Ausgänge des Konservatismus. Stefan Breuer

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Ausgänge des Konservatismus - Stefan Breuer

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sah es so aus, als sei in dieser Frage mit dem Erfurter Programm das letzte Wort in der SPD noch nicht gesprochen, war die Partei doch ein heterogenes Gebilde, in dem sich nicht nur die Anhänger einer an rein proletarischen Klasseninteressen ausgerichteten, der bestehenden Staats- und Rechtsordnung opponierenden Politik sammelten. Vertreten wurde die Gegenposition auf pragmatisch-praktische Weise durch den Führer der bayerischen Sozialdemokratie, Georg von Vollmar, der 1893 in einer Rede über »Die Bauern und die Sozialdemokratie« die Bauern aufforderte, sich zu organisieren und zusammen mit der Arbeiterschaft »den Staat zu zwingen, daß er die Ausbeutungsfähigkeit des Kapitalismus in wachsendem Maße einschränke«, anders ausgedrückt: die bestehenden Kleinbetriebe vor der Konkurrenz schütze.145 Sukkurs kam aus Hessen von Eduard David, der seinen Parteigenossen vor Augen hielt, daß in der Landwirtschaft andere Gesetze gälten als in der Industrie, sei doch »ein Auffressen der kleinen Betriebe durch die mittleren, der mittleren durch die großen und der großen durch die Riesenbetriebe […] als Massenerscheinung in der Landwirthschaft nirgends zu konstatiren.«146 Im Gegenteil sei zu erwarten, »daß die Kleinbauern, da sie in hohem Maße keine Waarenproduktion, sondern Produktion zum Selbstgebrauch treiben, […] wenn nicht konkurrenzfähig, so doch in viel höherem Maße existenzfähig bleiben, als der inländische Großbetrieb, der mit der vollen Breitseite dem Angriff der überseeischen Konkurrenz ausgesetzt ist«. Nehme man die Zwergbesitzer hinzu, so sei deutlich, daß die Zukunft der Landwirtschaft statt durch die Konzentration des Eigentums durch dessen »Pulverisirung« bestimmt sein werde, worauf sich die sozialdemokratische Programmatik einzustellen habe.147 Auch wenn der Chefredakteur der Leipziger Volkszeitung, Bruno Schoenlank, so weit nicht gehen wollte, mahnte er doch seine Partei: »Wir müssen verhüten, daß die nägelbeschlagenen Schuhe der Bauern und der Bauernsöhne sich gegen uns wenden, wir müssen sie neutralisieren, pazifizifieren.«148 Zwei Jahre später gehörte er zu den ersten, die Werner Sombarts Sozialismus und soziale Bewegung einen hymnischen Empfang bereiteten, einem Werk, das die Unanwendbarkeit des Marxschen Systems auf die agrarische Produktion behauptete und für eine »Aufnahme jener kleinwirthschaftlichen Elemente in den Rahmen der Bewegung« eintrat.149

      Aus parteitaktischen Gründen hüteten sich die Genannten, sich direkt auf die Arbeiten eines erklärten Konservativen wie Rudolf Meyer zu berufen. Daß diese gleichwohl bekannt waren und z. T. geschätzt wurden, zeigen indes die Interventionen von Paul Ernst, der Ende der 80er Jahre über die Friedrichshagener Bohème zu den »Jungen« in der SPD gestoßen (und darüber mit Engels in Streit geraten) war, an verschiedenen sozialdemokratischen Blättern als Redakteur gearbeitet hatte und trotz wachsender Distanz zur Partei bis 1898 in der Neuen Zeit publizierte.150 Seit 1891 in brieflichem und persönlichem Kontakt mit Meyer, bekräftigte er dessen These, »daß heute der Kleinbesitz konkurrenzfähiger ist, wie der große«, womit er allerdings allein den kleinbäuerlichen Besitz meinte, nicht den bäuerlichen. Während die Bauern im allgemeinen »Arbeiterschinder« seien und daher als »unsere erbittertsten Feinde« zu gelten hätten, stünden die Kleinbauern in keinem Interessengegensatz zu den Arbeitern. Aufgrund ihrer großen Zahl müsse es unbedingt vermieden werden, sie – etwa durch die Drohung mit Expropriation – zu Gegnern zu machen. »Ihnen müssen wir vielmehr ihren Besitz garantiren, sie durch gewisse Reformen uns geneigt machen – Schuldentlastung etc. – und im Uebrigen hoffen, daß sie im Laufe der Zeit, wenn sie erst der große Produktionsaufschwung auf den rationell betriebenen, im Eigenthum des Staates befindlichen Gütern überzeugt, daß sie bei ihrer überkommenen Weise schlechter fahren, von selbst dem Staat ihren Besitz übergeben werden, um eine bessere Nährstelle einzutauschen.«151 Das liest sich wie eine Paraphrase zu Meyers Texten, und tatsächlich berichtet dieser im Anhang zu seinem Buch über den Capitalismus fin de siècle, daß Ernst ihm während einer längeren Krankheit bei der Abfassung des Werkes assistiert habe.152

      Die reformistischen Dissidenten erarbeiteten 1895 eine Reihe von Vorschlägen, die das Erfurter Programm ergänzen sollten. Diese Vorschläge – neben steuerlichen Erleichterungen und einer Verstaatlichung der Hypotheken- und Grundschulden eine Erweiterung des öffentlichen Grundeigentums und dessen Verpachtung entweder an Genossenschaften von Landarbeitern und von Kleinbauern oder an sog. Selbstbewirtschafter153 – riefen indes an der Parteibasis einen Sturm der Entrüstung hervor, schienen sie doch den besitzlosen Proletariern zuzumuten, besitzende Bauern zu unterstützen und eine Zusammenarbeit mit eben dem Staat anzustreben, der von 1878 bis 1890 die Sozialdemokratie aufgrund ihrer angeblich »gemeingefährlichen Bestrebungen« kriminalisiert hatte.154 Kautsky und seine Gefolgschaft hatten auf dem Breslauer Parteitag von 1895 daher wenig Mühe, eine vollständige Verwerfung der Reformvorschläge durchzusetzen.155 Die Reinheit der Lehre konnte auf diese Weise gesichert werden, jedoch um den Preis einer Politik, die de facto nicht nur den Großbetrieb, sondern auch den Großgrundbesitz stabilisierte, da sie ihn den politisch nicht zu beeinflussenden ökonomischen Gesetzmäßigkeiten überließ.156 Erst lange nach dem Krieg gestand Kautsky, er sei zu der Einsicht gekommen, daß David (und damit auch: Rudolf Meyer) »in einem Punkte recht hatte: Die Entwicklung geht in der Landwirtschaft nicht in der Richtung des Zurückdrängens des Kleinbetriebs durch den Großbetrieb vor sich.«157

      Ob diese Einschätzung zutreffender war als die Prognose des Erfurter Programms, kann hier nicht diskutiert werden.158 Für Rudolf Meyer jedenfalls, der der SPD noch 1894 attestierte, die letzte Partei zu sein, »welche noch bedingungsweise einer nationalen Politik fähig ist«159, war mit dem Breslauer Parteitag der Augenblick gekommen, auch dieser Hoffnung Valet zu sagen. Seine Mitarbeit an der Neuen Zeit hörte Anfang 1896 auf, und obschon er mit Kautsky weiterhin im Briefwechsel blieb, war sein Elan doch gebrochen. Am 16. Januar 1899 ist er in Dessau im Haus eines Sohnes von Hermann Wagener gestorben.160 Die Neue Zeit widmete ihm einen Nachruf, der ihm einen »ehrenvollen Platz in der Geschichte der deutschen Sozialdemokratie« zuerkannte.161

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