Slaughter's Hound. Declan Burke
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Wir standen da und tranken Kaffee, während Herb im Sessel an seinem Joint zog und eine Viertelmillion Deutsche vor Stalingrad festgefroren waren und immer noch hofften, Friedrich Paulus würde Hitler klarmachen, dass er sich sein »Sieg Heil« in den österreichischen Arsch schieben könnte. Das Schweigen wurde spröde, Toto schaute wieder zum Bücherregal. Ich drehte mir eine Fluppe und trat vor die gegenüberliegende Wand, Herbs Galerie mit gerahmten Fotos aus seiner Zeit als Paparazzi, manche waren Einzelbilder oder Porträts, manche Zeitschriftencover. Am besten gefiel mir das Titelblatt des Sligo Champion anlässlich einer Wahlkampftour von Bertie Ahern, auf dem er schockiert auf die Reste eines zerplatzten Eis starrt, die an seiner Krawatte kleben, darüber die Headline: »Berties Eiertanz um die Macht«.
Herb beugte sich vor, um abzuaschen, und entlockte dem gläsernen Aschenbecher ein Klimpern, das laut genug war, um Totos und meine Aufmerksamkeit zu erregen. Herb räusperte sich und fragte: »Na, gibt’s was Neues?«
Die Frage ging an mich. Ich schaute Toto an. Der hob demonstrativ die Hände zur Entschuldigung. »Ich bin gar nicht da«, sagte er. »Wenn ihr Geschäftliches zu erledigen habt, lasst euch von mir nicht stören.«
Herb nickte mir zu. »Finn hat angerufen«, sagte ich. »Er will drei Beutel.«
»Ach wirklich?«
»Jetzt gleich.«
»Er hat doch erst letzten Monat drei bekommen.«
»Das stimmt.«
»Ganz schön viel für den persönlichen Gebrauch.«
Herb verkaufte keine halben Portionen. Nur Beutel mit 150 Gramm Primo Bud. Süß wie Bambi im Abgang und ein Kick wie Klopfers Trommelwirbel. Er könnte es mit Oregano verschneiden, kleine Zweige mit in die Tüten tun, so wie das Totos Dealer machten, aber bei Herb war der Kunde König und er blieb immer korrekt.
»Nächste Woche kommen die Surfer nach Enniscrone«, sagte ich. »Die Wildwasserfrauen oder sowas.«
»Was macht er also damit, dealt er?«
»Glaub ich nicht. Wahrscheinlich versorgt er bestimmte Leute damit.«
Toto hielt jetzt ein anderes Buch in der Hand, Schrödingers Kätzchen von John Gribbin. Offenbar interessierte er sich für Quantenmechanik.
»Aber er versorgt sie gegen Geld«, hakte Herb nach.
»Ich will damit sagen, dass Finn es nicht nötig hat zu dealen.«
»Er wird es ja wohl kaum umsonst verteilen, oder?«
»Soll ich deswegen mit ihm reden?«
»Ja, fühl ihm mal auf den Zahn. Sieh mal nach, um was es geht. Ein Amateur, der uns dazwischenfunkt, wäre wirklich das Letzte, was wir gebrauchen können. In Bundoran rennen jetzt schon Bullen mit Boogie Boards durch die Gegend.«
»Mach ich.«
Toto stellte die Espressotasse auf den Tisch zurück und hielt das Buch von Gribbin hoch. »Herbie, würd’s dir was ausmachen …«
»Kein Thema, Mann, nimm’s mit.«
Das Gribbin-Buch wanderte unter seinen Arm, zusammen mit der Leigh-Fermor-Biografie. »Ich bring sie dir beim nächsten Mal zurück«, sagte er. »Ach, Harry?« Er machte eine Kopfbewegung Richtung Hausflur. »Hast du kurz mal Zeit?«
Aus irgendeinem Grund nahm ich meinen Kaffee mit, als ich ihm folgte. Er schlenderte durch die Küche und trat in die Garage. Dort drückte er auf den Knopf für das Tor. »Wie läuft’s so mit deiner Bewährung?«
»Ach, ganz gut. Hab noch ungefähr fünf Monate.«
Schiefes Grinsen. »Ungefähr?«
»Fünf Monate und vier Tage.«
»Und du bist clean, ja?«
Er meinte nicht bloß Heroin oder Koks. Er meinte alles, was ihm Probleme bereiten könnte, wenn ich von der Polizei angehalten wurde in einem Taxi, an dessen Fracht er vierzig Prozent Anteile hatte. Eine dämliche Frage. Ich würde es wohl kaum zugeben, wenn ich nebenher noch Kinderpornos aus dem Kofferraum verhökerte. Aber eigentlich war es gar keine Frage. Vor allem, weil Toto McConnells Definition von clean nicht die Beutel mit Gras umfasste, die ich für Herb in der Stadt verteilte.
Er öffnete die Tür seines drei Jahre alten stinknormalen marineblauen Golfs, stieg ein und legte die Bücher auf den Beifahrersitz. »Dieser Finn«, sagte er, »will drei Beutel. Stehst du für ihn ein?«
»Er hat mich nie hängenlassen. Zahlt immer im Voraus.«
»Und du kennst ihn, oder?«
Ich nickte. »Es ist Finn Hamilton.«
Er legte den Kopf schief. »Die Immobilien-Hamiltons?«
»Das ist seine Familie, ja. Aber er ist Kunsthändler.«
»Der Sohn von Bob Hamilton.« Er nickte vor sich hin und speicherte das ab. Könnte ja mal nützlich sein, es zu wissen. »Hat eine Galerie unten am Hafen«, sagte er, »in dem alten Verwaltungsgebäude. Oder verwechsle ich ihn mit jemandem?«
»Nein, das ist er.«
»Netter Job, wenn man ihn kriegen kann«, grinste er. »Hab ich recht?«
»Wenn man Kunst mag.«
Er zuckte mit den Schultern. »Ich mag Kunst. Warum denn nicht?« Er drehte den Schlüssel um und ließ den Motor des Golfs aufheulen, der anschließend leise vor sich hin schnurrte. Er schloss die Tür und ließ dann das Fenster herunter. »Ich wollte dich eigentlich fragen, ob du Malky Gorevan kennst.«
Womit er mich wissen ließ, dass er wusste, dass ich meine Haftzeit, beziehungsweise nicht wenig davon, in Dundrum abgesessen hatte. Und wohl noch mehr durchblicken ließ, nämlich dass ich alles in allem doch verdammt früh rausgekommen war angesichts der Tatsache, dass ich wegen Mordes an meinem eigenen Bruder verurteilt worden war, ein mit sechs Jahren sehr mildes Urteil, wo die Tat eigentlich ausreichen sollte, mich lebenslang zu den anderen geisteskranken Kriminellen zu sperren. Gab mir zu verstehen, dass manche Leute sich darüber wundern könnten, dass ich so schnell wieder rausgekommen war, und sich fragten, ob ich vielleicht einen Deal gemacht hatte, könnte ja sein, dass Harry Rigby seine Schuld zurückzahlen wollte, indem er ab und zu jemandem aus Dankbarkeit den Hinweis steckte, wo’s einen dicken Fisch zu fangen gab.
»Ja, ich kannte Malky«, sagte ich. »Ein irres Arschloch.«
»Deshalb ist er ja in Dundrum gelandet«, sagte Toto.
»Wohl wahr. Wie geht’s ihm denn?«
Malky Gorevan gehörte zu den ganz wenigen ehemaligen Paramilitärs, die durch das Karfreitagsabkommen nicht wieder auf freien Fuß gekommen waren. Zum einen, weil niemand sich einen Scheiß dafür interessierte, ob die INLA wieder zu den Waffen griff, aber vor allem deshalb, weil Malky, der aufgrund diverser Vergehen verurteilt worden war, als Irlands erster Serienkiller in die Geschichte eingegangen wäre, wenn er sich nicht die Fahne des Freiheitskampfs umgehängt hätte. Falls Malky jemals wieder aus Dundrum rauskam, dann um eine ganz kurze Reise Richtung Norden