Der Kettenträger. James Fenimore Cooper

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Der Kettenträger - James Fenimore Cooper

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      Meine bedeutendsten Dienste im Revolutionskriege fielen in das Jahr 1777, bei dem Feldzug, wo Burgoyne ein Treffen mit den Amerikanern hatte und gefangen wurde. Dieser wichtige Erfolg wurde herbeigeführt durch eine zum Theil aus regulären Truppen, zum Theil aus Milizen bestehende Streitmacht. Mein Großvater befehligte eine Brigade der letzteren, oder was man eine Brigade nannte – etwa sechshundert Mann höchstens, während mein Vater ein reguläres Bataillon von hundert und sechszig New-Yorker Liniensoldaten gegen die Verschanzungen der Deutschen führte, an dem denkwürdigen und blutigen Tage, wo die letzteren erstürmt wurden. Wie Viele er davon zurückbrachte, habe ich ihn nie sagen hören. Wie ich dazu kam, bei diesen wichtigen Vorfällen anwesend zu seyn, das ist bald erzählt.

      Da Lilaksbush auf der Insel Manhattan liegt (nicht auf Manhattan-Island, was man nicht vergessen wolle,) und unsere Familie zu den Whigs gehörte, sahen wir uns genöthigt, unsere Häuser in der Stadt und auf dem Land zu verlassen, sobald Sir William Howe New-York in Besitz nahm. Zuerst begnügte sich meine Mutter, nach Satanstoe zu gehen, das nur eine kleine Strecke von den feindlichen Linien entfernt war; aber da der politische Charakter der Familie Littlepage zu allgemein bekannt war, als daß dieser Aufenthaltsort sicher gewesen wäre, begaben sich meine Großmutter und meine Mutter, beständig begleitet von Miß Wallace, nach den Hochlanden, wo sie sich während des übrigen Krieges in dem Dorf Fishkill niederließen, auf einem Pachtgut, das der Miß Wallace als freies Erbeigenthum gehörte. Hier glaubte man, seyen sie sicher, da sie siebzig Meilen von der Hauptstadt entfernt und ganz innerhalb der Linien der Amerikaner waren. Da diese Uebersiedlung gegen Ende des Jahres 1776 nach der Erklärung der Unabhängigkeit stattfand, nahm man an, daß es von dem Ausgang des Krieges abhänge, ob wir überhaupt wieder in unsere Heimath und zu unserem Eigenthum zurückkehren könnten. Zu jenen Zeiten war ich ein Sophomor und zu Hause während der langen Ferien. Während dieses Besuchs machte ich das Stück eines Feldzugs mit, indem ich meinen Vater bei allen Bewegungen seines Regiments begleitete, während Washington und Howe in West-Chester manöuvrirten. Da meines Vaters Bataillon zufällig so postirt war, daß es im Mittelpunkt der Schlacht auf White Plains (der weißen Ebene) stand, hatte ich Gelegenheit, hierbei recht ins ernste und hitzige Kriegsgetümmel eingeweiht zu werden. Auch verließ ich die Armee erst, um zu meinen Studien zurückzukehren, nach den glänzenden Treffen von Trenton und Princeton, an welchen beiden unser Regiment Antheil nahm.

      Dies hieß ziemlich frühe anfangen, sich in's thätige, handelnde Leben zu mischen, für einen Knaben von vierzehn Jahren. Aber in jenem Kriege trugen Jungen von meinem Alter oft schon die Muskete, denn die Colonien umfaßten ein großes Gebiet und hatten nur eine kleine Bevölkerung. Diejenigen, welche von dem amerikanischen Unabhängigkeitskriege lesen, und die Feldzüge und Schlachten desselben so ansehen, wie sie die Kämpfe älterer und weiter vorgeschrittener Nationen zu betrachten gewohnt sind, können sich keine richtigen Vorstellungen bilden von den Nachtheilen, mit welchen unser Volk zu kämpfen hatte, oder der großen Ueberlegenheit des Feindes in allen gewöhnlichen Elementen der kriegerischen Stärke. Ohne erfahrene Offiziere, mit nur wenigen und ziemlich schlechten Waffen versehen, oft der Munition entbehrend, stand die ländliche und sonst so friedliche Bevölkerung eines dünn bevölkerten Landes gegenüber den auserlesenen Soldaten Europa's, und dazu noch ohne, oder fast ohne den großen Nerv des Krieges: Geld, sie zu unterhalten. Und dennoch waren die Amerikaner, ohne durch fremden Beistand oder fremdes Talent unterstützt zu seyn, ungefähr ebenso oft im Kriege glücklich als das Gegentheil. Bunker Hill, Bennington, Saratoga, Bhemis' Heights, Trenton, Princeton, Monmouth – das Alles waren rein amerikanische Schlachten; um Nichts zu sagen von einigen andern, welche weiter südlich vorfielen; und obgleich unbedeutend in Betracht der Zahlen, wenn man sie mit den Kämpfen der neueren Zeiten vergleicht, verdient doch jede einen Platz in der Geschichte, und eine oder ein paar sind beinahe ohne ihres Gleichen, wie man sieht, wenn nur Bunker Hill genannt wird. Es nimmt sich in Berichten sehr schön aus, die Zahlen der feindlichen Reihen zu vergrößern; aber zugegeben auch, daß die Zahl selbst nicht überschätzt sey, wie so oft geschah, was nützen Menschen ohne Waffen und Munition und oft sogar ohne eine andere militärische Organisation als eine Regimentsliste!

      Ich habe gesagt, daß ich beinahe den ganzen Feldzug mitgemacht, in welchem Burgoyne gefangen wurde. Dies ging so zu. Die Theilnahme am Feldzug im vorigen Jahr hatte mir die Neigung zum Studium ziemlich geschwächt, und als ich in den Herbstferien wieder zu Hause war, schickte mich meine gute Mutter mit Kleidern und sonstigen Bedürfnissen zu meinem Vater, welcher bei der Armee im Norden sich befand. Ich erreichte das Hauptquartier von General Gates acht Tage vor dem Treffen von Bhemis Heights, und blieb bei meinem Vater, bis die Kapitulation vollständig erfolgt war. In Folge dieser Umstände war ich, obwohl noch ein Knabe an Jahren, Augenzeuge von, und bis auf einen gewissen Grad Mithandelnder bei zwei oder drei der wichtigsten Ereignisse des ganzen Krieges. Groß für meine Jahre, und von einem ziemlich männlichen Aussehen, – wenn man erwog, wie jung ich in der That war, – konnte ich ganz gut für einen Freiwilligen gelten; und ich habe Grund zu glauben, daß ich in gewisser Art der Liebling des Regiments war. In der letzten Schlacht hatte ich die Ehre, eine Art Adjutant meines Großvaters zu seyn, der mich zwei oder dreimal mit Befehlen und Botschaften mitten in's Feuer hinein schickte. Auf diese Art machte ich mich ein wenig bekannt und um so mehr deßwegen, weil ich in der That nur ein Collegiumsschüler war, während der Ferien von seiner alma mater auf einige Zeit entlassen.

      Es war ganz natürlich, daß ein Knabe unter solchen Verhältnissen einige Aufmerksamkeit auf sich zog, und es nahmen Offiziere Kunde von mir, die unter andern Umständen es schwerlich der Mühe werth gefunden hätten, sich nach mir umzusehen, ein Wort mit mir zu sprechen. Die Littlepage's, so darf ich wohl glauben, standen gut in den Colonieen, und ihre Stellung in dem neuen Staat mußte allem Anschein nach eher noch eine angesehenere werden durch die Rolle, die sie in der Revolution spielten. Ich bin keineswegs überzeugt, daß General Littlepage als ein Hauptpfeiler an dem Tempel der Freiheit betrachtet wurde, welchen die Armee aufzurichten strebte, aber er war höchst achtbar als Milizoffizier und mein Vater galt allgemein als einer der besten Oberstlieutenants im ganzen Heere.

      Ich erinnere mich noch wohl, daß ich großen Geschmack fand an einem Kapitän in meines Vaters Regiment, der sicherlich in seiner Weise ein Originalcharakter war. Er war von holländischer Abkunft, wie überhaupt ein ansehnlicher Theil der Offiziere und sein Name war Andries Coejemans; doch war er allgemein bekannt unter dem Beinamen: »der Kettenträger.« Dieß war ein Glück für ihn, sonst würden die Yankees im Lager, welche eine wahre Manie zu haben scheinen, jedes Wort so auszusprechen, wie es geschrieben ist, und dann, wenn ihnen dies gelungen, die Schreibart der ganzen Sprache zu ändern, um sie gewissen Lauten von ihrer eigenen Erfindung anzubequemen, ihm gewiß einen gar nicht auszusprechenden Namen geschöpft haben. Der Himmel allein weiß, wie sie, ohne diesen glücklichen Spitznamen, den Kapitän Coejemans genannt hätten; für die Uneingeweihten aber dürfte hier gleich bemerkt werden, daß in der New-Yorker Sprechweise Coejemans ausgesprochen wird wie Queemans. Der Kettenträger stammte aus einer achtbaren holländischen Familie, die sogar ihren sonderbar aussehenden Namen einem nicht ganz unbedeutenden Ort am Hudson gegeben hatte; aber wie dieß gar nicht selten der Fall war bei den jüngern Söhnen solcher Häuser in den guten alten Zeiten der Colonie, seine Erziehung und Bildung wollte nicht viel besagen. Sein Vermögen war früher nicht unbedeutend gewesen, aber, wie er immer behauptete, er war vor seinem dreiundzwanzigsten Jahre von einem Yankee um Hab' und Gut geprellt worden und von dieser Zeit an hatte er sich zur Landvermesserei gewendet, um von diesem Berufe zu leben. Aber Andries hatte keinen Kopf für die Mathematik, und nachdem er in seinem neuen Beruf ein paar tüchtige Böcke geschossen, sank er in aller Stille zum Rang eines (Meß-)Kettenträgers herab, in welcher Eigenschaft er allen hervorragenden Männern seines Berufes in der Colonie bekannt war. Man behauptet, jeder Mensch passe für irgend einen bestimmten Beruf, in welchem er sich auszeichnen und verdient machen könnte, wenn er nur in denselben einträte und dabei beharrte. Dies erwahrte sich wenigstens bei Andries Coejemans. Als Kettenträger hatte er einen Ruf ohne gleichen. So bescheiden und gering diese Beschäftigung war, so gab sie doch so gut wie eine andere, Gelegenheit, in verschiedener Hinsicht sich auszuzeichnen. Erstlich erheischte sie Ehrlichkeit, eine Eigenschaft,

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