Homöopathie. Michael Kotsch

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Homöopathie - Michael Kotsch

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hoher Sterblichkeit in den Krankenhäusern und den pauschalen Rosskuren der Ärzte wurden Kranke erst in letzter Not zu “medizinischen Spezialisten” gebracht. War der Kranke erst einmal den Ärzten ausgeliefert, herrschte ein strenges Regiment. Der Mediziner verstand sich als unhinterfragbare Autorität, dem der Patient und die Angehörigen sich zu unterwerfen hätten. Die tatsächliche Kompetenz des Heilkundigen allerdings war von beträchtlichem Unterschied. Studierten Wundärzten, Apothekern und Hebammen stand eine große Gruppe von Kräuterweibern, Magiern, Privatgelehrten und Kurpfuschern gegenüber. Wer von denen die bessere Therapie hatte, stand nicht von vornherein fest. Beide griffen gleichermaßen auf die Lehren des griechischen Mediziners Galen (ca. 129-216) zurück, nachdem das korrekte Verhältnis der vier Körpersäfte über Krankheit und Gesundheit entschied. Heilsubstanzen aus Kräuter- und Ekelmedizin (Kot, Sperma, Quecksilber) fanden sowohl hier als auch dort Anwendung. Der Zuspruch eines Arztes maß sich mehr an seinem durch spektakuläre Heilungen begründeten Ruf, nicht so sehr an dessen Ausbildung oder theoretischer Befähigung.

      Krankheitsursachen wurden gewöhnlich von philosophischen Systemen, nicht von pathologischen Studien abgeleitet. Und nur wer die inneren Ursachen einer Krankheit benennen konnte, wurde in jener Zeit als kompetenter Arzt gehandelt. Die naturhistorische Richtung (1825-1845) stützte sich auf empirische Daten, die naturphilosophischen Mediziner (1800-1840) hofften durch spekulatives Denken den Geheimnissen von Leben und Krankheit auf die Spur zu kommen. Insbesondere mit der letztgenannten Gruppe setzte sich Hahnemann des Öfteren kritisch auseinander. Der schottische Arzt John Brown beispielsweise unterschied zwischen den durch Reizüberflutung und den durch Reizmangel ausgelösten Krankheiten.

      Die medizinischen Untersuchungsmethoden waren in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts im Vergleich zu heute sehr eingeschränkt. Urin wurde lediglich nach Geruch und Aussehen beurteilt. Das Stethoskop war zwar erfunden, aber noch nicht weit verbreitet. Gelegentlich griff man auf Körperbeklopfung (Perkussion) zurück. Fieber wurde durch die Messung des Pulsschlages gemessen. Von großer Bedeutung für den Arzt jener Zeit war die Krankengeschichte des Patienten.

      An Arzneimitteln herrschte kein Mangel. Deren Herkunft und Wirksamkeit jedoch war oftmals mehr als zweifelhaft. Überlieferte Hausmittel standen neben alchemistischen Rezepten, angepriesenen Wundermitteln und immer wieder wechselnden Modemedikamenten. Hin und wieder fanden durchaus auch wirksame Präparate Anwendung. Zur Standardtherapie der meisten Ärzte gehörte der Aderlass (zeitweilige Öffnung der Adern mit dem Messer oder durch Blutegel), Klistiere (Darmeinläufe) und diverse Brech- bzw. Abführmittel. All diese Therapien zielten darauf, die schädliche Krankheit mit Blut, Urin und Kot aus dem Körper zu treiben. Haben erst große Teile der schädigenden Krankheitssubstanz den Menschen verlassen, könne der Körper sich weitgehend selber heilen.

      Schmerzen wurden von den meisten Ärzten als unumgängliche Begleiterscheinung von Krankheit betrachtet und nicht behandelt. Nur selten wurde Opium oder Weingeist zur Schmerzbekämpfung eingesetzt.

      Zu den populären Alternativbehandlungen am Beginn des 19. Jahrhunderts zählten religiös magische Heilverfahren (Wallfahrten, Besprechen, Gesundbeten, Geistheilung usw.), Wasserkuren, die Akupunktur und magnetische Anwendungen nach Franz Anton Mesmer (1734-1815).

      Darüber hinaus war die Zeit Hahnemanns gekennzeichnet durch eine zunehmende staatliche Regulierung des Gesundheitswesens und eine deutliche Professionalisierung. Um medizinischem Missbrauch Einhalt zu gebieten, wurden Außenseiter immer stärker behindert und bekämpft.1

      Spekulationen über die notwendige Ähnlichkeit zwischen Krankheit und anzuwendendem Heilmittel gehen weit in der Geschichte zurück. Im Alten Ägypten beispielsweise wurden Schädelwunden mit Öl eingerieben, in dem sich der Panzer einer Schildkröte und Falkenkrallen befanden. Die Härte des Schädels sollte durch die Härte des Schildkrötenpanzers wiederhergestellt werden. Gichtkranken wurde ein Amulett von Hirschhaut an den Fuß gebunden, in der Hoffnung, ihnen frühere Leichtfüßigkeit wiederzugeben. Im Schamanismus ist der Gedanke der Ähnlichkeitsmagie weit verbreitet: Das Essen oder Tragen eines Gegenstandes kann dessen Eigenschaften auf den betreffenden Menschen übertragen. Indianer tragen die Federn eines Adlers oder die Krallen eines Bären, um sich dessen Kraft zueigen zu machen. In der Traditionell Chinesischen Medizin (TCM) werden Extrakte aus Tigerhoden gegen Impotenz oder Schlangenfleisch gegen Kurzsichtigkeit angewendet. Suppe aus dem Fleisch der Kinder oder des Ehegatten (aus dem lebendigen Körper geschnitten) gilt als sicheres Stärkungsmittel für altersschwache Eltern. Die Chinesen kannten auch das Einblasen zerriebener Blatternkrusten in die Nasenschleimhaut zur Verhütung schwerer Pockeninfektionen. Gelegentlich soll in der TCM auch die rein äußerliche Ähnlichkeit medizinisch hilfreich sein. Demnach hilft gelber Safran gegen Gelbsucht, Leberblümchen gegen Leberleiden oder Leuchtkäfer gegen Augenerkrankungen. Ähnliche Formen eines “magischen Simile” (Ähnlichkeitsprinzip) findet sich bei Paracelsus. Auch in der Moderne sind vergleichbare Verhaltensweisen zu beobachten. So tragen Jugendliche die Kleidung ihres Idols und hoffen dadurch unterschwellig, dass etwas von deren Glanz auch auf das eigene Leben übergeht.2

       Vorläufer der Homöopathie

      Bezüge auf eine Ähnlichkeitsregel in der Erkenntnistheorie finden sich beispielsweise schon bei Empedokles (490-430 v.Chr.): “Denn mit der Erde in uns erkennen wir die Erde, mit dem Wasser das Wasser, mit der Luft die göttliche Luft, mit dem Feuer aber das verderbliche Feuer, die Liebe mit der Liebe, den Hass aber mit traurigem Hass.” Die hinter dieser Aussage stehende Lehre von den vier Elementen (Qualitäten) wirkte sich bis in die Neuzeit in der europäischen Medizin aus.

      Hypokrates (460-370 v.Chr.) kommt der homöopathischen Ähnlichkeitsregel schon näher, wenn er beispielsweise Knoblauch gegen Rausch empfiehlt, weil der bei einem nüchternen Menschen Schwere im Kopf bewirken könne. In seiner Schrift “Von den Stellen im Menschen” argumentiert er ähnlich: “Die Schmerzen [Beschwerden] werden durch das ihnen entgegen gesetzte gehoben, jede Krankheit nach ihrer Eigenart … Eine Art ist folgende: durch das Ähnliche entsteht die Krankheit und durch Anwendung des Ähnlichen wird die Krankheit geheilt.” Wenig später führt Hypokrates aus, dass Harnzwang und Husten mit denselben Mitteln geheilt werden können, von denen sie auch verursacht werden. Auf diese und andere historische Beispiele der Ähnlichkeitsregel bezieht sich Hahnemann zur Unterstützung seiner Medizintheorie.3 An Hahnemanns Simile-Regel erinnern Aussagen der Arzneimittelforscher Petro und Dioskurides (1.Jhd.n.Chr.). Gegen Kurzsichtigkeit wird dort der Genuss junger Schwalben empfohlen, die im Ruf standen, besonders gut zu sehen. Gegen den Biss eines tollwütigen Hundes soll dessen Urin hilfreich sein. Der antike Arzt Galen (200 n.Chr.) hatte hodenähnliche Knollen von Orchis Morio zur Anregung des Geschlechtstriebes verordnet. Eine rein äußerliche Ähnlichkeitsregel soll der Heilige Cyrus angewandt haben, um eine Frau zu kurieren, die beim Wassertrinken einen Frosch verschluckt hatte. Er gab der Frau so viel zu trinken, bis sie sich erbrach und so auch den unliebsamen Frosch los wurde. Zum Schluss des geschichtlichen Berichts wird dann darauf hingewiesen, dass Heilige nicht wie sterbliche Ärzte durch Gegenmittel heilen, sondern durch das Ähnliche.4

      Auffälligere medizintheoretische Parallelen finden sich zwischen Hahnemann und Paracelsus (1493-1541). Paracelsus wendet sich gegen die bis dahin dominierende Auffassung Galens, der dazu aufforderte, Krankheitssymptome mit Mitteln zu bekämpfen, die einen gegensätzlichen Zustand auslösen (z.B. Kühlung gegen Fieber). Paracelsus hingegen will Krankheiten mit Therapien bekämpfen, die gewöhnlich gerade diese Krankheitssymptome hervorrufen: “Contraria a contrariis curantur, das heißt: Heiß vertreibt Kaltes,

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