulf wunderte sich manches Mal, warum ihm gerade der einäugige Halvor, der bis vor kurzem doch sein ärgster Feind war, hilfreich zur Seite stand. Halvor war bereits in Dithmarschen zum Fischen aufs Meer gefahren und kein unerfahrener Seemann.
So kam es, dass er eines Herbsttages zusammen mit Ordulf am Strand unterhalb von Rutupiae stand, wo sie Versorgungsgüter für die kleine sächsische Ansiedlung auf Thanet luden, als sich Ceretic raschen Schrittes näherte.
„Ceretic, alter Freund“, begrüßte ihn Ordulf. „Wie schön dich zu sehen!“
„Wie geht es dem Priester Tallanus?“, wollte Halvor wissen.
Ceretic schüttelte beiden die Hände. „Gut, gut“, erwiderte er. „Prächtig, dass ich euch beide hier antreffe. Gerade zu euch wollte ich.“
Die beiden Sachsen sahen Ceretic erstaunt an, als dieser fortfuhr: „Vortigerns Rat, also ich und die übrigen Ratgeber, haben überlegt, dass es doch sehr unpraktisch ist, wenn nur ich allein zwischen euch Sachsen und uns Britanniern übersetzen kann. Daher hat mir Vortigern befohlen, einigen Sachsen die britannische Sprache zu lehren. Und Tallanus hatte eine hervorragende Idee: Er möchte zwei Sachsen bei einem Freund unterbringen und unterrichten lassen, einem heiligen Mann in Londinium. Da dachte ich an dich, Ordulf, denn du hast dich schon in Durovernum rasch zurechtgefunden und Tallanus schlug dann noch dich vor, Halvor. Im Frühjahr, wenn wir wieder gegen die Pikten ziehen, kehrt ihr zu Hengist zurück.“
Ordulf schaute zu Halvor hinüber. „Ich für meinen Teil würde gerne ein bisschen mehr von Londinium sehen“, antwortete er. „In Ypwinesfleet wird im Winter ohnehin nicht viel los sein.“
Halvors Gesichtsausdruck hatte während des Gespräches zwischen Erstaunen und Unglauben geschwankt. „Zu einem heiligen Mann, so wie Tallanus?“, fragte er, als könne er das Gehörte nicht richtig einordnen.
„Ja, ja“, antwortete Ceretic eifrig.
„Genau darüber habe ich in den letzten Wochen nachgesonnen“, behauptete Halvor.
Nun war es an Ordulf und Ceretic, ihn erstaunt anzustarren. Der Ebbingemanne erwiderte ihren Blick ebenso ratlos, sodass Ordulf sich ein Lachen verkneifen musste. „Wie meinst du das, du hättest darüber nachgedacht? Wusstest du etwa, dass Ceretic uns diesen Vorschlag machen würde?“, fragte er spöttisch.
Halvor schüttelte den Kopf. „Tallanus hat mir damals am Abus einiges erzählt. Von seinem Gott und … anderen Dingen.“ Verlegen wandte er den Blick von Ordulf ab. „Jedenfalls habe ich mir sehr gewünscht, noch einmal mit ihm über diese Dinge sprechen zu dürfen. Und nun fragt Ceretic, ob ich nicht den gesamten Winter bei solchen heiligen Männern, wie Tallanus einer ist, verbringen will.“ Langsam verwandelte sich der erstaunte Ausdruck auf seinem Gesicht in ein Grinsen. „Dafür will ich nicht nur Britannisch, sondern auch lesen und schreiben lernen, wenn das nötig ist.“
Nun war es an Ceretic zu lachen. „Das wird wohl fürs Erste nicht notwendig sein. Schreiben tut man in Latein und das kann nicht einmal ich!“
„Wir müssen aber Hengist um Erlaubnis fragen. Schließlich ist er unser Herr und Herzog und muss uns ziehen lassen“, wandte Ordulf ein.
„Das ist richtig, doch bin ich guten Mutes, dass er seine Zustimmung gibt“, nickte Ceretic. „Wer sollte sonst für ihn die Wünsche des Hochkönigs übersetzen, falls mir mal etwas zustößt?“
Am Abend, nachdem sie in Ypwinesfleet die Ladung aus dem Bauch der Heldir in den neuen Scheunen verstaut hatten, unterbreitete Ceretic Hengist seinen Vorschlag.
„Nach Londinium sollen die beiden?“, fragte er zurück. „Warum nicht? Das ist allemal besser als Willerichs Plan. Der will mit seinen Männern nach Keydingen zurückkehren. Als würden wir hier nicht mehr gebraucht!“
„Mein Entschluss steht fest, Hengist“, entgegnete Willerich störrisch. „Wenn du uns brauchst, kommen wir im nächsten Frühjahr wieder, doch nun wird es höchste Zeit, zu Hause die Ernte einzubringen. Nicht jeder hat auf seinem Hof so viele Knechte wie du.“
„Und ich danke dir für deine Treue diesen Sommer. Du wirst nicht mit leeren Händen nach Sachsen heimkehren“, bestätigte der Held.
So waren die Dinge beschlossen. Willerich rüstete seine Selah für die Fahrt nach Sachsen. Die meisten Keydinger und einige der Dithmarscher folgten ihm. Hengist machte zwar ein saures Gesicht, doch verließ ihn niemand, ohne reich aus der piktischen Beute und Hengists Silberhort entlohnt zu werden.
„Ihr sollt in Sachsen nicht mit leeren Händen ankommen. Alle Welt soll erfahren, dass Hengist ein glücklicher und großzügiger Heerführer ist!“, rief er, als die Ruder der Selah bereits den Bug des Schiffes gen Sonnenaufgang wendeten.
Ordulf und Halvor packten ihre wenigen Habseligkeiten zusammen und ließen sich zusammen mit Ceretic nach Regulbium übersetzen. Vor Ordulfs geistigem Auge erschienen die Erinnerungen an seine ersten Tage in diesem neuen Land und ihren Ritt nach Durovernum. Und tatsächlich besorgte Ceretic ihnen in Regulbium wieder drei Pferde. Auf der flachen Römerstraße staunte Ordulf einmal mehr über dieses seltsame Volk, welches